Deutschland steckt in der Krise. Deutschland steckt auch deshalb in der Krise, weil zwei Jahrzehnte lang alle notwendigen Weichenstellungen zum Umbau der Wirtschaft versäumt und vertrödelt wurden. Die Krisen der vergangenen drei Jahre kamen nicht aus heiterem Himmel. Es sind Krisen, die von politischen Versäumnissen erzählen – bei der Energiewende, bei der Abhängigkeit von „billigem“ russischen Gas, in der Bildungspolitik, der Digitalisierung, der Integration usw. Mit einem 500-Milliarden-Schuldenpaket wird das nicht abzuarbeiten sein. Aber Städte wie Leipzig spüren schon die Folgen als steigende Arbeitslosigkeit.
Am Freitag, 28. März, meldete nun der „Spiegel“, dass der neuen schwarz-roten Regierung in Berlin auch noch 600 Milliarden Euro zur Umsetzung ihrer eigenen Koalitionswünsche fehlen.
Zusätzlich zu 100 Milliarden Euro, die schon im Haushalt 2025 fehlen. Wie lange wird es dauern, bis auch diese Koalition begriffen hat, dass sie auch an die Steuerpolitik gehen muss. Aber nicht so, wie es reihenweise Parteien im Wahlkampf versprachen – mit Steuersenkungen. Im Gegenteil. Die Steuereinnahmen müssen wieder steigen – durch die endlich wieder eingeführte Vermögenssteuer, durch höhere Spitzensteuersätze.
Die Uhr tickt. Denn das Geld, das nicht durch vernünftige und faire Steuern eingenommen wird, wird entweder weitere Staatsschulden bedeuten. Oder weiteren Verfall der Infrastrukturen im reichsten Land Europas. Was übrigens – das wird fast immer ausgeblendet – massiv dazu beiträgt, dass auch die Wirtschaft kriselt.
Denn es sind die – seit Jahren fehlenden – staatlichen Investitions-Impulse, die den Hauptteil der Depression in der deutschen Wirtschaft ausmachen. Kommunen sitzen auf maroden Substanzen und haben das Geld nicht, um auch nur ansatzweise den Investitionsstau aufzulösen.
Und Bundesländer wie Sachsen kürzen auch noch die eh schon ungenügenden Investitionsbudgets. Das wird nicht nur die wirtschaftliche Malaise verstärken, sondern auch den politischen Unmut, von dem vor alle die Rechtspopulisten profitieren.

In Schockstarre
Hinter den deutschlandweit steigenden Arbeitslosenzahlen stecken nicht nur die Turbulenzen auf den Weltmärkten, die durch Leute wie Trump auch noch forciert werden. Übrigens mit Methoden, die Naomi Klein mit vollem Recht als „Schock-Strategie“ bezeichnet hat. Ein Buch, das mit Trump und Co. neue Aktualität gewonnen hat.
Und unter den zunehmenden Dissonanzen am Arbeitsmarkt leiden vor allem und zuerst die Schwächsten – die Beschäftigten in den prekären Marktsegmenten und die jungen Arbeitsuchenden.
Also zu den Leipziger Zahlen: Die Arbeitslosigkeit ist im Bezirk der Agentur für Arbeit Leipzig im März 2025 gestiegen, meldete die Arbeitsagentur Leipzig am Freitag, 28. März. 29.154 Menschen waren arbeitslos gemeldet, wieder 392 Personen mehr (1 Prozent) als im Februar und 3.949 Personen bzw. 16 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote betrug 8,5 Prozent und lag mit 0,1 Prozentpunkten über dem Vormonatsniveau. Vor einem Jahr lag sie bei 7,5 Prozent.

„Die erhoffte Frühjahrsbelebung auf dem Leipziger Arbeitsmarkt blieb in diesem März aus. Statt eines saisonüblichen Rückgangs ist die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Februar gestiegen – eine Entwicklung, die zuletzt 2015 zu beobachten war“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Ricardo Donat.
Kann aber gleichzeitig auch eine positive Botschaft vermelden: „Gleichzeitig zeigt sich jedoch ein langfristig positiver Trend: Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wächst weiter und erreicht mit 300.530 Beschäftigten einen neuen Höchststand seit der Wende. Damit setzt Leipzig seinen Wachstumskurs fort und bestätigt seinen Status als dynamische Wirtschaftsregion.“
Damit hat Leipzig im September 2024 erstmals die 300.000er-Marke geknackt und binnen eines Jahres über 6.200 neue Arbeitsplätze geschaffen. Gegen den Trend. Und in Wirtschaftsclustern, die in der medialen Aufmerksamkeit fast nie im Fokus stehen. Fast alle im Dienstleistungssektor – von Pflege und Gesundheit bis zu IT und Kommunikation.
Alles Cluster, die vor allem in Großstädten heimisch sind und Städte wie Leipzig nach wie vor für Zuzug aus dem weiteren Umfeld interessant machen. Personen mit hoher Qualifikation haben hier gute Chancen und können sich in der Regel auch das hohe Mietniveau auf dem Leipziger Wohnungsmarkt leisten. Auch das läuft viel zu oft unter dem Radar.
Wen aber trifft dann die Arbeitslosigkeit?
Im vergangenen Monat meldeten sich insgesamt 6.489 Personen arbeitslos, meldet die Arbeitsagentur. Davon kamen 2.548 Personen direkt aus Erwerbstätigkeit. 6.098 Menschen beendeten ihre Arbeitslosigkeit, davon nahmen 2.189 eine Erwerbstätigkeit auf. Eine Gruppe fällt dabei inzwischen besonders auf, weil sie besonders stark davon betroffen ist, dass sich viele Unternehmen bei Neueinstellungen derzeit zurückhalten: Derzeit sind im Leipziger Agenturbezirk 2.838 Jugendliche unter 25 Jahren ohne Beschäftigung.
Im Vorjahresvergleich liegt die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen um 335 bzw. 13,4 Prozent höher. Das heißt: Seit Jahren steigt die Zahl der Jugendlichen, die keine Arbeit finden, noch deutlicher als die allgemeine Arbeitslosigkeit.

Was auch wieder Gründe hat, die politisch und hausgemacht sind. Denn das trifft vor allem junge Leute mit geringer Qualifikation und oft dem falschen, weil derzeit nicht nachgefragten Berufsabschluss. Junge Leute, die das sächsische Bildungssystem am Ende verlassen, ohne wirklich gute Chancen auf einen gut bezahlten Job zu haben.
Ein Problem, das seit Jahrzehnten bekannt ist. Aber der „PISA-Sieger“ Sachsen scheint nicht zu begreifen, was das bedeutet. Und wie man da schon lange hätte umsteuern können. Denn die jungen Leute sind ja nicht dumm – aber sie werden so behandelt. Und stehen dann vor einem zunehmend anspruchsvoller werdenden Arbeitsmarkt, auf den sie nicht vorbereitet sind.
Aber weder die von den Bundesbürgen zusammengewählte Bundesregierung, noch die in Sachsen notdürftig regierende Koalition deuten darauf hin, dass die wirklich brennenden Probleme tatsächlich gelöst werden. Im Gegenteil. Es droht ein weiteres vier Jahre währendes Gewurstel, um einer zunehmend älter und alt gewordenen Wählerschaft zu gefallen, die aber nicht einmal versteht, wie sehr sich Deutschland ändern muss, um jetzt zukunftsfähig zu werden.

Und wo werden aktuell Arbeitskräfte gesucht? Denn gesucht werden sie, auch wenn die Zahl der als frei gemeldeten Stellen seit 2022, als es über 10.000 waren, nun auf etwas über 6.700 gefallen ist.
Die Unternehmen suchen weiterhin Mitarbeitende, betont die Arbeitsagentur: 1.113 Stellen wurden im März neu gemeldet (3 mehr als im Vormonat, aber 142 weniger als vor einem Jahr). Die meisten freien Stellen gibt es aktuell in den Branchen sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen, freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen, Baugewerbe, Gesundheits- und Sozialwesen, Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz, Verkehr und Lagerei. Aktuell befanden sich damit 6.742 freie Stellen im Bestand der Arbeitsagentur.
Zahlen zum Leipziger Arbeitsmarkt
Die Anzahl arbeitsloser Frauen und Männer ab 50 Jahre hat sich im Vergleich zum Vorjahresmonat um 877 Personen auf 7.707 erhöht. Dies entspricht einem Anstieg um 12,8 Prozent.
Die Zahl der langzeitarbeitslosen Menschen ist im zurückliegenden Monat in Leipzig ebenfalls angestiegen. Im März 2025 waren 8.092 Menschen langzeitarbeitslos, 1.246 bzw. 18,9 Prozent mehr als im März 2024.
Im Rechtskreis SGB III (Agentur für Arbeit) lag die Arbeitslosigkeit bei 10.624 Personen (64 Personen mehr als im Vormonat und 2.117 Personen mehr als vor einem Jahr). Im Rechtskreis SGB II (Jobcenter) waren 18.530 Arbeitslose registriert (328 Personen mehr als im Vormonat und 1.832 Personen mehr als im Vorjahr).
In der Grundsicherung (Jobcenter) sank die Zahl der Bedarfsgemeinschaften im Vorjahresvergleich um 515 (entspricht -2 Prozent) auf insgesamt 31.287.
39.402 Personen bezogen Bürgergeld, das waren 985 Personen weniger (-2 Prozent) als vor einem Jahr.
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