Der Sommer ist die große Zeit des Aussortierens. Zumindest in Leipzig. Deutschlandweit, so vermeldete die Bundesarbeitsagentur am Dienstag, 1. September, sei die Arbeitslosigkeit leicht angestiegen im August. Grund sei die lange Sommerpause. Aber in Leipzig schrumpfte die offizielle Zahl der als arbeitslos Gezählten. Den Grund dafür deutete Reinhilde Willens, die Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Leipzig, zumindest schon mal an.

“Der August brachte einen Rückgang der Zahl der arbeitslosen Menschen in Leipzig. Obwohl die Zahl der jungen Arbeitslosen noch einmal gestiegen ist, war der Rückgang bei den über 25-Jährigen groß genug, um diese Entwicklung mehr als auszugleichen.”

Die über 25-Jährigen, die sie hier erwähnt, sind eigentlich nicht maßgebend. Denn in der Altersgruppe der 25- bis 50-Jährigen sank die Zahl nur geringfügig um lütte 0,7 Prozent. Den eigentlichen Rückgang gab es bei den über 50-Jährigen. Dort betrug der Rückgang nämlich 4,5 Prozent. Und auch in absoluten Zahlen gab es dort die größten Rückgänge.

Während die Zahl der unter 25-Jährigen unter den als arbeitslos Gezählten anstieg, weil viele junge Leute nach der Ausbildung noch ohne anschließende Lehr- oder Arbeitsstelle waren im August, sank die Zahl der über 50-Jährigen, die noch in der Arbeitslosenstatistik geführt werden, um 260.

Deutlicher wird das Bild, wenn man nachschaut, woher die nun als arbeitslos Gezählten kommen – und wohin sie gehen, wenn sie aus der Statistik verschwinden. Hauptzuwachs für “neue” Arbeitslose war im August die beendete Ausbildung mit 260 jungen Leuten, die nicht gleich eine Anschlussanstellung fanden.

Das ist keine lineare Rechnung, betont die Arbeitsagentur. Auf dem, was man so landläufig “Arbeitsmarkt” nennen könnte, ist ja ständig Bewegung: Menschen melden sich bei Arbeitsagentur und Jobcenter an, Menschen melden sich ab. Es ist trotzdem in dieser Art ein Novum für Leipzig, dass 6.396 Anmeldungen im August satte 6.636 Abmeldungen gegenüberstanden.

Unter Letzteren waren durchaus auch Folgen des Beschäftigungsaufbaus in Leipzig zu vermuten. Seit Jahren wächst ja die Beschäftigtenzahl in Leipzig an. Und es wurden auch wieder 208 Menschen mehr in eine Arbeit auf dem richtigen, dem 1. Arbeitsmarkt, vermittelt, als von dort in Arbeitsagentur und Jobcenter landeten. Auch die Zahl der Selbstständigen ging weiter zurück, denn nach wie vor ist eine vollbezahlte Stelle in Leipzig wesentlich attraktiver als das Risiko Selbstständigkeit.

Aber die größten Posten der “Abgänge aus der Arbeitslosigkeit” gab es im August in die Nichterwerbstätigkeit. Und genau das betraf vor allem die über 50-Jährigen. Sie verschwinden auch weiterhin vor allem aus Altersgründen aus der Arbeitslosenstatistik und profitieren kaum von den Entwicklungen am Arbeitsmarkt. 373 betrug die Zahl der Personen, die mehr in Nichterwerbstätigkeit gingen, als aus der Nichterwerbstätigkeit kamen. Letzteres gibt es ja auch, wenn Menschen aus familiären oder gesundheitlichen Gründen zeitweilig nicht in der Statistik sind.

Und die über 50-Jährigen verschwinden mit diesen kalendarischen Brüchen in der Regel dauerhaft aus der Arbeitslosenstatistik. Was zwar die Arbeitslosenrate für Leipzig auf den sommerlichen Rekordwert von 9,5 Prozent bringt (wie im Vormonat), aber am eigentlichen Kostenblick der Leipziger Arbeitslosenverwaltung nicht viel ändert.

Denn dadurch sinkt zwar die Zahl der als arbeitslos Gezählten von 27.445 im Juli auf 27.260 im August (im SGB II sank die Zahl von 21.392 auf 21.144, im SGB III stieg sie dafür von 6.053 auf 6.116), aber der Sockel all der Menschen, die auf die Überweisungen des Jobcenters angewiesen sind, schmolz nur ein wenig ab.

Die Zahl der Menschen in Bedarfsgemeinschaften sank von 70.687 auf 70.589, aber die Zahl der Bedarfsgemeinschaften selbst stieg von 41.908 auf 41.932. Was natürlich darauf hindeutet, dass viele junge Leute ihr Berufsleben gleich mal als Einzel-Bedarfsgemeinschaft beginnen.

Es deutet also alles darauf hin, dass der Arbeitsmarkt in Leipzig weiter aufnahmefähig ist, nur die älteren Arbeitslosen, die oft schon Jahre aus einem geregelten Arbeitsverhältnis raus sind, profitieren davon nicht. Die Unternehmen stellen doch lieber junge Arbeitskräfte ein. Was in Sachsen ja noch dadurch verstärkt wird, dass die Abwanderung aus den ländlichen Räumen in die Großstädte weiter anhält. Leipzig schafft auch für diese Zuwanderer neue Arbeitsplätze. Sogar mehr als Dresden, denn während die Landeshauptstadt den “normalen” Sommereffekt eines Arbeitslosenzuwachses hatte (plus 0,8 Prozent), hat Leipzig trotz starker Zuwanderung einen weiteren Abbau der offiziellen Arbeitslosenzahl zu verzeichnen. Das heißt: Auch im landesweiten Rückgang der Arbeitslosenzahl von 1.133 steckt ein großes Stück von Beschäftigungsaufbau in Leipzig.

Und die Zahl der gemeldeten Arbeitsstellen ist im August auf 4.966 gestiegen. Das geht also so weiter und die wachsende Stadt hat ein paralleles Wachstum an Beschäftigung, das die Region mitzieht. Und auch die Art der gemeldeten Stellen zeigt, wo in Leipzig gerade Nachfrage besteht: 1.294 Stellen wurden im Bereich “Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung” gemeldet, 941 Stellen im Bereich “Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit” und 549 Stellen im Bereich “Gesundheit, Soziales, Lehre u. Erziehung”. Im letzten Thema steckt natürlich der wachsende Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern.

Und deutlich wird auch im August wieder, wie sehr sich der klassische Bereich der Arbeitsvermittlung in Leipzig mittlerweile auf Zeitarbeitsfirmen verlagert hat: Sie stehen für 2.381 der offenen Arbeitsangebote im August.

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