In Leipzig wird zwar viel über Bäume geredet. Wenn wieder mal Bäume gepflanzt werden, wird das groß angekündigt. Aber die Wahrheit ist: Leipzig verliert Jahr für Jahr mehr Bäume als wieder gepflanzt werden. Und daran hat auch das sächsische „Baum-ab-Gesetz“ seinen Anteil. Aber nicht nur. Das Bewusstsein für die wichtige Funktion großer alter Bäume scheint völlig zu fehlen. Elke Thiess von der BUND Regionalgruppe Leipzig thematisiert das in einer Anfrage an die Stadtverwaltung.

„Bäume, insbesondere großkronige alte Laubbäume, erbringen verschiedene urbane Dienstleistungen, welche für die Gesundheit und Lebensqualität von Stadtbewohner*innen von entscheidender Bedeutung sind: Luftreinigung, Mikroklimaregulation, Versickerung, Bodenschutz, Lärmreduktion, Erholung und Bildung“, schreibt sie in ihrer Anfrage, die eigentlich ganz kurz ist. Aber wahrscheinlich geht sie zu Recht davon aus, dass das Verständnis für die wichtigen Baumbiotope in einem Großteil der Stadtgesellschaft und auch im Stadtrat nicht wirklich existiert.

Also erklärt sie es schön ausführlich: „Darüber hinaus sind sie wichtiger Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen und dienen damit dem Erhalt der Biodiversität. Durch den Klimawandel mit zunehmenden sommerlichen Hitzetagen gewinnt die Ausgleichswirkung von Bäumen zusätzlich an Bedeutung. Im Rahmen der Daseinsvorsorge sollte also der Erhalt eines gesunden Bestandes an Großbäumen für jede Kommune eine hohe Priorität besitzen.“

Aber: „Die Stadt Leipzig hat, hauptsächlich als Folge des Baubooms der letzten Jahre, den Verlust tausender Bäume zu beklagen. Die meisten Fällungen gab es auf Privatgrundstücken. Alle Bemühungen, die entstandenen Verluste zu kompensieren, können bisher nur als unzureichend betrachtet werden.“

Auch das Umweltdezernat hatte ja schon zugegeben, dass man selbst die verhängten Kompensationspflanzungen nur teilweise durchsetzen kann. „Es wird eingeschätzt, dass der Erfüllungsgrad der Ersatzpflanzungen grundsätzlich bei etwa 60-70 % liegt“, hatte das Umweltdezernat im Juni 2017 auf Anfrage der Grünen mitgeteilt. „Seitens des Amtes für Stadtgrün und Gewässer werden stichprobenartige Kontrollen vor Ort veranlasst.“

Und das sind nur die Bäume, für die die Stadt zwingend eine Ersatzpflanzung angewiesen hatte, die geschützten Bäume quasi.

Die Liste der Gründe aber, die zu Nicht-Ersatz führen, ist lang, wie Elke Thiess auflistet:

„Fehlende Ausgleichsflächen im innerstädtischen Bereich. Die meisten Ersatzpflanzungen gibt es deshalb außerhalb der Stadt.

Für bestimmte Baumarten- und -größen besteht keine Pflicht zur Ersatzpflanzung. Sehr viele Bäume werden deshalb überhaupt nicht mehr nachgepflanzt.

Das Leipziger Straßenbaumkonzept sieht zwar eine Erhöhung des Straßenbaumbestandes vor. Leider existiert es bisher nur als Entwurf auf dem Papier.

Neu gepflanzte Bäume können die vollen ökologischen Leistungen von Großbäumen erst in mehreren Jahrzehnten ersetzen. Zudem sterben viele Neupflanzungen wieder ab, in diesem Sommer sind unzählige Jungbäume vertrocknet.“

Aber gerade wenn die leistungstarken großen Bäume verschwinden, hat das massive Auswirkungen nicht nur auf das Stadtklima, sondern auch auf die Artenvielfalt in der Stadt. Gerade die alten Bäume sind der Rückzugsraum für viele Tiere und Insekten. Erst recht, wenn auch noch ganze begrünte Brachen und wichtige Hecken verschwinden, weil es die Hausverwaltungen „schön pflegeleicht“ haben wollen.

„Es ist dringend nötig, die Existenz der noch vorhandenen Großbäume in der Stadt zu sichern!“, schreibt Elke Thiess. „Die Leipziger Baumschutzsatzung bietet wegen der vielen Ausnahmeregelungen keinen angemessenen Schutz mehr. Privaten Baumbesitzern sind die komplexen gesetzlichen Regelungen zum Natur-, Arten- und Biotopschutz oft nicht bekannt. Sie geraten so in die Situation, aus Unkenntnis geschützte Bäume zu fällen. Auch haben sie die Baumpflegekosten in der Regel allein zu tragen.

Gerade auf Privatgrundstücken wäre ein kommunales Förderprogramm daher eine gute Möglichkeit, um Baumbesitzer zu motivieren, ihre Bäume zu erhalten und fachgerecht zu pflegen. In mehreren Städten gibt es bereits Förderprogramme bzw. Zuschüsse für Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen an privaten Bäumen (Beispiel: Verden, Siegen, Gerlingen, Starnberg). Die Stadt Mainz verschenkt sogar Bäume an Grundstücksbesitzer.“

Was ja bedeutet: Die Stadt selbst muss zeigen, dass sie endlich umdenkt. Dann kann sie auch die Grundstücksbesitzer zum Mitmachen animieren.

Die Fragen von Elke Thiess, die sie nun von der Verwaltung beantwortet haben möchte:

„Gibt es seitens der Stadt Leipzig Überlegungen, neben den geplanten Maßnahmen ‚Masterplan Grün 2030‘ und ‚Straßenbaumkonzept‘ auch den Baumerhalt auf Privatgrundstücken finanziell und ideell zu fördern?

Unterfragen:

Wurde der Kosten-/Nutzeneffekt von Neupflanzungen im öffentlichen Raum und einem kommunalen Förderprogramm für Privatbäume schon einmal ins Verhältnis gesetzt?

Können ggf. Fördergelder von Dritten, z.B. der EU, für den Erhalt von Großbäumen auf Privatgrundstücken akquiriert werden?

Wird eine solche Förderung als sinnvoll und machbar angesehen, und wenn nein, warum nicht?“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 13 Kommentare

@Matthias, Michael Freitag: Sehe ich genauso. Und nicht zu vergessen: Diese ständigen “internen” Streitereien schaden am Ende nur der Sache, hier konkret: Am Ende sind überall weniger Bäume.

@Matthias: Ein spannender Gedanke. Ja, der Meinung bin ich auch 😉 Ich darf auf bestimmten Feldern “besser” als andere sein und hier und da auch mal zu den “Verlierern” gehören. Wenn ich mich dabei nicht moralisch über andere erhebe, hab ich sogar Chancen, manche meiner Überlegungen “massentauglich” zu machen. Aber nur durch Logik und eigenes Umsetzen.

Ich fahre zum Beispiel seit über 15 Jahren nicht mehr selbst aktiv Auto und besitze keines – aus unzähligen Gründen, ua. private Berechnung finanziell, Umweltfragen, Wahrnehmungsfragen (die Welt ohne Frontscheibenblick ist eine andere) und, und, und. Manchmal ist es unumgehbar, eines zu nutzen, dann geschieht es. Doch zwischendurch, also die absolute (99,9 Prozent) Mehrzahl der Zeit eben nicht.

Dennoch erwarte ich nicht, dass es mir andere gleichtun. Aber ich freu mich, wenn es Menschen versuchen oder ich dabei viele spannende Begegnungen (in der Bahn, im Bus, zu Fuß und im Zug) habe. Sind ja ab da meine Erlebnisse 😉

Mein Konsumverhalten (Bekleidung, Essen, Luxusgüter) allgemein dürfte ebenfalls unterhalb des Durchschnittes liegen, da ich dazu neige, auf Haltbarkeit und Beständigkeit zu achten. Ich hasse also Obdoleszenz irgendwie qua Erziehung, erwarte aber nicht, dass andere dies auch so gelernt haben.

So bin ich auch nach tiefer Prüfung für den Kohleausstieg und gegen die Verschiffung von Hochseekrabben rings um die Welt, bevor sie auf einem Teller landen, wo der Davorsitzende praktisch jeden Umweltgedanken mit dem ersten Gabelstich vernichtet.

Und dennoch wird wohl aus mir maximal noch ein Vegetarier (eher nicht), geschweige ein Veganer. Ebensowenig werde ich wohl noch in die Regionen des totalen Verzichts auf Suchtmittel (also hier, die deutschen Versionen von Bier und Bier) vorstoßen. Was andere hervorragend können, ohne jemals aktiv darüber nachgedacht zu haben, wie Krombacher wohl keinen Zentimeter Regenwald gerettet hat 😉

In Summe: Ja, die Erkenntnis, dass Bäume und Biotope auf Privatgrundstücken und im Auwald gleichermaßen wichtig sind, wie jeder Meter Allee an den Bundesstraßen, kann man schlecht mit den Wohnbedürfnissen der Leipziger kontern. Wir könnten ja auch darüber reden, wie wir es auf eine faszinierende Art hinbekommen könnten, beides zu verbinden?

Diese Doku zur Frage, wie wir zukünftig bauen sollten, hat mich letztes Jahr sehr begeistert. Ich denke, da liegt ein Teil der Lösung der Frage, die auch hier eine Rolle spielt.

M.F.

https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/videos/sendung-vom-10122017-video-100.html

Ich verstehe es wirklich nicht. Es sind zwei Themen! Darf man nicht auch Fleisch essen und gleichzeitig glaubhaft für Tierrechte eintreten? Und eventuell später Vegetarier werden? Ist Handeln, das immer ohne Widersprüche/ Kompromisse war, besser als solches, das seine Widersprüche erkennt?

Genau Mathias, es geht um das “und”.
Wenn in der vom Stadtförster handverlesenen “AG Stadtwald” der Fällung von (alten) Bäumen von den Verbänden (so auch dem BUND) tausende m³ -weise im Stadtwald zugestimmt wird, ist der Aufschrei bei Fällungen auf Privatbesitz mindestens widersprüchlich. Diese Widersprüchlichkeit ist bedenkenswert. Mindestens.

Lieber m.k., da rennen Sie bei mir offene Türen ein – ich bin gänzlich auf Ihrer Seite! Und daher sollten wir Diejenigen unterstützen, die sich dafür einsetzen, dass es wieder schwerer wird, auf Privatgrundstücken Bäume zu fällen. Und ein kommunaler Wald ist eben ein Sachverhalt, der sich von einem Privatgrundstück unterscheidet. Man sollte Bäume in der Stadt und im Wald erhalten können, ohne sich dem Verwurf aussetzen zu müssen, eines der Themen würde stiefmütterlicher behandelt als das andere.
Was mir der Ahnungslose sagen will, verstehe ich nicht. Ich behaupte, die Themen sind verschieden – woraufhin die Aufforderung kommt, genau hinzusehen. Sorry, aber dass ist mir zu unspezifisch.

Lieber Matthias, ob Bäüme in der Stadt oder dem Auwald,sieh einfach genau hin und du wirst es merken, wenn nicht jetzt, dann irgendwann (vielleicht), dass diese Themen eben nicht verschieden sind sondern dass diese sogar unmittelbar zusammen gehören.

Das Ringen um das Grün in der Stadt ist wichtig und aller Ehren wert! Und die Lage differenzierte zu betrachten: soll denn immer weiter nur in die Fläche gebaut werden, damit die Grünflächen in der Stadt bestehen bleiben können, oder ist Verdichtung in der Stadt eine Lösung, um eben weniger neue Flächen zu versiegeln? Das Problem ist doch wohl, dass das offizielle (amtliche) sich Kümmern wieder mal erst dann kommt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und die Stadtbäume gefällt sind – ohne dass es von Anfang an konsequent Auflagen für Neubaten gegeben hätte: für hochgeschossiges Bauen (statt luxuriöser Stadtvillen), zwingende (und geförderte) Dach- und Wandbegrünung, zwingende Errichtung von Tiefgaragen unter den Häusern und verpflichtende Neupflanzungen auf den verbleibenden Flächen statt Bereitstellung von PKW-Stellplätzen. Das alles hätte schon längst! Bestandteil von Stadtplanung sein müssen. Nun wird gejammert und sich engagiert (das bringt Fördergelder ein und schafft Arbeitsplätze), wo die Fächen immer weniger werden. Und, lieber Matthias, es geht hier nicht um Opposition, jedenfalls mir nicht. Es geht letztlich um eine (jawohl) fundamentale Grundfrage, nämlich der, wie wir leben wollen, ob weiterhin wir (dem bis dato einzigen und ureigenen Interesse der Wirtschaft devot huldigend) Wachstum durch gnadenlose Ausbeutung der Ressourcen wollen oder vielleicht doch endlich mal anfangen, auf die Potentiale dessen zu setzen, was bereits da ist, ohne immer weiter zu verbrauchen (Flächen, Rohstoffe, Wasser, Menschen) und Müll zu Bergen wachsen zu lassen. Es geht um Optionen jenseits von Wirtschaftswachstum (das niemandem nützt außer denen, denen die Wirtschaftsunternehmen gehören) und Vollbeschäftigung, die dann meist Selbstausbeutung bis aufs Blut hzur Folge hat, soziales Leben zerstört und zu völlig absurdem, uns von der Werbung zeilstrebig suggerierten (Bedürftigkeits-)Konsum führt, weil wir nicht mehr wissen, wie es sich anfühlt (!), glücklich und zufrieden zu sein – und wie wenig bzw. wie viel dazu tatsächlich notwendig ist: gute Beziehungen zu anderen Menschen nämlich und nicht die neuesten Markenklamotten in jeder Saison. Insofern sind die obigen Beiträge Teile eines Ganzen, eines ganzen Systems selbstzerstörischer, nicht weiter als maximal in Legislaturperioden handelnder Verantwortungslosigkeit. Auf Kosten vieler in Armut, Krieg und Ausbeutung lebender Menschen an anderen Enden der Welt, die wir für unseren Wohlstand behandeln, als wären sie unsere Sklaven und denen wir keinesfalls etwas abgeben wollen, in dem wir anfangen zu verzichten auf Dinge, die wir nicht brauchen und die uns deswegen auch nicht helfen, ein sinnerfülltes Leben zu leben, sondern die ausschließlich dafür erfunden werden, uns genau davon abzuhalten: wer glücklich ist, braucht fast nichts, was man kaufen kann.

Fraglich bleibt, wieso der gesunde Menschenverstand offenbar nicht ausreicht zu verstehen, wie ein Thema verschieden von einem anderen sein kann. Ist demokratische Politik nicht auch manchmal ein quid pro quo? Und hat Opposition nicht auch Optionen jenseits von Fundamentalopposition?

Auch wenn Ahnungslose keine Ahnung haben, haben diese oft einen gesunden Menschenverstand. Dieser sagt mir, es kann nicht sein, dass die Leipziger Verbände allesamt um Stadtgrün jammern, während wiederum allesamt dem Fällen von Bäumen im Auwald zustimmen. Darüber dürfen gern Sie liebe Frau Elke nachdenken.

Lieber Ahnungsloser, lieber m.k., Ihre Betrachtungsweise ist zu einseitig. Der Leipziger Auwald ist zweifellos wichtig und schützenswert. Aber er ist nicht alles, was Leipzigs bedrohte Stadtnatur ausmacht. In dieser Einwohneranfrage geht es explizit nicht um den Auwald sondern um die tausenden Bäume und Sträucher, die dem Bauboom und dem Baum-Ab-Gesetz zum Opfer gefallen sind. Lesen Sie doch bitte den Artikel mal gründlich und überdenken Sie ggf. Ihre Perspektive.

Wer braucht wofür (Au)Wald, der Leipziger Auwald ist schon lange kein Auwald mehr, dafür fehlt ihm das wechselnde Wasser. Als Stadtwald genutzt wird immer mal 1 Stück zum Häuser bauen verkauft und ganz wichtig gewerbliches Boot fahren im Flossgraben, wo ebenfalla alle Verbände schweigen. Schweigen bedeutet zustimmen.

Das ist schon fast klinisch relevant, diese schizophrene Art, Baumschutz zu betreiben: 8.000 Festmeter Holzeinschlag im Auwald stehen als Zielgröße im Forstwirtschaftsplan für die Saison 2018/2019. Kosten: mehr als 1,4 Mill. Euro. Einnahmen weniger als 250.000 Euro. Also auch noch ein richtig teures Unterfangen für uns SteuerzahlerInnen! Beraten und mit Zustimmung! der Leipziger Verbände Ökolöwe, BUND, NABU. Ist der Auwald etwa nicht (mehr) für das Stadtklima zuständig?

Liebe Elke Thiess. Schön dass Sie dies so aufzeigen. Was aber ist mit den grossen alten Bäumen im Auwald, dort stimmen sie als BUND, vertreten in der AG Stadtwald dem fällen von Bäumen zu, mehr noch, der BUND ist mit dabei und arbeitet aktiv mit dem Forstamt zusammen.

Schreiben Sie einen Kommentar