Die Rentendiskussion brodelt ja wieder. Oft genug unter dem Titel „Jeder kämpft für sich allein“. Wirklich zukunftsfähig ist das deutsche Rentensystem nach vier mächtigen Reformern nicht mehr wirklich. Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) hat sich jetzt einen Aspekt der Debatte herausgegriffen, der meist vergessen wird: Die Null-Rente der Arbeitslosen. Eine Abbau-Story in vier Kapiteln.

Paul M. Schröder vom BIAJ hat aus aktuellem Anlass einmal an die „vergessenen“ Rentenkürzungen der letzten 20 Jahre erinnert. Angefangen mit der Absenkung der Rentenbeiträge für längere Zeit Arbeitslose hat noch unter Helmut Kohl der damalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Norbert Blüm (CDU). „Die Renten sind sicher“, sagte er ja bekanntlich.

Nur galt das eben nicht für all jene, die in Arbeitslosigkeit rutschten. Für alle anderen inzwischen auch nicht mehr, seit folgende Bundesregierungen auch die Rentensätze für alle drastisch gesenkt haben.

Aber zuerst gespürt haben den Abbau des Rentenniveaus alle, die dummerweise in der berühmten deutschen „sozialen Hängematte“ gelandet sind. Blüm ging dabei noch vorsichtig zu Werke, schmolz die Beitragszahlungen für Arbeitslose nur vorsichtig ab, beließ aber im Wesentlichen die Bezugsgrenze von 80 Prozent des letzten Erwerbseinkommens.

Das änderte sich dann unter der Schröder-Regierung drastisch, die nicht nur bei den Arbeitsmarktreformen auf neoliberale Marktrezepte zurückgriff, sondern auch bei der Rentenreform. Verantwortlich dafür war damals der SPD-Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Walter Riester, der die private Vorsorge zum neuen Allheilmittel für die Alterssicherung erklärte. Fortan sollten die Bürger riestern und später auch rürupen. Nur: Wer eh schon mit Almosen abgespeist wird, kann auch nicht vorsorgen. Unter den nächsten Arbeitsministern Wolfgang Clement und Franz Müntefering schmolzen die Alterszuschüsse für Arbeitslose immer weiter ab. Den Endpunkt setzte dann die CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Und man darf nicht vergessen: Es ging nie um die Sicherung der Rentenbezüge, sondern immer um Ersparnisse des Bundeshaushaltes. Der lief unter Kohl, Schröder und in den ersten Jahren der Merkel-Regierung immer im Minus und man versuchte, die Milliarden zusammenzukratzen, wo immer man sie fand.

„Wir werden … den Rentenversicherungsbeitragssatz für SGB II Empfänger abschaffen“, war dann die geniale Sparidee von Ursula von der Leyen, die beendete, was Riester begonnen hatte.

„Die vollständige Abschaffung der Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitslosengeld  II-Empfänger/innen ist eine der vielen ‚Sparideen‘, die von der schwarz-gelben Bundesregierung am 7. Juni 2010, unter der Überschrift ‚Die Grundpfeiler unserer Zukunft stärken‘  angekündigt wurden“, kommentiert das Paul M. Schröder. „Mit diesem Schritt knüpft die  Bundesregierung an eine ‚lange gepflegte Tradition‘ an. Damit sollen 1,8 Milliarden Euro pro Jahr im Vergleich zu den Ausgaben im Jahr 2010 ‚eingespart‘ werden, 7,2 Milliarden Euro in den Jahren 2011 bis 2014.“

Oder mal so formuliert: Die Arbeitslosen haben mit einem hohen zweistelligen Milliardenbeitrag über die Jahre den Bundeshaushalt mit entschuldet.

Und weil das so schön funktionierte, haben es die Regierungen Schröder und Merkel auch bei den „normalen“ Renten gemacht und die Bezugssätze immer weiter gesenkt. Da ist dann von den „sicheren Renten“ nicht viel übrig geblieben. Und eine Debatte beginnt, die mittlerweile nicht nur von der Linkspartei geführt wird: Wenn die Rentenhöhe nichts mehr mit der Lebensarbeitszeit der Betroffenen und ihrer Leistungsbereitschaft zu tun hat, ist eine Grundrente für alle eigentlich das Gebot der Stunde. Dann liegt es wirklich am Willen der besser Verdienenden, sich durch eigene private Vorsorge höhere Altersbezüge zu sichern. Und wer nie über niedrig entlohnte Beschäftigung hinauskommt, muss nicht mehr in der Angst leben, im Alter betteln zu müssen.

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