Es wird ja in letzter Zeit gern kritisiert, dass die Stadtratssitzungen immer länger dauern und die Tagesordnung immer voller. Doch wenn man genau hinschaut, sind das – bis auf einige Nonsens-Anträge einer profilierungssüchtigen Fraktion – so gut wie alles Themen, die eine wachsende Stadt nun einmal produziert. So wie das Thema Kita-Bedarfsplanung. Das stand am, 19. Mai, mit auf der Tagesordnung.

Und da die Stadt weiter wächst – auf 615.342 Einwohner/-innen im März, über 10.000 mehr als noch ein Jahr zuvor (605.203) – leben auch immer mehr Kinder in der Stadt. Was eben auch heißt, dass Leipzig mit dem Bau neuer Kindertagesstätten gar nicht aufhören kann.

Auch wenn Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus für das Jahr 2021 schon einen wichtigen Meilenstein verkünden konnte. Denn mit dem Ausbaustand von 2021 hat Leipzig endlich (wieder) so viele Kindertagesstättenplätze, dass allen interessierten Eltern für ihre Kinder auch ein solcher angeboten werden kann.

Wohnortnähe ist noch ein Problem

Wo es noch hapert – das sagte sie am 19. Mai auch – ist die Wohnortnähe. Denn natürlich suchen die meisten Eltern einen Betreuungsplatz, möglichst in der Nähe der Wohnung. Aber das ist in vielen Ortsteilen heute noch nicht gewährleistet. Daran müsse noch gearbeitet werden, so Felthaus.

Und das bilde die Kita-Bedarfsplanung für das Jahr 2022 auch ein Stück weit ab. Sie umfasst konkret zwölf neue Bauprojekte, davon eine Sanierung und elf Neubauten, mit denen 1.199 zusätzliche Plätze entstehen sollen. Im Grunde alles schon in der Umsetzung, auch wenn der Stand der Vorlage der Februar 2022 ist.

Doch seitdem wanderte die Vorlage noch durch alle Ortschaftsräte und Stadtbezirksbeiräte. Deswegen habe es so lange gedauert, erklärt die Bürgermeisterin, bis die Vorlage nun auch in die Ratsversammlung kam.

Die Frage der städtischen Trägerschaft

Aber das wurde dann am 19. Mai gar nicht die Debatte in der Ratsversammlung. Denn SPD- und Linksfraktion hatten noch einen Änderungsantrag geschrieben. Eigentlich zu einem alten Diskussionsthema im Stadtrat: Ganz konkret soll danach die Stadt deutlich mehr Kindertagesstätten in eigene Trägerschaft nehmen.

Denn beschlossen hat der Stadtrat am 28. April 2021, dass mindestens 25 Prozent aller Leipziger Kitas in städtischer Trägerschaft sein sollen. Ende 2021 waren es aber nur 20,7 Prozent, hatten die beiden Fraktionen ausgerechnet. Mit der aktuellen Vorlage würde der Anteil auch nur marginal auf 21,4 Prozent steigen.

Also schrieben beide Fraktionen gleich eine ganze Reihe der auf städtischen Grund geplanten Kitas auf ihre Liste, mit der Forderung, diese sollte unbedingt in städtische Trägerschaft kommen, um diese Quote endlich zu erhöhen und damit dem Stadtratsbeschluss gerecht zu werden. Darunter auch die neuen Kitas auf dem Gelände des Eutritzscher Freiladebahnhofs.

Aber genau das gehe nicht, erklärte Grünen-Stadtrat Michael Schmidt, der auch stellvertretender Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses ist. Denn welche Kindertagesstätten in welche Trägerschaft kommen, bestimmt nicht die Ratsversammlung, sondern der Jugendhilfeausschuss. Und das auch nicht nach Prozenten.

Das ist so im Sozialgesetzbuch (SGB VIII) gar nicht vorgesehen. Die Trägerschaft wird nach den eingereichten Konzepten vergeben. Und in der Vergangenheit wurde dies stets als ein Erfolg für Leipzig gewertet, dass so viele Freie Träger sich mit unterschiedlichsten Konzepten bewarben und auch den Zuschlag erhielten.

Dass in letzter Zeit der Anteil städtischer Kitas verstärkt diskutiert wurde, hat vor allem mit dem Einfluss der Stadt auf die Platzvergabe zu tun. Je mehr Kitas sie in ihrer Regie hat, um so größer sind ihre Spielräume. Auch wenn kurzfristig gehandelt werden muss.

Man muss nur an die aktuelle Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine denken. 600 Kinder aus ukrainischen Familien haben binnen kurzer Zeit einen Platz in Leipziger Kitas bekommen, konnte Vicki Felthaus feststellen. Das Kita-System ist also aufnahmefähig. Aber es wird sich auch noch aus einem anderen Grund ändern.

Lieber Krippe als Tagespflege

Denn jahrelang kompensierte Leipzig das Fehlen von Kita-Plätzen durch den Ausbau der Tagespflege. Ohne die vielen Tageseltern in der Stadt wäre die Not gerade im Krippenbereich jahrelang noch viel größer geworden. Was freilich auch in der Verwaltung den Eindruck verstärkte, die Leipziger Eltern würden die Tagespflege besonders wünschen.

Aber das trifft nicht ganz so zu, stellte Vicki Felthaus fest. Die jungen Eltern geben ihre Kinder doch lieber in einer richtigen Krippe ab. Die Zahlen in der Tagespflege sinken, die Anmeldungen in den Krippen haben deutlich zugelegt, sodass Leipzig auch die Zahl der verfügbaren Krippenplätze deutlich ausbauen muss.

Während nach der kleinen Diskussion im Stadtrat eigentlich deutlich wurde, dass der Antrag von Linke und SPD letztlich wenig bringt – es sei denn, man nimmt ihn als Aufforderung an das Jugenddezernat, in der nächsten Kita-Bedarfsplanung für 2023 tatsächlich mehr Kindertagesstätten in städtischer Trägerschaft einzuplanen, um so doch den 25 Prozent etwas näherzukommen.

In der Ratsversammlung wurde der Antrag aus den beiden Fraktionen am Ende mit 23:32 Stimmen abgelehnt. Die Entscheidung, wer Träger einer neuen Kita wird, muss im Jugendhilfeausschuss fallen. Und da sitzen nun einmal auch die Vertreter aus allen Fraktionen.

Zur eigentlichen Vorlage des Dezernats Jugend, Schule und Demokratie, die auch die Planungen bis 2025 enthält, gab es keine Gegenstimmen, sondern bis auf eine Enthaltung volle Zustimmung.

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