Für FreikäuferWährend anderswo noch Ferien sind, wird in Sachsen seit einem Monat wieder mächtig gearbeitet. Logische Folge: Es werden Arbeitskräfte eingestellt – junge Leute bekommen nach der Ausbildung ihren ersten Arbeitsplatz. Und die Arbeitsagentur Leipzig meldet die niedrigste offizielle Arbeitslosigkeit seit 1991. Allein gegenüber August 2016 ist die Arbeitslosigkeit in der Stadt Leipzig um 2.635 Arbeitslose zurückgegangen.

Die Arbeitslosenquote lag das zweite Mal in den letzten 26 Jahren bei 7,6 Prozent und erreichte damit wieder den niedrigsten Stand seit 1991. Im Juni 2017 wurde erstmals dieser Wert erreicht. Dann kamen ja bekanntlich die Ferien und die jungen Leute meldeten sich nach der Schule bzw. der Ausbildung erst mal beim Amt. Aber der Leipziger Arbeitsmarkt ist so ausgehungert nach Fachkräften, dass mit Ferienende die Integration der Noch-nicht-Versorgten gleich wieder anlief.

„Die arbeitslos gemeldeten Menschen in Leipzig, auch Menschen, die länger arbeitslos waren, profitieren von der positiven Beschäftigungsentwicklung in der Stadt Leipzig. Sie finden immer häufiger eine Arbeitsstelle“, meint der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Steffen Leonhardi. „Ich kann die Arbeitsgeber nur bestärken, weiter in die Einarbeitung dieser Arbeitskräfte zu investieren, auch wenn die Biografie Zeiten der Arbeitslosigkeit enthält. Unser Ansatz der Qualifizierung und arbeitsplatznahen Trainings wirkt erfolgreich. Deshalb investieren Jobcenter und Arbeitsagentur weiter in die Qualifizierung der Menschen.“

Wobei das Stichwort Einarbeitung wichtig ist. Denn die meisten Reserven des Leipziger Arbeitsmarktes sind aufgebraucht. Wer neue Fachkräfte braucht, muss sie oft selbst ausbilden, umschulen oder anlernen. Und er muss sich auch mit jenen Jugendlichen beschäftigen, die mit ihren schulischen Abschlüssen scheinbar erst einmal schlechte Chancen haben. Aber wer bügelt die Fehlstellen eines auf Kante gesparten Schulsystems aus?

Am Ende werden es die Unternehmen sein müssen, die dringend auf die jungen Leute angewiesen sind. Die Zeiten, dass auf eine Lehrstelle 10, 20 Bewerber kamen, sind schon lange vorbei. Heute gibt es nicht einmal mehr auf jede freie Lehrstellen einen Bewerber.

Aber nicht nur die Einstellungen der jungen Leute sorgen für das erneute Absinken der Arbeitslosenzahl im August. Tatsächlich machen die unter 25-Jährigen nur 125 von insgesamt 605 nicht mehr gezählten Arbeitslosen aus. 113 waren Arbeitslose von 55 Jahren und älter, 169 waren Langzeitarbeitslose.

Ob diese Menschen tatsächlich wieder in Arbeit kamen, ist schwer zu sagen. Denn alle diese Zahlen sind ja Ergebnis eines fortlaufenden Prozesses, bei dem sich Menschen arbeitslos melden, vermittelt werden oder in Schulungsmaßnahmen kommen, während gleichzeitig immer neue Stellenfreimeldungen eintrudeln.

Denn gleichzeitig wächst das Arbeitsstellenangebot in Leipzig. Im August wurde der nächste Höchststand an frei gemeldeten Stellen gemeldet: 6.982. Im September wird wohl mit einiger Sicherheit die 7.000er-Schwelle überschritten. Es passiert also genau das, was sich OBM Burkhard Jung wünscht: Die Stadt schafft immer neue Arbeitsstellen und damit die Grundlagen für weiteres Wachstum. Nur: Wo sollen die ganzen Arbeitskräfte herkommen, wenn der Wohnungsbau stockt (der soziale sowieso), die Geburtenraten eher im Keller sind und damit gerade der Ausbildungsnachwuchs fehlt?

Gemeldete Arbeitsstellen nach Branchen im August. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Gemeldete Arbeitsstellen nach Branchen im August. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Das hat zumindest einen Effekt: Ältere Arbeitnehmer über 50 Jahre werden nicht mehr aussortiert. Das ist der Hauptgrund dafür, dass Leipzigs Arbeitslosenzahlen sinken. Kontinuierlich. Jeden Monat verschwinden über 100 Ältere aus der Statistik, weil es keinen „Nachschub“ mehr gibt an älteren freigesetzten Arbeitnehmen.

Und das macht sich logischerweise zuallererst im SGB-II-Bereich bemerkbar.

Insgesamt waren Ende August in Leipzig 22.784 Menschen, 602 weniger als im Juli, bei der Arbeitsagentur und dem Jobcenter arbeitslos gemeldet. Im Rechtskreis SGB III betrug der Rückgang im Vergleich zum Vormonat 213 und im Rechtskreis SGB II sogar 389. Im Vergleich zum August 2016 sank die Arbeitslosigkeit insgesamt um 2.635 Menschen.

Was dann mittelfristig – zumindest wenn die wirtschaftliche Entwicklung weiter so stabil bleibt – dazu führt, dass der hohe Besatz an Bedarfsgemeinschaften deutlich abschmilzt.

Der aktuelle Stand: In Leipzig gab es im August 38.584 Bedarfsgemeinschaften. Das sind 96 weniger als im Vormonat und 1.645 weniger als im August des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 48.310 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug der Rückgang 434. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 1.586 Personen.

Wobei seit einem Jahr immer mitzudenken ist, dass hier jetzt auch jene Flüchtlinge eine Rolle spielen, die 2015 in Leipzig ankamen und jetzt über Integrationsinstrumente und Jobcenter doch zusehends in Arbeit kommen. Es scheint nach wie vor mühsam zu sein. Aber nachdem die Zahl der arbeitslos gemeldeten Ausländer all die Monate vorher anstieg, sank sie im August erstmals wieder, wenn auch „nur“ um acht.

Da ist dann eher die Frage, ob die angebotenen Arbeitsplätze zu den Arbeitsuchenden passen. Nach wie vor sucht die Industrie die meisten Arbeitskräfte, gefolgt vom Verkehr- und Logistikgewerbe und den Fachkräften in dem riesigen Bereich Erziehung, Bildung, Soziales und Pflege. Und da scheint – wie am Mittwoch im Landtag zu hören war – der Freistaat als Großarbeitgeber noch nicht mal begriffen zu haben, dass er jetzt selbst vorsorgen muss. Denn ihm überaltert das Personal in all diesen Bereichen massiv – und die zuständigen Minister tun immer noch so, als könnten sie sich irgendwann in den nächsten Jahren die Leute backen, die heute schon Mangelware auf dem Arbeitsmarkt sind.

Zum statistischen Zähltag im August betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 7,6 Prozent (Vormonat: 7,8 Prozent). Im August 2016 lag diese noch bei 8,6 Prozent.

Und der Abbau der statistischen Arbeitslosigkeit wird weitergehen, betonte auch Leonhardi am Donnerstag, als er die neuen Zahlen bekanntgab.

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