Es hängen die falschen Slogans an den Straßenlaternen. Es kleben die falschen Versprechen an den Wahlplakaten. Deutschland – und auch Sachsen – haben ganz andere Probleme, als sie von vielen Parteien plakatiert werden, die den Parolen der Rechtsextremen nachlaufen, als gelte es einen Wettkampf im Schlammcatchen zu gewinnen. Ein Thema, das seit Jahren vor sich hin glüht, ist das Thema Demografie. Was in Sachsen nicht nur die Überalterung vorantreibt, sondern auch das Schwinden der Arbeitskräfte.

Seit 2005 hat der Freistaat Sachsen einen permanenten Aufbau der Erwerbstätigenzahl erlebt. Nach einer kurzen Delle in den Corona-Jahren schien das auch so weiterzugehen. Aber im Jahr 2024 gab es jetzt einen neuen Dämpfer, teilt das Sächsische Statistikamt mit.

2,068 Millionen Erwerbstätige hatten im Jahresdurchschnitt 2024 ihren Arbeitsplatz im Freistaat Sachsen und damit knapp 6.000 Personen bzw. 0,3 Prozent weniger als 2023, so das Amt für Statistik. Deutschlandweit hingegen stieg die Erwerbstätigenzahl um 0,2 Prozent. Dies betraf vor allem den westlichen Teil Deutschlands ohne Berlin. In den fünf östlichen Ländern gab es dagegen einen Rückgang um 0,4 Prozent. Beim Blick auf die Länder reichten die Veränderungsraten von -0,8 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern sowie Thüringen bis zu +0,9 Prozent in Hamburg.

Beschäftigungsentwicklung nach Bundesländern. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt
Beschäftigungsentwicklung nach Bundesländern. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt

Was natürlich mehrere Gründe hat. Das eine sind die Branchen, die sich nun einmal völlig unterschiedlich entwickeln. Und das andere ist das verfügbare Arbeitskräftereservoir. Wo es nicht genug Bewerber gibt, kann man auch keine zusätzlichen Leute einstellen.

Und dass sich die Branchen auch in Sachsen völlig unterschiedlich entwickeln, stellt auch das Statistische Landesamt fest: „Nach Branchen betrachtet betrafen die Verluste 2024 in Sachsen mit -5.500 Erwerbstätigen (-1,4 Prozent) insbesondere das Produzierende Gewerbe ohne Baugewerbe. Das sächsische Baugewerbe verzeichnete aktuell einen Rückgang um 3.400 Personen (-2,3 Prozent). Auch die Erwerbstätigenzahl in der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei verringerte sich, und zwar um rund 1.300 Personen (-5,0 Prozent).“

Und das noch ohne die Schließungen, die jetzt mit dem Abbau der Automobilproduktion drohen.

Die tatsächlichen Beschäftigungszuwächse passieren woanders: „Im Gegensatz zu diesen Einbußen konnten die Dienstleistungsbereiche 2024 in Sachsen ein Plus von 4.300 Erwerbstätigen verzeichnen (+0,3 Prozent). Dieser Zuwachs kam ausschließlich aus den Öffentlichen und sonstigen Dienstleistungen (+5.600 Personen bzw. +0,8 Prozent) und wurde von der Entwicklung im Gesundheits- und Sozialwesen dominiert.“

Entwicklung der Erwerbstätigenzahl nach Stellung im Berufsleben. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt
Entwicklung der Erwerbstätigenzahl nach Stellung im Berufsleben. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt

Und diese Zuwächse werden vor allem in den Großstädten realisiert. Auch das muss man vor den Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen bedenken, denn das befördert weiterhin die Abwanderung in die Großstädte. Und das Gefühl in den verlassenen Provinzen, wirtschaftlich zunehmend abgehängt zu sein.

Marginale Beschäftigung wächst wieder

Und noch etwas gibt zu denken, wie das Statistische Landesamt feststellt: „Die aktuelle Entwicklung in Sachsen zeigt weiterhin einen deutlichen Rückgang bei den Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen, speziell in den Dienstleistungsbereichen.“ Was nun einmal auch heißt: Die Rahmenbedingungen für Selbstständige haben sich in den letzten Jahren zusehends verschlechtert.

Und viele der neu angebotenen Jobs sind gar keine Vollzeitjobs, wie das Statistische Landesamt feststellt: „Insgesamt ging auch die Zahl der Arbeitnehmer leicht zurück. Zugänge innerhalb der zu den Arbeitnehmern gehörenden Personengruppen betrafen die marginale Beschäftigung in verschiedenen Dienstleistungsbranchen.“

Was insofern bedenkenswert ist, als die Zahl der marginal Beschäftigten seit 2005 eigentlich Jahr um Jahr zurückgegangen ist – ein direkter Effekt des Wirtschaftsaufschwungs in Sachsen, der immer mehr Menschen aus einer prekären Beschäftigung in eine Vollzeitbeschäftigung gebracht hat.

Warum die Kurve seit 2021 wieder in die Aufwärtsbewegung gekommen ist, erklärt die Meldung des Statistikamtes zwar nicht. Aber sie korrespondiert mit der zunehmenden Zahl von Menschen, die auch nach Eintritt ins Rentenalter noch arbeiten, weil die mickrige Rente nicht zum Leben reicht. Sie verdienen sich in marginalen Dienstleistungsjobs etwas dazu.

Und da keine der vergangenen Regierungen auch nur den Ansatz gemacht hat, das Rentensystem in Deutschland zu reparieren, dürfte sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren noch verstärken. Erst recht, wenn immer mehr Unternehmen froh sein werden, wenn sie freie Arbeitsplätze mit Senioren besetzen können.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar