Ist es die „Robustheit“ des Leipziger Arbeitsmarktes, die Steffen Leonhardi, der Chef der Leipziger Arbeitsagentur, beschwört? Oder überlappen sich da einfach zwei Trends – die Stilllegung publikumsträchtiger Branchen durch die Corona-Allgemeinverfügung einerseits, und der weiter schwelende Fachkräftemangel in technischen Branchen und im öffentliche Dienst andererseits?

Denn aus der seit 2010 offensichtlichen Nachwuchsdelle ist Sachsen nicht heraus, wird es wohl auch nicht mehr kommen, denn die Geburtenzahlen im Freistaat werden nicht wieder auf den Stand der 1980er Jahre kommen. Und viele Branchen sind ohne ausreichendes Fachpersonal nicht machbar – trotz der viel beschworenen Digitalisierung, trotz aller Märchen über Künstliche Intelligenz.Was eben nun im langen zweiten Lockdown auch bedeutet, dass 2021 nach wie vor dieselben Branchen gebeutelt werden wie 2020 – von Gastronomie und Hotellerie bis hin zu den Solo-Selbstständigen. Alle anderen arbeiten weiter. Und sie suchen dementsprechend auch weiter nach Fachpersonal.

„Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit war im März von einem Rückgang geprägt und damit zeigte sich trotz der bestehenden Einschränkungen in der Pandemie die Robustheit des Leipziger Arbeitsmarktes. Der Arbeitskräftebedarf ist hoch. Das ist ein deutliches Zeichen für die einsetzende Frühjahrsbelebung“, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Steffen Leonhardi, zur jüngsten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Leipzig.

Gemeldete freie Stellen nach Branchen. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Gemeldete freie Stellen nach Branchen. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Insgesamt waren 25.791 (Vormonat 26.427) Männer und Frauen in der Stadt Leipzig arbeitslos. Der Rückgang im Vergleich zum Februar betrug also 636 Personen. Im Vergleich zum Februar des Vorjahres ist die Zahl der Arbeitslosen freilich um 6.024 oder 30,5 Prozent angewachsen.

Das Problem wird deutlicher, wenn man die Einschätzung von Klaus-Peter Hansen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit, zur Entwicklung auf dem sächsischen Arbeitsmarkt danebensetzt:

„Wir bleiben optimistisch, aber wir reden die Dinge auch nicht schön. Erfreulich ist: Im März ist die Arbeitslosigkeit in einem üblichen Umfang gesunken. Dieser Rückgang entspricht dem Niveau des Vorjahres und ist auf erste Impulse der Frühjahresbelebung zurückzuführen. Jedoch sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Menschen arbeitslos gemeldet. Im Frühjahr 2020 wurden durch die Corona-Pandemie mit einem Schlag viele tausend Sächsinnen und Sachsen arbeitslos. Seitdem ist der Arbeitsmarkt auf das Niveau von 2018 zurückversetzt und auf diesem Stand eingefroren.

Viele Jobs werden seitdem mit Kurzarbeitergeld gesichert. Das Risiko, arbeitslos zu bleiben, ist unter den aktuellen Bedingungen deutlich gestiegen. Das betrifft Geringqualifizierte, die bereits vor der Pandemie arbeitslos waren, Menschen, die eine notwendige Qualifizierungsmaßnahme nicht beginnen oder beenden können und Neuarbeitslose, die während der Pandemie geringere Beschäftigungschancen haben. Wir unterstützen mit Geldleistungen all diejenigen, die durch die Krisensituation finanzielle Hilfe benötigen, wir beraten Beschäftigte, die sich beruflich verändern wollen, Jugendliche bei der Ausbildungssuche, fördern die berufliche Bildung und vermitteln Arbeitssuchende in einen neuen Job.“

Beschäftigte in Leipzig im September 2020. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Beschäftigte in Leipzig im September 2020. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Davon kann in Leipzig gar nicht die Rede sein, selbst im Angesicht der 6.024 arbeitslos Gemeldeten mehr als vor einem Jahr. Denn die Erwerbstätigenzahl ist in Leipzig trotz Corona bis September weiter gestiegen, wenn auch deutlich geringer als in den Vorjahren – von 277.007 auf 278.940 im Jahresvergleich. Und immer noch werden über 8.000 freie Stellen angeboten – von der Logistik über die Produktion bis hin zum großen öffentlichen Sektor mit „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“, wo allein 1.190 Fachkräfte gesucht werden.

Ein Problem ist eher, dass aufgrund der Allgemeinverfügung etliche Betriebe ihre Ausbildungskapazitäten zurückgefahren haben, was jetzt den Lehrstellenmarkt für die Schulabgänger massiv unter Druck bringt. Der Bestand an angebotenen Lehrstellen ging gegenüber dem Vorjahr um 7,2 Prozent zurück.

Arbeitsmarktentwicklung in Zahlen

Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen um 76 auf 2.316 (Vorjahr: 1.748).

Bei den Lebensälteren in der Altersgruppe ab 50 Jahren ging die Arbeitslosigkeit um 144 auf 7.033 Personen an (Vorjahr: 5.673) zurück.

Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur Leipzig im März einen Rückgang gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 1.373 freie Stellen – das waren 278 weniger als im Februar und 509 weniger als im März 2020 – zur Besetzung gemeldet. Der Bestand an freien Stellen lag im März bei 8.331, das waren 166 mehr als im Februar.

Zum statistischen Zähltag im März betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 8,1 Prozent (Februar: 8,3 Prozent). Im März 2020 lag sie noch bei 6,3.

Im März waren 9.172 Menschen in der Arbeitsagentur, im Rechtskreis SGB III, arbeitslos gemeldet. Das waren 586 weniger als im Vormonat, aber 2.164 mehr als im März 2020.

Im Jobcenter Leipzig, im Rechtskreis SGB II, waren 16.619 Menschen arbeitslos registriert. Das waren 50 weniger als im Februar und 3.860 mehr als vor einem Jahr.

In Leipzig gab es im März 33.852 Bedarfsgemeinschaften. Das waren
247 mehr als im Vormonat und 1.907 mehr als im März des Vorjahres.

Das Jobcenter Leipzig betreute 42.426 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat gab es einen Anstieg um 343. Im Vergleich zum März des Vorjahres wuchs die Zahl um 2.234 Personen.

In Leipzig gab es im September 2020, jüngster statistisch verfügbarer Stand, insgesamt 278.940 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte.

Die Statistik zur Kurzarbeit

Im Februar 2021, jüngster statistisch ausweisbarer Monat, haben 260 Leipziger Unternehmen Kurzarbeit angezeigt. Diese Anzeigen umfassen 3.965 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Seit August 2020 (45 Unternehmen) stieg die Zahl der Betriebe, die Kurzarbeit anzeigen, an. Im Februar 2021 ist sie erstmals wieder gesunken. Besonders betroffen waren Unternehmen des Einzelhandels, des Kfz-Handels/Instandhaltung und der Gastronomie.

Nach der bisherigen Abrechnung der Kurzarbeit durch die Betriebe in der Corona-Pandemie haben im Jahr 2020 im März 2.904, im April 4.759, im Mai 4.117, im Juni 3.012, im Juli 2.281, im August 1.970, im September 1.746, im Oktober 1.640 und im November 2.317 Betriebe Kurzarbeit abgerechnet.

Kurzarbeitergeld wurde durch die Betriebe im Jahr 2020 im März für 30.619, im April für 50.956, im Mai für 42.114, im Juni für 24.132, im Juli für 16.514, im August für 13.081, im September für 11.105, im Oktober für 9.972 und im November für 15.083 Beschäftigte bezogen.

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