In Dresden wurden am Dienstag, dem 23. Januar, die Ergebnisse des fünften „Sachsen-Monitor“ vorgestellt. Der Sachsen-Monitor ist eine repräsentative, von der Sächsischen Staatskanzlei in Auftrag gegebene Befragung über die Einstellungen und Meinungen der sächsischen Bevölkerung. Im Rahmen der Meinungsumfrage werden unter anderem der Blick auf die Zufriedenheit mit den wirtschaftlichen und persönlichen Lebensumständen, die Zukunftserwartungen, die Haltung zur Demokratie sowie extremistische Einstellungen und Ressentiments erfasst.

Ein Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft hat die Studie begleitet.

„Sehr erfreulich ist, dass die Menschen in Sachsen weiterhin mit deutlicher Mehrheit positiv in die Zukunft blicken“, findet Staatskanzleichef Oliver Schenk. „Das gilt vor allem für die jüngere Bevölkerung. Die Menschen in Sachsen lieben ihre Heimat, sind selbstbewusst und stolz auf das, was sie seit 1990 erreicht haben. Klar ist auch: Die Menschen wollen, dass ihr Wohlstand erhalten bleibt.“

Dass die Sachsen tatsächlich eine Menge Probleme sehen, sieht er ebenfalls.

„Sorgen bereiten der Bevölkerung in Sachsen die Folgen von globalen Krisen und Kriegen sowie vor allem der Migrationsdruck auf Deutschland. Die Asylpolitik wird als das wichtigste Problem in Sachsen angegeben, um das sich in erster Linie die Bundesregierung und die Europäische Union kümmern muss. Dort liegen die Lösungshebel“, meint Schenk.

„Als größte Chance für Sachsen wird wie schon beim Sachsen-Monitor 2021/22 die Ansiedlung neuer Industrien und die Förderung der Wirtschaft gesehen. Beispielhaft hierfür steht die erfolgreiche Entwicklung in der hiesigen Chipindustrie. Sorge bereitet vor allem das schwindende Vertrauen in die staatlichen Institutionen und die Funktionsweise der Demokratie.

Der größte Vertrauensverlust liegt hier bei der Bundesregierung mit -21 Prozent gegenüber dem letzten Sachsen-Monitor. Die Sachsen äußern sich klar und deutlich: Sie wollen einen stärkeren Staat, der die Demokratie schützt und die Wirtschaft voranbringt sowie Arbeitsplätze schafft.“

Die Demokratie ist eine gute Regierungsform

Prof. Constanze Geiert, Vorsitzende des Beirats Sachsen-Monitor, sieht das Ganze etwas differenzierter: „Auch im Sachsen-Monitor 2023 ist – wie bereits in den Vorjahren – eine ambivalente Wahrnehmung der Befragten auffällig. So zeigen sich die Menschen in Sachsen auf der persönlichen Ebene erneut weit überwiegend zufrieden und optimistisch, wenn auch – wenig verwunderlich – die Werte insbesondere in Bezug auf die wirtschaftliche Situation gesunken sind.

Demgegenüber sind die Sorgen bezüglich der gesellschaftlichen Situation noch größer geworden. Die gute Nachricht: Trotz multipler Krisen und Herausforderungen halten 83 Prozent der sächsischen Bevölkerung die Demokratie für eine gute Regierungsform, in der jüngsten Altersgruppe sind es sogar 90 Prozent.“

Die Einstellung der befragten Sachsen zur Demokratie. Grafik: Freistaat Sachsen, dimap
Einstellung der befragten Sachsen zur Demokratie. Grafik: Freistaat Sachsen, dimap

Und sieht in den Befragungsergebnissen etwas, was Oliver Schenk lieber ausgeblendet hat: „Die schlechte: Die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie ist vor allem für den Bund, aber auch für Sachsen deutlich zurückgegangen.

Beim Thema Klimaschutz ist festzuhalten: Dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen bedroht, bereitet 53 Prozent der Menschen in Sachsen Sorgen, was einem Rückgang um 11 Prozent entspricht und damit der einzige Teilbereich der abgefragten Besorgnisse mit einer deutlichen Abnahme ist. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede in den Altersgruppen. So liegt die Quote bei den 18-29-Jährigen mit 71 Prozent deutlich über diesem Wert.“

Und es gibt aus ihrer Sicht eine besorgniserregende Tendenz: „Die Befunde des Sachsen-Monitors zeigen auf verschiedenen Ebenen und bezogen auf verschiedene Teildimensionen wie Politikverdrossenheit, autoritäre Haltungen, Institutionenvertrauen und Ressentiments eine besorgniserregende Distanz von größeren Teilen der sächsischen Bevölkerung zu wichtigen Prinzipien der demokratischen Grundordnung.

Es ist deshalb Aufgabe aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen und ihnen durch vernünftig begründete, sach- und bürgernahe sowie lösungsorientierte Politik zu zeigen, dass ihre Stimme etwas zählt.“

Allerdings habe auch der Einzelne eine Mitwirkungspflicht, sagt sie. „Aktive Beteiligung ist nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, um die aktuellen Schwierigkeiten zu überwinden. Durch die Wahrnehmung von Angeboten zur Mitsprache, Mitwirkung und zivilgesellschaftliches Engagement kann Sachsen nicht nur aktiv gestaltet, sondern auch zu einem Ort werden, an dem jeder seine Verantwortung für die Gesellschaft übernimmt und positive Veränderungen bewirken kann.“

Ist das wirklich repräsentativ?

„Der Sachsen-Monitor ist eine repräsentative Analyse des Meinungsbildes der sächsischen Bevölkerung. Als umfassende, eine Vielzahl gesellschaftlicher und politischer Themenbereiche behandelnde empirische Studie der Bevölkerung eines Bundeslandes ist der Sachsen-Monitor in Deutschland einzigartig“, meint Reinhard Schlinkert, Geschäftsführer der dimap GmbH.

„Die Befragung zeigt den Stolz auf das in Sachsen seit der Friedlichen Revolution von 1989 Erreichte. Auch ist die Überzeugung ausgeprägt, dass Sachsen die Herausforderungen der Zukunft meistern wird. Die demoskopischen Befunde zeigen aber auch, dass sich die Haltungen, Ansichten und auch Sorgen der sächsischen Bevölkerung nicht von der aktuellen Lage in Deutschland unterscheiden: Zwar sind die Menschen mit Blick auf ihre persönliche Zukunft weiterhin optimistisch, die Kritik am Zustand und am Funktionieren der Demokratie nimmt aber zu. Besonders ausgeprägt ist dabei das Misstrauen gegenüber Bundesinstitutionen wie der Bundesregierung.”

Für den Sachsen-Monitor 2023 wurden insgesamt 2.041 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren zufällig ausgewählt und im Sommer letzten Jahres befragt. Der Interviewzeitraum lag vom 23. Juni bis 30. September 2023 und war geprägt von den außen-, wirtschafts- und energiepolitischen Auswirkungen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine und dem zunehmenden Migrationsdruck auf Deutschland.

Der Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel lag nach dem Interviewzeitraum und hatte somit keinen Einfluss auf den Sachsen-Monitor.

Vertrauen in diverse Institutionen aus Sicht der befragten Sachsen. Grafik: Freistaat Sachsen, dimap
Das Vertrauen in diverse Institutionen aus Sicht der befragten Sachsen. Grafik: Freistaat Sachsen, dimap

Die Befragungen zum Sachsen-Monitor hat wie bereits in den Jahren 2016 bis 2018 und 2021/2022 das Meinungsforschungsinstitut dimap durchgeführt. Durch die wiederkehrende Befragung können die Ergebnisse der Sachsen-Monitore miteinander verglichen und sich verändernde Einstellungen und Meinungen der sächsischen Bevölkerung beobachtet werden.

Ausgewählte Ergebnisse im Überblick

Die folgenden Bewertungen zu einzelnen Aussagen wurden von der Sächsischen Staatskanzlei selbst ausgesucht. Sie zeigen also vor allem, wie die Regierung ihre Sachsen gern sehen möchte.

Persönliche Zukunft: Die Sachsen blicken weiterhin mit deutlicher Mehrheit (63 Prozent) optimistisch in die persönliche Zukunft. 72 Prozent der Befragten sehen ihre eigene wirtschaftliche Situation positiv. Etwas mehr als die Hälfte beurteilen die Zukunft Sachsens (55 Prozent) und die wirtschaftliche Lage des Landes (53 Prozent) als eher gut oder sehr gut.

Eigene Lebensgestaltung: Die Sachsen sind selbstbestimmt, leistungsbereit und zuversichtlich. 86 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass sie ihr Leben selbst in der Hand haben. 76 Prozent sind der Überzeugung, dass persönliche Anstrengung auch zum Erfolg im Leben führt und rund 67 Prozent sind der Auffassung, dass Sachsen die Herausforderungen der Zukunft meistern wird.

Stolz auf das Erreichte: 86 Prozent der Befragten sind stolz auf das, was in Sachsen seit 1990 erreicht wurde. 82 Prozent sind der Auffassung, dass Sachsen den Vergleich mit westdeutschen Bundesländern nicht zu scheuen braucht. 63 Prozent schätzen die wirtschaftliche Lage im Freistaat besser ein als in anderen ostdeutschen Bundesländern.

Erinnerung an die Friedliche Revolution: Korrespondierend zum „Sachsenstolz“ ist 86 Prozent der Befragten die Aufrechterhaltung der Erinnerung an die Friedliche Revolution sehr wichtig. Die DDR wird in allen Altersgruppen als Unrechtsstaat angesehen. Seit dem Sachsen-Monitor 2018 wachsen die Zustimmungswerte für diese Auffassung.

Persönliche Lebensumstände: Insgesamt sind die Sächsinnen und Sachsen mit ihren persönlichen Lebensumständen zufrieden. Bei allen abgefragten Kriterien (Ausmaß der Freiheit, Gesundheit, Beschäftigungssituation, haus- und fachärztliche Versorgung, soziale Absicherung, Sauberkeit und Sicherheit von Plätzen und Straßen in der Umgebung, finanzielle Situation) sind Zufriedenheitswerte in einer Spanne zwischen 77 Prozent (Ausmaß der Freiheit) und 61 Prozent (finanzielle Situation) festzustellen.

Mit der eigenen Wohnsituation sind unverändert sogar 90 Prozent „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ , ein Spitzenwert. Industrieansiedlung und Asylpolitik: 21 Prozent der Befragten sehen die Ansiedlung von neuen Industrien und die Förderung der Wirtschaft als größte Chancen für Sachsen an. Als wichtigstes Problem wird die Asylpolitik genannt. Dies geben 25 Prozent der Befragten an, ein deutlicher Anstieg um 21 Prozent im Vergleich zur letzten Erhebung.

Direkte Demokratie: 87 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass mehr Einflussnahme der Bürger durch Volksabstimmungen das Interesse vieler Menschen an der Politik erhöhen würde. 80 Prozent sind der Auffassung, dass Politiker sich stärker am Volkswillen ausrichten sollten. 65 Prozent aller Befragten teilen die Auffassung, dass nur direkte Demokratie wahre Demokratie ist.

Unzufriedenheit mit der Demokratie, wie sie aktuell funktioniert: Die große Mehrheit der Sachsen (83 Prozent) hält die Demokratie für eine gute Regierungsform. Damit, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert, zeigen sich allerdings nur 41 Prozent der Befragten eher oder sehr zufrieden. Etwas besser ist der Wert mit 49 Prozent mit Blick auf das Funktionieren der Demokratie in Sachsen.

Große Vertrauensverluste in die Institutionen: Die Ergebnisse des Sachsen-Monitors 2023 zeugen von einem großen Vertrauensverlust in die Institutionen. Keine der abgefragten staatlichen, kommunalen oder sonstigen Institutionen konnte bei den Befragten im Vergleich zum Sachsen-Monitor 2021/22 Vertrauen gewinnen. Selbst Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der jeweiligen Stadt oder Gemeinde der Befragten haben mit einem hohen Vertrauensverlust (-14 Prozent) zu kämpfen.

Unter den staatlichen Institutionen genießen nach wie vor Polizei (65 Prozent) und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (64 Prozent) das höchste Vertrauen. Die größten Vertrauensverluste auf nationaler Ebene müssen die Bundesregierung (-21 Prozent) und der Deutsche Bundestag (-20 Prozent) verkraften. 82 Prozent der Befragten haben wenig oder gar kein Vertrauen in die Bundesregierung.

Die Vertrauensverluste der Sächsischen Staatsregierung (-9 Prozent) und des Sächsischen Landtags (-8 Prozent) fallen wesentlich geringer aus. Beiden Institutionen wird von jeweils 44 Prozent der Befragten großes oder sehr großes Vertrauen entgegengebracht.

Schutz der Demokratie: Beim Schutz der Demokratie setzen die Befragten vor allem auf zivilgesellschaftliches Engagement in unterschiedlichen Institutionen sowie auf die politische Bildungsarbeit. Im Einzelnen wird ein Engagement der Bürger in demokratischen Parteien mit 86 Prozent und in Vereinen, Kirchen und Gewerkschaften mit 78 Prozent als wichtig bzw. sehr wichtig eingeschätzt. Politische Bildungsarbeit wird im Rahmen der Schulen von 86 Prozent, im Rahmen der Erwachsenenbildung von 77 Prozent hervorgehoben.

Den Einsatz des Verfassungsschutzes hält eine große Mehrheit für wichtig oder sehr wichtig: 80 Prozent plädieren für die Beobachtung von verdächtigen Gruppen und Personen. 75 Prozent würden verfassungswidrige Parteien vom Bundesverfassungsgericht verbieten lassen. Im Kampf gegen extremistische Gruppen halten 68 Prozent Bürgerinitiativen vor Ort für sinnvoll.

***

Anmerkung zum Schluss: Viele Fragen sind suggestiv formuliert und haben in einer objektiven Umfrage eigentlich nichts verloren. In der praktizierten Form ist der „Sachsen-Monitor“ weder objektiv noch wirklich aussagekräftig. Das behandeln wir noch in einem eigenen Artikel.

Alle Ergebnisse des Sachsen-Monitors sind abrufbar unter https://lsnq.de/sachsenmonitor.

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