Es ist jetzt schon sicher, dass sich einige ältere Verantwortungsträger auch in Leipzig gewaltig echauffieren werden über diese Jugend. Denn was bislang nur mit „Fridays for Future“ auf den Straßen zu erleben war, erreicht jetzt mit den frisch gewählten Vertreterinnen und Vertretern im Jugendparlament auch den Stadtrat. Der erste Antrag dürfte auch der eher geruhsamen Verwaltung einige Beunruhigung bringen.

3.223 wahlberechtigte Schülerinnen und Schüler (von insgesamt 42.000) haben vom 25. März bis 1. April ihr neues Jugendparlament mit 20 Mitgliedern gewählt. Michael Neuhaus, Sophia Salzberger, Tom Richter, Ita Weinrich von FridaysForFuture und der neu gewählte Jugendparlamentarier Maximilian Protzner haben gleich in der ersten Woche den ersten JuPa-Antrag erarbeitet.

Und diesmal geht es nicht nur um Pfandsammelbehälter oder ein paar kleine Verbesserungen für Radfahrer, sondern um das Ganze, das, was in der etablierten Leipziger Politik so gern beschworen wird, sich dann aber im politischen Kleinklein immer wieder verliert, vertagt und zerredet wird. Auch weil ältere Menschen von ihrem bequemen Lebensstil nicht mehr ablassen wollen – man denke nur an die heillosen Diskussionen um Kurzzeitparkplätze in der Inneren Jahnallee.

Dabei sind Großstädte wie Leipzig Orte, an denen sehr entscheidende Weichen gestellt werden können, um die eigene Klimabelastung deutlich zu senken, die Stadt wirklich umweltfreundlicher und klimaschonend zu machen.

Die jungen Menschen, die in den letzten Wochen mit „Fridays for Future“ auf die Straße gingen, meinen es wirklich ernst. Sie haben sich mit den frisch gewählten Mitgliedern des Jugendparlaments zusammengetan und einen Antrag geschrieben, der die Stadt Leipzig dazu auffordert, den Klimanotstand auszurufen.

Ihre Begründung: „Damit soll der historisch einmaligen Gefahr des Klimawandels mehr Gewicht in der städtischen Politik eingeräumt werden.“

Der Antrag wird zeitnah den Stadtrat beschäftigen. Dazu erklärt Maximilian Becker, Mitglied bei Ende Gelände Leipzig, das sich auch schon beim Klimacamp im vom Kohlebergbau bedrohten Pödelwitz engagiert hat: „Ende Gelände Leipzig unterstützt die Initiative von Fridays for Future, den Klimanotstand für die Stadt Leipzig zu verhängen. Angesichts der drohenden Gefahren des Klimawandels ist es dafür höchste Zeit. Die Zeit des Nichthandelns ist vorbei. Klimagerechtigkeit muss endlich auch in der Kommunalpolitik stärker Beachtung finden. Der Leipziger Stadtrat muss nun Farbe bekennen: Steht er für eine lebenswerte Zukunft aller Menschen und überall oder geht er sehenden Auges den Weg in die Klimakatastrophe? Die ältere Generation darf nicht länger die Zukunft der jungen Generation verspielen und muss endlich handeln. Dies fordert Fridays for Future seit Wochen. Die Stadträt/-innen können nun zeigen, ob sie diese Botschaft verstanden haben. Wir werden die Abstimmung zum Antrag genau verfolgen und gemeinsam mit Fridays for Future dafür kämpfen, dass Leipzig den Klimanotstand verhängt.“

Der Antrag selbst zitiert die eigenen Bekenntnisse der Stadt, etwa diese Aussage aus der Klimawandel-Anpassungsstrategie: „Klimaschutz ist die wichtigste Möglichkeit, die Auswirkungen des Klimawandels langfristig einzudämmen und gefährliche, unumkehrbare Klimaveränderungen zu verhindern.“

Seit 2016 hat Leipzig so eine Klimawandel-Anpassungsstrategie. Aber nicht nur die jungen Leute vermissen eine wirklich spürbare Änderung in der Stadtpolitik.

„Auch wenn Leipzig bereits 1994 dem Klima-Bündnis e.V. beigetreten und seit 2010 Kommune für biologische Vielfalt ist, wird dies alleine weder den Klimawandel aufhalten noch seine Folgen für die Stadt abschwächen“, heißt es im Antrag. „Das Hochwasser 2002 forderte in Mitteleuropa mindestens 45 Menschenleben, davon auch 22 in Sachsen. Die Hitzesommer von 2003 und 2018 machten ebenfalls keinen Halt vor den Grenzen unseres sächsischen Freistaates. Allein in Deutschland starben 2003 mehr als 3.500 Menschen an den Folgen der extremen Hitze. In Europa lag die Zahl der Todesopfer Schätzungen zufolge sogar bei 70.000. Auch wenn es schwierig ist, Extremwetterereignisse wie diese eindeutig dem Klimawandel zuzuschreiben, so ist eines doch unstrittig: Die Frequenz solcher Ereignisse wird in besorgniserregendem Maße zunehmen.“

Und dem Stadtrat, der sich mit dem Antrag irgendwann beschäftigen muss, schreiben sie ins Stammbuch: „Der Klimanotstand kommt nicht – er ist bereits da. Schauen wir den Tatsachen ins Auge.“

Der Antrag des Jugendparlaments.

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