Es weihnachtet. Da gibt es neue Daten aus dem Amt für Statistik und Wahlen der Stadt. Das legte jetzt – neben der Auswertung der Bürgerumfrage 2022 – auch den Quartalsbericht Nr. 3 für 2023 vor. Darin nahm das Amt einmal mehr die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen unter die Lupe. Und kann ausgerechnet für die oberen Einkommen eine erstaunliche Feststellung treffen.

„Im Jahr 2022 lag das persönliche Monatsnettoeinkommen der Männer bei rund 1.800 Euro und bei den Frauen bei rund 1.500 Euro. Relativ gesehen liegt die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen, die sogenannte Gender Income Gap (unbereinigt), aktuell bei 17 Prozent“, stellt das Amt in seinem kurzen Beitrag zum Thema fest. „Der genauere Blick auf die Leipziger Daten offenbart vor allem im Bereich der hohen Einkommen große Unterschiede zwischen Männern und Frauen.“

Denn ganz offensichtlich wächst die Lücke zwischen den persönlichen Monatsnettoeinkommen von Frauen und Männern mit der Einkommensklasse. Auch wenn es hier erst einmal nur um die Medianeinkommen geht: „Die Einkommenslücke von 17 Prozent gibt zunächst nur Auskunft über die ‚mittlere‘ Situation von Männern und Frauen“, betont das Amt.

Aber in jeder einzelnen Einkommensklasse sieht man, dass Frauen im Median jedes Mal weniger Geld bekommen als die Männer.

Eine wachsende Kluft

„Im unteren Bereich der Einkommensverteilung liegen die Einkommen von Männern und Frauen relativ nah beieinander: Die einkommensschwächsten 10 Prozent der Leipziger Frauen verfügen über ein mittleres Monatsnettoeinkommen von rund 660 Euro. Damit erreichen sie 13 Prozent weniger Einkommen als die vergleichbare einkommensschwache Gruppe der Männer. Im Bereich der Niedrigeinkommen fällt die Gender Income Gap also vergleichsweise gering aus“, formuliert es die Autorin des Beitrags.

„Blickt man dagegen auf den oberen Rand der Einkommensverteilung, dann zeigt sich, dass vor allem die gutverdienenden Frauen abgehängt werden: Im Vergleich der einkommensstärksten 10 Prozent der Leipziger Männer mit den einkommensstärksten 10 Prozent der Leipziger Frauen liegt die Income Gap sogar bei 24 Prozent. Einkommensstarke Frauen realisieren folglich nur circa drei Viertel des Einkommens von einkommensstarken Männern. Die Gender Income Gap wächst folglich mit dem erreichten Wohlstand.“

Das ist eine mögliche Interpretation.

Eine andere ist, dass Frauen zahlenmäßig gar nicht erst in jene hohen Einkommensgruppen vordringen, in denen Männer ihren Median von 3.510 Euro im Monat erzielen. Dass also die Geschlechterungleichheit einfach schon mit der zahlenmäßigen Besetzung der einkommensstarken Jobs beginnt. Da können die Frauen durchaus dieselben Gehaltskonditionen haben wie die Männer – aber deutlich weniger Frauen dringen überhaupt in diese Gehaltsspitzenliga (zumindest nach Leipziger Niveau) vor.

Und dazu kommen dann noch die üblichen Handicaps wie Teilzeit und verzögerte Karrieren durch die Familienplanung und Kinderbetreuung. Was einmal mehr deutlich macht, dass man mit dem Stellen an einigen wenigen Stellschrauben die Gender-Ungerechtigkeit beim Einkommen schlichtweg nicht verändern kann. Da muss sich Grundlegendes ändern.

Was aber ganz offensichtlich nicht passiert und auch nicht diskutiert wird.

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Was mir wirklich sehr gefällt, lieber Autor, daß Sie sich die sehr formalistische Aussage des Statistikamts “Die Gender Income Gap wächst folglich mit dem erreichten Wohlstand.” nicht zueigen machen und die viel logischere, anschaulichere Sicht einnehmen, “dass Frauen zahlenmäßig gar nicht erst in jene hohen Einkommensgruppen vordringen”. Denn “der erreichte Wohlstand” ist bestimmt nicht die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Perzentil, wenn doch offenbar Einkommenslücken bestehen.

Das Amt stellt ja Perzentil-Achsen des Einkommens geschlechterweise gegenüber und schreibt angesichts der Unterschiede von blauen und roten Balken was von “Income Gap”. Sie haben – versehentlich – in die Überschrift “Pay Gap” geschrieben, aber um Bezahlung geht es nur indirekt, wenn das Amt so eine Gegenüberstellung macht.

Übrigens bezieht sich die für Männer angegebene Monats-Einkommens-Summe von 3510 Euro auf das 90er Perzentil, nicht den Median, der wäre das 50er Perzentil. Zudem: richtig interessant wird es m.E. oberhalb des 90er Perzentils, dort wird die Einkommens-Lücke noch markant ansteigen. (Allerdings frage ich mich, wie gesichert die Datenlage aus der Bürgerumfrage bei sehr hohen Einkommen Methoden-bedingt wirklich sein kann.)

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