Manchmal ist es schlicht falsches Denken, was Leipzigs Stadtverwaltung Vorlagen schreiben lässt, die rein rechtlich sofort in die Tonne gehören. So wie die „5. Verordnung zur Änderung der Polizeiverordnung über öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt Leipzig vom 09.12.2009“ aus dem überforderten Ordnungsdezernat, die jetzt im Stadtrat seltsame Blüten treibt.

Die Linksfraktion hält den Vorstoß für komplett nicht zustimmungsfähig – außer Linke-Stadträtin Naomi-Pia Witte, in der gleich die Lust am ordnungsamtlichen Reglement erwachte. Wahrscheinlich genauso wie bei den Schreibern der Vorlage aus der Leipziger Ordnungsbehörde, die nun seit Monaten wegen unterlassener Arbeit und seltsamen Entscheidungen zu Demonstrationen in der Kritik steht. Da kam die gern von einigen Medien erhobene Forderung, Leipzig möge doch bitte ihre Polizeibehörde mehr zum Einsatz bringen, wohl gerade recht.

Und das ist das Fatale an der Vorlage, stellen die Grünen fest: Leipzigs Ordnungsamt spielt sich hier tatsächlich als Polizei auf. Und einige der verschärften Paragraphen richten sich gegen eine sowieso schon massiv diskriminierte Bevölkerungsgruppe.

„Die gewünschte Änderung in §1 bzw. des ehem. §4 richtet sich konkret gegen eine Bevölkerungsgruppe (Roma) und verstößt somit gegen das Diskriminierungsverbot“, stellt die Grünen-Fraktion jetzt in ihrem Änderungsantrag zum vorgelegten Papier fest. „So nachvollziehbar die Inakzeptanz des Bettelns durch Kinder oder durch Erwachsene in Begleitung von Kindern auch ist, so darf der Ansatzpunkt dagegen vorzugehen nicht in der Polizeiverordnung gesucht werden. Vielmehr müssen die Ursachen einerseits für die prekäre Situation der Bettelnden als auch die häufig im Hintergrund agierende organisierte Kriminalität wirksam bearbeitet und Strategien zur Eindämmung entgegengesetzt werden. Auch dem Kinderschutz ist durch die gewünschte Regelung nicht geholfen, solange unklar ist, wie mit den Kindern, die sich dann möglicherweise nicht in Betreuung ihrer bettelnden Eltern befinden, umgegangen wird bzw. wie dann der Kinderschutz gewährleistet werden soll. Infolge der Streichung der Änderungen muss auch im §7 die Änderungen gestrichen werden.“

Das Ordnungsamt hatte sich einfach die Bestimmung gewünscht: „Das Betteln durch Kinder und durch Erwachsene in Begleitung von Kindern ist untersagt.“

Das ist typisch deutsche Ordnungspolitik: Für die Probleme keine Lösungen zu finden. Und weil man keine hat, versucht man das Problem einfach aus dem Straßenraum zu verbannen. Wobei immer die Frage bleibt: Rufen die Politessen dann die Polizei? Und was tut die dann? Verhaftungen vornehmen? Personalien feststellen oder den Aufenthaltsstatus? Oder die Ertappten einfach des Platzes verweisen?

Wirklich intensiv hat sich die Stadt Leipzig mit dem Thema und allen Implikationen noch nicht beschäftigt.

Aber die Vorlage aus dem Ordnungsdezernat verquirlt das Thema ja auch gleich noch mit dem Thema Straßenmusik und unterstellt einem gut Teil der Musiker, eigentlich mit ihrer Musik nur um Geld zu betteln.

Da fragt sich der Geschichtskundige sowieso schon: Haben diese Leute den Sommer 1989 schon völlig vergessen, als in Leipzig Straßenmusiker von der Polizei regelrecht eingefangen und auf Sammeltransporter verladen wurden?

Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich hat man mit der kompletten Ahnungslosigkeit von Angestellten agiert, die aus geschichtslosen Bundesländern zum Geldverdienen nach Leipzig eingereist sind. So etwas hat aber in einer Leipziger Polizeiordnung nichts verloren, stellen die Grünen fest: „Straßenmusik ist eine Errungenschaft der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die zeitliche Einschränkung der Straßenmusik ist nicht nachvollziehbar. Häufig finden auch nach 20 Uhr musikalische Darbietungen in der Innenstadt statt, ohne eine Ruhestörung darzustellen. Dies sollte zukünftig nicht auf Kosten der Aufenthaltsqualität in der City auch in den Abendstunden untersagt werden. Eine Regelung ab 22 Uhr besteht gesetzlich.“

Deswegen sei der Vorstoß des Ordnungsamtes, die Straßenmusik gar noch für die Mittagspause der städtischen Angestellten komplett zu untersagen, völlig überzogen. Das hatte sich die Formulierung: „Die Darbietung von Straßenmusik ist täglich nur in der Zeit von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr und von 15:00 Uhr bis 20:00 Uhr gestattet“ gewünscht.

Das könne ebenfalls nur gestrichen werden, finden die Grünen.

Umso unverständlicher findet die Grünen-Fraktion, dass das Ordnungsdezernat ausgerechnet im Wald mit dem Feuer spielen will. Denn in §9 Lagerfeuer formuliert das Ordnungsdezernat unter anderem: „Das Verbot des Entzündens und Abbrennens von Lagerfeuern ab einer Waldbrandgefahrenstufe 4 und höher für das gesamte Stadtgebiet begründet sich mit der nach längerer Trockenheit allgemein steigenden Brandgefahr, nicht nur für Wälder, sondern für alle brennbaren Stoffe, Gebäude und Flächen. Mit der Neuregelung erfolgt gleichzeitig die Anpassung der Systematik der Gefahrenstufen an die aktuelle Gesetzeslage, wonach für die Gefahrenstufen 4 und 5 besondere Verhaltensregeln gelten.“

„Die bisherige Regelung des ehemaligen §9 umfasste ein Verbot von Lager- und Brauchtumsfeuer bereits ab Waldbrandgefahrenstufe 3, dies sollte nach unserer Auffassung nicht aufgeweicht werden“, finden die Grünen. „Zudem ist der Begriff ‚erhebliche Belästigung‘ im Bezug auf Grillen und offenes Feuer trotz der vermittelten Definition auslegbar und damit willkürlich.“

Das mit den Waldbrandwarnstufen ist nicht ganz so einfach. Bis 2014 galten in den östlichen Bundesländern noch die alten Waldbrandwarnstufen aus DDR-Zeiten. Stufe 3 war dabei die zweithöchste Stufe: „hohe Waldbrandgefahr“. Sie entspricht der westdeutschen Waldbrandwarnstufe 4 („hohe Gefahr“). Die neue 3 wäre eine Stufe tiefer: „mittlere Gefahr“.

Wobei durchaus zu bedenken ist, dass der Klimawandel auch die Leipziger Wälder trockener macht, zu längeren Hitzeperioden und zu langen Trockenperioden führt. Vielleicht ist es da eine gar nicht so schlechte Idee, die Toleranzschwelle lieber zu erhöhen, als auch noch die Gefahr großer Brände in einem sowieso schon gestressten System zu riskieren.

Der Änderungsantrag der Grünen.

Die Vorlage des Ordnungsdezernats.

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Es gibt 3 Kommentare

“Dieser Artikel ist kein objektivierter Artikel, sondern eine subjektive Meinungswiedergabe des Autors und als solcher zu kennzeichnen.”

Dies ergibt sich durch Überschrift (Grüne beantragen mehrere Streichungen in der Vorlage der Polizeiordnung) und Schreibweise (Manchmal ist es schlicht falsches Denken, was Leipzigs Stadtverwaltung Vorlagen schreiben lässt, die rein rechtlich sofort in die Tonne gehören.) von selbst.

Dieser Artikel ist kein objektivierter Artikel, sondern eine subjektive Meinungswiedergabe des Autors und als solcher zu kennzeichnen. Mit oberflächlichen Formulierungen und Pauschalieren sowie dem Verkennen der Realität ist es nicht um eine Seriösität bestellt.

Der Autor verkennt, dass es nicht Aufgabe der Ordnungspolitik sein kann, Ursachen zu bekämpfen, sondern deren Resultate. Der Autor verkennt weiterhin, dass Straßenmusik nicht abgeschafft werden soll; lediglich die störende Häufung und das längerfristige Verbleiben an einem Ort ist verboten. Das besonders in der Innenstadt gegebene Aufeinandertreffen zwischen Ausübung der Kunst und der Ausübung des Gewerbes führt zu Konflikten. Beide leben voneinander; die Innenstadt ist attraktiv, weil so viele Gewerbetreibende vor Ort sind, sie ist auch attraktiv, weil diese als Treffpunkt für Künstler aller Art zählt, beide Dinge bedingen sich, ein gewogener Ausgleich ist zu schaffen. Der Autor verkennt weiterhin, dass für den Vollzug der Polizeiverordnung mitnichten die Politessen zuständig sind; dafür gibt es den Stadtordnungsdienst. Die Grünen stellen fest, dass das Ordnungsamt sich als Polizei aufführe. Nach SächsPolG ist die örtliche Behörde sowohl Kreis- als auch Ortspolizeibehörde. Nach § 80 SächsPolG kann die Kommune gemeindliche Vollzugsbedienstete bestellten, die im Rahmen ihrer Aufgaben die Stellung eines Polizeivollzugsbeamten haben. Insofern liegt es nahe, dass auch das Ordnungsamt und ein Teil seiner Bediensteten der Polizei hinzuzurechnen ist.

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