Da war das Ergebnis gegen 19:30 Uhr gerade einmal fast vollständig, schon war der amtierende Oberbürgermeister wieder lächelnd vor allen Kameras. Wer einen nachdenklichen Burkhard Jung (29,8 %) angesichts der 10 Prozent Absturz zum Erstrunden-Ergebnis vor sieben Jahren erwartete, sah sich getäuscht. Das Ergebnis heißt vor allem eines: es ist nun am ehesten ein klassischer Zweikampf mit einem Herausforderer namens Sebastian Gemkow (CDU, 31,6 %) geworden. Und dafür haben nun beide für die zweite Wahlrunde am 1. März 2020 verschiedene Ausgangspositionen. Und diese sprechen eher für Burkhard Jung.

Mit fortschreitendem Abend wurde am 2. Februar in immer mehr Gesprächen in der Wandelhalle des Rathauses deutlich, dass die Linken und die Grünen wohl nicht noch einmal in Runde 2 antreten werden. So zumindest viele Stadträte, mit denen L-IZ.de sprach.

Einerseits spiegeln die 13,5 Prozent von Franziska Riekewald (Linke) und die 12 Prozent für Katharina Krefft einen uneinholbaren Abstand zu den beiden Erstplatzierten. Mehr als eine Verdoppelung der Stimmen ist bei beiden Kandidatinnen wohl ausgeschlossen, anders hätte die Lage wohl bei einem Ergebnis von jeweils 15 Prozent mit Tendenz zur 20 ausgesehen. Damit wechselt auch für die Kandidatinnen selbst der Wunsch, neue Oberbürgermeisterin Leipzigs zu werden, in eine eher taktische Perspektive.

Denn sie müssen neben den eigenen, durch den Wähler heute gestutzten Erwartungen Rücksicht auf weitere Interessen nehmen.

So müssen sich auch die jeweiligen Stadtratsfraktionen und die Parteien der Stadträte überlegen, welchen Ansprechpartner sie in den Ratsversammlungen mit deutlicher rot-rot-grüner Mehrheit bei den Stadträten vor sich sitzen haben wollen. So gesehen, ist also vielen aus den beiden größten Ratsfraktionen ein SPD-OBM lieber, als einer von der CDU.

Der Leipziger Stadtvorstand der Linken, Adam Bednarsky, drückte es in einer Pressemitteilung noch am Wahlabend so aus: „Im Hinblick auf unser agieren beim 2. Wahlgang werden wir die Realisierung unserer programmatischen Schnittmengen wie bezahlbares Wohnen, Stärkung des ÖPNV und die soziale Frage in der Stadt mit den anderen MitbewerberInnen diskutieren. Wie dies mit einem konservativen OBM gelingen soll, ist für mich schwer vorstellbar.“

Der Satz „jetzt geht es darum, einen CDU-Oberbürgermeister zu verhindern“, machte also hier früh mit Blick auf die zweite Wahl die Runde. Und Burkhard Jung und die SPD wissen um diese 25,5 Prozent als eine Art Pfund, welches letztlich der Rückzug beider Kandidatinnen von links und grün für die eigenen Prozente am 1. März bedeuten würde. Nicht jeder, der heute links oder grün gewählt hat, würde dann deshalb am 1. März gleichermaßen Jung wählen (oder überhaupt noch einmal zur Wahl gehen) – doch auch viele dieser Wähler lehnen ein CDU-Stadtoberhaupt eher ab.

Was zu einem Anstieg der Prozente für den Amtsinhaber führen dürfte, wie auch 2013. Da stimmten für Burkhard Jung nach 40,2 Prozent in Runde 1 anschließend 45 Prozent beim zweiten Wahlgang – obwohl Linke und Grüne mit Barbara Höll und Felix Eckhardt im Rennen geblieben waren und zusammen noch einmal 20,8 Prozent holten.

Burkhard Jung kurz nach dem Ergebnis in Runde 1 der OBM-Wahlen

Video: L-IZ.de

So könnte tatsächlich aus einem erfolgreichen Abend für die CDU mit einem erstmaligen Vorsprung auf den Amtsinhaber gerade aufgrund des vergleichsweise schlechten Abschneidens von Riekewald und Krefft ein kurioses Ende folgen. Beide Kandidatinnen sind – mit der Motivation Sebastian Gemkow zu verhindern – näher am Rückzug als kurz vor dem Weitermachen. Und könnten ihre Anhänger im Interesse der Politik der kommenden sieben Jahre sogar bitten, für Jung zu stimmen.

Auf der anderen Seite des Parteienspektrums steht mit Christoph Neumann (AfD, 8,7 %) und Marcus Viefeld (FDP, 1,2 %) weniger Wachstumspotenzial bereit. Und noch ist unklar, was die AfD mit dem eher schwachen Ergebnis anfängt, ob Neumann also weitermacht oder – was durchaus ein vergiftetes Geschenk an Sebastian Gemkow wäre – nun offen oder durch Rückzug zur Wahl des CDU-Kandidaten aufruft.

Bleibt Neumann hingegen im Rennen, darf er sich durchaus anhören, Burkhard Jung zumindest am Rande des Geschehens mit in seine dritte Amtszeit verholfen zu haben.

Für Marcus Viefeld und die FDP Leipzig steht wohl nur zu konstatieren, dass ihn Katharina Subat (2,4 %) und damit die PARTEI geschlagen hat. Was irgendwie fast noch schlimmer ist, als der Fakt, schlechter als René Hobusch (1,8 %) im Jahr 2013 für die FDP abgeschlossen zu haben.

Bis zum Freitag, den 7. Februar 2020 um 18 Uhr haben nun alle Kandidat/-innen Zeit, ihre OBM-Kandidatur als beendet zu erklären. „Der Wahlausschuss bestätigt am 7. Februar 2020 in öffentlicher Sitzung, die zugelassenen Wahlvorschläge für den zweiten Wahlgang am 1. März“, so die Stadt Leipzig heute zum weiteren Verlauf.

Das vorläufige Ergebnis der Runde 1

Das Ergebnis in Runde 1 laut Stadt Leipzig
Das Ergebnis in Runde 1 laut Stadt Leipzig

Gemkow, Sebastian (CDU) – 31,6 Prozent, Jung, Burkhard (SPD) – 29,8 Prozent, Riekewald, Franziska (DIE LINKE) – 13,5 Prozent, Krefft, Katharina (GRÜNE) – 12,0 Prozent, Neumann, Christoph (AfD) – 8,7 Prozent, Subat, Katharina (Die PARTEI) – 2,4 Prozent, Viefeld, Marcus (FDP) – 1,2 Prozent, Gabelmann, Ute Elisabeth (PIRATEN) – 0,9 Prozent

Liveticker: Leipzig wählt den oder die Oberbürgermeister/-in (heute wohl noch nicht) + Updates

Liveticker: Leipzig wählt den oder die Oberbürgermeister/-in (heute wohl noch nicht) + Updates

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 24. Januar 2020): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen. Doch eben das ist unser Ziel.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen (zur Abonnentenseite).

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Aufrechterhaltung und den Ausbau unserer Arbeit zu unterstützen.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 350 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar