Was passiert eigentlich in einem Land, in dem Politik nur noch für die Reichen und Vermögenden gemacht wird? Also für eine ziemlich kleine Gesellschaftsschicht, die ihren Reichtum auch dazu nutzt, gesellschaftliche Vorstellungen von Politik zu beeinflussen? Das Land vergreist. Und vor allem die Jugend bleibt auf der Strecke, wie DIW-Präsident Marcel Fratzscher am 7. November in einem Beitrag für die „Zeit“ thematisierte.

Und ein Blick nach Berlin genügt: Wir haben eine Regierung bekommen, die stur Politik für eine reiche Klientel macht, der die Zukunft des Landes herzlich egal ist.

„Die junge Generation in Deutschland steht vor einem Paradoxon: Noch nie war das Land so wohlhabend, doch junge Menschen profitieren davon nur begrenzt. Häufig fehlt ihnen die finanzielle Autonomie, um ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten – sei es bei der Familiengründung, der Berufswahl oder dem Erwerb eines Eigenheims. Auch eine solide Altersvorsorge bleibt für viele kaum erreichbar“, stellte Fratzscher in seinem Beitrag fest.

Weshalb auch die von der CDU angezettelt Rentendebatte völlig am Thema vorbeigeht. Millionen – nicht nur junge – Bundesbürger können nicht einmal davon träumen, eine auskömmliche Rente im Alter zu haben. Denn die Geldströme laufen an ihnen vorbei. Und wer jung ist, schaut meist vergeblich nach dem nötigen Kapital, das er eigentlich für eine Absicherung im Alter braucht.

Die deutsche Ungleichheit

„Vermögen und Chancen sind in Deutschland extrem ungleich verteilt – stärker als in fast allen anderen Industrieländern. Wer Vermögen erbt, hat viele Vorteile: leichter Zugang zu Wohneigentum, weniger Druck bei der Berufswahl, größere Sicherheit im Alter. Wer jedoch ohne dieses Startkapital ins Leben startet, bleibt in vieler Hinsicht zurück. Nicht das eigene Können, sondern die soziale Herkunft entscheidet über die finanziellen Spielräume im Leben“, so Fratzscher.

„Für die junge Generation bedeutet das: Trotz guter Ausbildung und hoher Einsatzbereitschaft stößt sie auf harte Grenzen. Wohnraum in den Städten ist für viele unbezahlbar, eine verlässliche Altersvorsorge wird zunehmend schwieriger, und die Unsicherheit im Arbeitsleben nimmt zu. Das Gefühl, trotz aller Anstrengung nicht voranzukommen, gefährdet nicht nur das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Und da ist man bei einem Grundfehler in der deutschen Rentendiskussion, in der Leute die große Klappe führen, die durch ihr politisches Amt abgesichert sind und die Nöte der jungen Berufsanfänger einfach nicht wahrnehmen. Genauso wenig wie die fatale Rolle der ungleichen Vermögensverteilung in Deutschland und der ungerechten Steuerpolitik, die Vermögen verschont, Arbeit aber hoch belastet.

Bevor ein junger Arbeitnehmer auch nur an Vermögensaufbau denken kann, kommt das Finanzamt und schöpft das dafür benötigte Geld ab.

Geld und Kinder

Und so geht Fratzscher auf einen Effekt ein, der längst schon dazu führt, dass die Geburtenzahlen in Deutschland drastisch zurückgehen. Denn dummerweise sind es ja die jungen Leute, die die Kinder bekommen sollten.

„Wer über keine finanziellen Rücklagen verfügt, kann sein Leben nicht selbst gestalten. Entscheidungen über Partnerschaft, Kinder oder berufliche Veränderungen hängen dann nicht von eigenen Wünschen, sondern von äußeren Zwängen ab. Finanzielle Sicherheit ist damit ein zentrales Element des neuen Generationenvertrags, den unsere Gesellschaft dringend braucht.“

Aber die Mehrheit der jungen Menschen merkt im Alltag, dass es diese finanzielle Sicherheit nicht gibt. Dass sie mit ihren meist finanziellen Sorgen allein da stehen. Und so kann Fratzscher nur an die Politik appellieren: „Die Politik muss entschlossener handeln. Es reicht nicht, nur über Arbeitsplätze zu sprechen – gefragt sind gute Einkommen, reale Chancen auf Vermögensbildung und ein fairer Zugang zu Eigentum.

Junge Menschen brauchen verlässliche Perspektiven für eine stabile Existenz. Das bedeutet: einen Wohnungsmarkt, der ihnen nicht länger verschlossen bleibt; eine Rentenpolitik, die Sicherheit bietet, statt lediglich kurzfristige Löcher zu stopfen; und ein Steuersystem, das Leistung stärker belohnt als Besitz.“

Nur: Das alles steht bei der aktuellen Merz-Regierung überhaupt nicht auf der Agenda. Der 70-jährige Bundeskanzler macht Politik für 70-Jährige – und vermögende – Wähler, also ein spezielles Wählerklientel, auf dessen Stimmen die Union baut, während die jungen Wählergruppen einmal mehr erfahren, dass ihre Sorgen bei Wahlen nicht (mehr) wahrgenommen werden, weil die deutlich höhere Zahl der älteren und alten Wähler vor allem eine Politik wählt, die den Vermögenden und Reichen zugutekommt. Und damit eben nicht dem Land. Und auch nicht seiner Zukunft.

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