Die Auswirkungen waren ja durchaus unterschiedlich: Die einen erlebten am 31. Dezember / 1. Januar die ruhigste Silvesternacht, die sie in Leipzig jemals erlebt haben. Andere meldeten: „Bei uns wurde geballert wie jedes Jahr.“ Mit angehängten Flüchen über die Ballerfreudigen. Oliver Gebhardt wollte nun wissen, was wirklich Fakt war und hat die Verwaltung gefragt.

Das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport hat jetzt geantwortet. Einige Daten liegen ja schon vor – zum Beispiel die zu den Messstellen in der Lützner Straße und in Leipzig-Mitte. Besonders die Feinstaubmessungen zeigen, ob viel Rauch und Staub in die Luft geblasen wurde oder nicht. Und in den Vorjahren war jeder 1. Januar eine regelrechte Explosion dieser Luftbelastungen.Und das Fazit ist eindeutig: „Die beim Jahreswechsel 2020/2021 im Vergleich zu den Vorjahren an allen Messstationen registrierten sehr viel niedrigeren PM10-Konzentrationen, angegeben als Tagesmittelwerte und Spitzenstundenwerte, können im Wesentlichen auf die Beschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie (bspw. Verkaufsverbot für Pyrotechnik und Ausgangsbeschränkungen) zurückgeführt werden. Günstige Wetterbedingungen scheiden als Ursache hingegen aus.“

Deswegen hat das Dezernat auch die Werte zu Windgeschwindigkeiten und Niederschlägen mitgeschickt.

„Die meteorologischen Bedingungen am 01.01.2021 begünstigten aufgrund eines eingeschränkten Luftaustauschs und des erst ab etwa 03:00 Uhr gefallenen geringen Niederschlags eher eine Erhöhung der Luftschadstoffbelastung zum Jahreswechsel“, betont das Umweltdezernat. Die Feinstaubwerte waren im Jahresvergleich deutlich niedriger. Außer zum 1. Januar 2018.

Tagesmittelwerte der Feinstaubbelastung zu Silvester / Neujahr der vergangenen Jahre im Vergleich. Grafik: Stadt Leipzig
Tagesmittelwerte der Feinstaubbelastung zu Silvester/Neujahr der vergangenen Jahre im Vergleich. Grafik: Stadt Leipzig

Dazu schreibt das Umweltdezernat: „Ein anderes Bild zeigt sich dagegen am 01.01.2018. Die ebenfalls relativ geringen Tagesmittelwerte der PM10-Konzentration wurden sehr wahrscheinlich durch eine höhere Windgeschwindigkeit und damit einen günstigeren Luftaustausch bewirkt. Der Niederschlag am Neujahrestag 2018, welcher erst im Laufe des Tages einsetzte, führte zusätzlich zu einer Auswaschung partikulärer Luftbeimengungen.“

Die Daten zeigen: Es wehte 2018 ein kräftiger Wind und der Niederschlag war auch nicht ohne. Beides zusammen ergab einen ganz ähnlichen Effekt wie die Böllereinschränkungen zum 1. Januar 2021.

„Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die gemessene PM10-Konzentrationen jeweils von der Intensität und Dauer des Abbrennens von Pyrotechnik in unmittelbarer Nähe zur Messstation maßgeblich beeinflusst wird. Derartige Informationen liegen i. d. R. nicht vor, wären aber zur weiteren Interpretation hilfreich und könnten Aufschluss darüber geben, warum bspw. an der Messstation Leipzig – Lützner Straße der PM10-Stundenmittelwert am 01.01.2018 um 02:00 Uhr geringer ist, als der zeitgleiche Wert am 01.01.2021“, so das Umweltdezernat. Denn in der Lützner Straße wird ja eher das „Normalfeuerwerk“ der Leipziger in ihrem Wohngebiet gemessen.

Dazu kam natürlich noch das explizite Böllerverbot auf dem Augustusplatz, was dafür sorgte, dass es deutlich weniger Menschen zum Böllern in die Innenstadt zog. Gut möglich also, dass viele Böller-Begeisterte ihre bestellten Sprengladungen dann eben nicht wie früher auf dem Augustusplatz entzündeten, sondern im heimischen Wohnumfeld.

Aber es gibt noch eine Zahl, die sehr deutlich zeigt, ob weniger geböllert wurde – die Notfall-Einsätze, nach denen Oliver Gebhardt ebenfalls gefragt hat.

Und hier wird deutlich, dass die Einschränkungen zum Silvesterfeuerwerk die Belastung der Krankenhäuser tatsächlich etwas gesenkt haben: „Das Notrufaufkommen an Silvester 2020/2021 ist im Vergleich zu Silvester 2019/2020 stark zurückgegangen (530 Anrufe, also ca. -30 %), weswegen die Beschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie den erhofften Effekt erzielt hat.“

Aber da ist noch etwas, was im Umweltdezernat auffiel, denn 2019/2020 war ein nicht sehr guter Trend beim Böllern sichtbar geworden. „Mit Blick auf Silvester 2018/2019 und 2017/2018 ist festzustellen, dass das Notrufaufkommen an Silvester 2019/2020 einen Höchstwert erreicht hatte. An Silvester 2018/2019 war insgesamt ein ähnliches Aufkommen zu verzeichnen wie an Silvester 2020/2021, wobei 2018/2019 ein erhöhtes Aufkommen am 01.01. festzustellen ist. Die generelle Absenkung am 01.01. kann daher den Beschränkungen zugerechnet werden.“

Auch die Zahl der Rettungseinsätze ging deutlich zurück. Was natürlich den Antrag der Grünen sehr aktuell erscheinen lässt, in Leipzig generell größere böllerfreie Zonen zu schaffen. Denn was in den beiden Vorjahren zu erleben war, erzählt eigentlich von einer zunehmenden Entgrenzung der Knallerei. Um eine fröhliche Begrüßung des Neuen Jahres geht es da meistens nicht mehr, sondern nur noch um Menge und Lautstärke, egal, ob das dann mit Knalltrauma oder Verbrennung im Krankenhaus endet.

Und noch ein Faktor kann von den positiven Folgen der abgedimmten Böllerei erzählen: „Der Jahreswechsel 2020/2021 war gekennzeichnet durch abgesagte Veranstaltungen am Neujahrstag 2021, die komplett geschlossene Gastronomie, die durch die Stadt Leipzig erlassene Allgemeinverfügung mit einem Versammlungs- und Ansammlungsverbot in der Stadt Leipzig, dem Verkaufsverbot von Silvesterfeuerwerk und dem Verbot des Abschießens von Silvesterfeuerwerkes auf dem Augustusplatz, dem Connewitzer Kreuz und dem Lindenauer Markt. Im Ergebnis wurden bei einer Kontrolle durch einen zuständigen Meister im Zentrum keine Verunreinigungen festgestellt. Es erfolgte am 01.01.2021 keine Neujahrsreinigung der Innenstadt. Das heißt, dass nach der Silvesternacht 2020/2021 am Neujahrstag im Zentrum 0 m³ Müll eingesammelt wurden“, betont das Umweltdezernat.

„Die Verunreinigung des restlichen Stadtgebietes war durch o. g. Bedingungen gegenüber Vorjahren deutlich geringer.“

Was allein für die Innenstadt bedeutet, dass statt 73 Kubikmeter Müll wie im Vorjahr am Neujahrstag gar kein Müll in der City aufgekehrt und abtransportiert werden musste.

Und das Fazit des Umweltdezernats liest sich eigentlich positiv für jeden Versuch, die Silvesterböllerei in Leipzig dauerhaft einzuschränken: „Die Veränderung der gesammelten Abfälle spiegelt das Kaufverhalten mit dazugehörigem Abschießen von Silvesterfeuerwerk der Leipziger Bürger wider. Ein Verkaufs- und Böllerverbot senkt aufzunehmende und zu entsorgende Abfälle.“

In einer vernünftigen Welt würde das auch gleich mal zum Stadtratsbeschluss. Aber kaum etwas erzählt ja von der ungezähmten Unvernunft (eines Teils) der Menschen so deutlich wie die teure, gesundheits- und umweltschädliche Silvesterknallerei.

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