Die Leipziger SPD-Stadträtin Nicole Wohlfahrt hatte gefragt. Seit Jahren sind Kita-Plätze in Leipzig knapp. Mit seinem Leipzig-Kita-Programm will OBM Burkhard Jung zwar endlich den Rückstand aufholen. Aber trotzdem steigen die Zahlen der Eltern noch, die vergeblich nach einem Platz für ihr Kind suchen. Und das wird teuer für die Stadt, gibt Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning jetzt Auskunft.

„Seit dem Urteil des OVG Bautzen aus dem Juli 2017 ist die Stadt Leipzig ungeachtet ihrer Möglichkeiten dazu verpflichtet, für jedes Kind einen Kita-Platz anzubieten. Sofern dies nicht ermöglicht werden kann, können die Eltern durch ihren Rechtsbeistand ein Zwangsgeld i.H.v. mind. 500 Euro erwirken“, hatte Nicole Wohlfahrt festgestellt.

Und Ulrich Hörning gesteht ihr zu, dass das Problem nicht gelöst ist. Leipzig kommt bei den Investitionen für das aktuelle Bevölkerungswachstum nicht hinterher.

„Seit vielen Jahren kann sich die Stadt Leipzig an einem stetigen Bevölkerungswachstum erfreuen. Um weiterhin die Attraktivität der Stadt Leipzig zu erhalten und zu steigern, wurden unter anderem zahlreiche neue Betreuungsplätze geschaffen. In dem Zeitraum von 2015 bis 2018 konnte die Stadt Leipzig 2036 neue Betreuungsplätze jungen Familien zur Verfügung stellen.

Insgesamt stehen derzeit in der Stadt Leipzig 30.728 Betreuungsplätze zur Verfügung, das entspricht einer Betreuungsquote im Krippenbereich von 62,5 % und im Kindergartenbereich von 90,4 %“, stellt Hörning fest. „Die Schaffung weiterer neuer Betreuungsplätze wird von der Stadt Leipzig mit Nachdruck betrieben und wird in den nächsten Jahren viele weitere Plätze ermöglichen.“

Aber halt erst in den nächsten Jahren. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gilt aber für das vollendete erste Lebensjahr. Und darauf berufen sich logischerweise die jungen Eltern, die oft genug so schnell wie möglich wieder in ihren Beruf zurück wollen.

Und das sorgt dafür, dass die Zahl der Klageverfahren in Leipzig immer weiter ansteigt.

„Insgesamt sind 2.541 Verfahren (Klagen und Anträge), davon 1.158 aus dem Jahr 2018 anhängig“, gibt Ulrich Hörning Auskunft. „Im Zeitraum von Juli 2017 bis 10.08.2018 sind 1.459 neue verwaltungsrechtliche Verfahren anhängig gemacht worden. 2016 waren es insgesamt 375 Verfahren.“

Die Kinder sind ja schon da. Da reicht ein Blick in die Leipziger Geburtenstatistik. Nur der Bau der zusätzlich benötigten Kitas bleibt hinter den Erfordernissen zurück. Die zwangsläufige Folge, so Ulrich Hörning: „Aufgrund der vorliegenden Tatsachen wird mit einer stetigen Steigerung der Verfahren gerechnet.“

Heißt das nun aber, dass sich Leipzig allein an den Klagefällen dumm und dämlich bezahlt, also quasi doppelt dafür bezahlt, dass der Bund erst ein gesetzliches Recht auf einen Kita-Platz beschließt, die Kommunen mit der Finanzierung aber allein dastehen lässt? Nicht ganz. Denn tatsächlich erhöht die Klage der Eltern vor allem den Druck auf die Verwaltung, möglichst schnell doch noch einen Kita-Platz für das zu betreuende Kind zu finden.

Oder mit den Worten von Ulrich Hörning: „Bisher wurde in 62 Fällen ein Zwangsgeld festgesetzt. In 32 Fällen wurden Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 16.000 Euro tatsächlich gezahlt. Bei den rechtlichen Fällen konnte die Zahlung unterbleiben, weil die Stadt Leipzig noch einen zumutbaren Betreuungsplatz zur Verfügung stellen konnte.“

Aber das sind natürlich nicht alle Kosten. Logisch, dass Nicole Wohlfahrt auch noch fragte: „Mit welchen Gesamtkosten rechnet die Verwaltung für sämtliche im Rahmen der KiTa-Platz- Versorgung entstehenden juristischen Arbeiten?“

„Eine Schätzung der Gesamtkosten kann nur schwer erfolgen“, antwortet Hörning. Aber das summiert sich dann doch. „Die durchschnittlichen Kosten für ein Verfahren pro klagendem Kind werden auf ca. 1000,00 Euro geschätzt. Seit 2013 haben insgesamt 1.427 Kinder ihren Anspruch gerichtlich geltend gemacht.

Die Personalkosten kommen hinzu, können aber nicht beziffert werden.

Ursprünglich war eine Justiziarin mit der Bearbeitung der KiTa-Verfahren und weiteren Verfahren beschäftigt. Neben dieser Justiziarin mussten schrittweise zwei weitere Justiziare KiTa-Verfahren neben ihren eigenen Verfahren übernehmen. Im April 2018 konnte eine auf ein Jahr befristete Justiziarstelle ergänzt werden.

Neben der juristischen Arbeit ist auch die Bearbeitung der KiTa-Fälle im Bereich der Registratur, Sekretariat und im Sachgebiet Kosten im Rechtsamt enorm gestiegen. Auch das Amt für Jugend, Familie und Bildung hat aufgrund des Anstieges der KiTa-Fälle einen Stellenmehrbedarf zu verzeichnen.

Für Verfahren aus dem Jahr 2017 sind die entstandenen Verfahrensgebühren in Höhe von insgesamt 113.379,50 Euro gezahlt worden.

Für abgeschlossene Verfahren aus dem Jahr 2018 sind die Verfahrensgebühren in Höhe von insgesamt 115.000 Euro (Stand 13.08.2018) gezahlt worden.

Im Bereich der Anträge auf Schadensersatz wegen Verdienstausfall hatte die Stadt Leipzig bisher 105.514,80 € (Stand 14.08.2018) im Rahmen der Selbstbeteiligung zu tragen.

Mit einem stetigen Ansteigen der Gesamtkosten ist zu rechnen.“

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