Es gibt auch Anträge im Leipziger Stadtrat, über die nicht groß diskutiert wird in den Ratsversammlungen und die dennoch wichtige Weichen für die Zukunft stellen. So wie am Donnerstag, 18. Februar, der Antrag der SPD-Fraktion, den neuen Kraftwerkstandort der Stadtwerke Leipzig an der Bornaischen Straße zu einem Wasserstoff-Vorzeigeprojekt zu machen.

Im Dezember 2020 wurde am Standort in der Bornaischen Straße der Grundstein gelegt für das neue Heizkraftwerk der Stadtwerke Leipzig, das Ende 2022 den Betrieb aufnehmen soll und damit Leipzigs Abhängigkeit von den Fernwärmelieferungen aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf beenden soll. Die benötigten Turbinen sind dabei so ausgelegt, dass sie nicht nur im ersten Schritt mit dem etwas weniger klimaschädlichen Erdgas betrieben werden können, sondern künftig auch mit Wasserstoff beschickt werden können, der im Idealfall natürlich als Grüner Wasserstoff aus der alternativen Energieerzeugung kommt.Im Juni hat das Bundeskabinett die nationale Wasserstoffstrategie beschlossen, mit der Technologien rund um den Grünen Wasserstoff gefördert werden sollen, die den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern sollen. Und da die Region Mitteldeutschland sich auch innerhalb des Kohleausstiegs als Wasserstoffstandort profilieren will, lag der SPD-Vorschlag eigentlich nahe, den auch das Amt für Wirtschaftsförderung unterstützte.

Die SPD-Fraktion konkretisierte ihren Antrag nach dem Verwaltungsstandpunkt noch einmal und schrieb einen konkreten Liefertermin hinein: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Leipziger Gruppe mit der Entwicklung eines Strategie- und Standortkonzeptes zum Kraftwerksstandort Leipzig-Süd zu beauftragen. Das Konzept soll dem Stadtrat bis 30.06.2021 vorgelegt und im 3. Quartal 2021 beschlossen werden. Ziel des Konzeptes ist der Ausbau des Standorts zu einem ,Leuchtturm‘ für Mitteldeutschland im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie. Mit diesem Konzept bewerben sich die Stadt Leipzig und die Leipziger Gruppe sowie geeignete Partner um Fördermittel.“

„Wir sind davon überzeugt, dass grüner Wasserstoff in Zukunft einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leisten wird“, betonte die SPD-Fraktion ihr Anliegen.

„Aktuell strebt Deutschland im Bereich Wasserstoff die Technologieführerschaft an. Leipzig ist mit seinen ansässigen Unternehmen gut aufgestellt, um in diesem Bereich für Mitteldeutschland führender Technologiestandort zu werden. Aus diesem Grund soll im Rahmen der Evaluierung des Beschlusses ,Ausstieg aus dem Fernwärmebezug aus Lippendorf‘ bis 30.06.2021 ein Strategiekonzept vorgelegt werden. Denkbar wäre beispielsweise die Nutzung der aktuell ungenutzten, denkmalgeschützten ehemaligen Kraftwerkshalle am Standort Süd, um dort mittels Elektrolyse Wasserstoff für die direkte Weiterverwendung im Heizkraftwerk sowie für andere Nutzungen, bspw. in Bussen der LVB, herzustellen. Die Beschlussfassung im Stadtrat soll im 3. Quartal 2021 erfolgen.“

Den SPD-Antrag begründete am Donnerstag die Stadträtin Anja Feichtinger, die auch betonte: „Am 10. Juni 2020 beschloss das Bundeskabinett die „Nationale Wasserstoffstrategie“ und hat damit ein Milliardenprogramm für den Ausbau der Wasserstoffnutzung auf den Weg gebracht. Rund sieben Milliarden Euro sollen allein dafür verwendet werden, um Wasserstoff als Energieträger zu etablieren, weitere zwei Milliarden Euro fließen in internationale Partnerschaften.“

In früheren Zeiten hätte es solcher Anträge wahrscheinlich gar nicht bedurft. Da hätten Bundesregierungen die absehbaren neuen Technologien schon ganz von allein gefördert und alles dafür getan, damit das Land auf einen neuen technologischen Stand kommt.

Doch Deutschland ist – was die Zukunftstechnologien betrifft – seit 15 Jahren im Bremsermodus. Es sind tatsächlich eher die regionalen Parlamente, die die bräsige Politik vor sich hertreiben. Auch der Ausstieg aus den Fernwärmelieferungen aus Lippendorf geht auf einen Beschluss des Leipziger Stadtrates von 2017 zurück.

Das ist also alles gar nicht neu, auch nicht für das mitteldeutsche Kohlerevier, in dem auch die SPD-Fraktion eine ideale Region sieht, „um die Wasserstoff-Nutzung inkl. CO2-Minderungspotenzial zu demonstrieren und zu etablieren. Historisch bereits als Energie- und Industriestandort gewachsen, ist Mitteldeutschland eine von zwei Regionen in der Bundesrepublik, die über bereits existierende Wasserstoffinfrastruktur und -kompetenz verfügt.“

Jetzt müsse Leipzig einfach den Staffelstab aufnehmen und zu einem Wasserstoff-Leuchtturm werden. Das war der Tenor von Anja Feichtingers Fürsprache: „Mit konkreten Investitionsprojekten entlang der kompletten Wasserstoffwertschöpfungskette (Erzeugung, Transport, Verteilung und Verbrauch) und in verschiedenen Anwendungsbereichen (Energie, Mobilität, Industrie und Logistik) zeigen Wirtschaftsunternehmen bereits auf, wie im Rahmen des Strukturwandels eine gesamthafte Dekarbonisierung des Energiesystems und Sektorenkopplung als bundesweiter Leuchtturm funktionieren kann. Mit der Beschlussfassung im vergangenen Herbst, dass Leipzig ,Wasserstoff-Stadt‘ werden soll, haben wir politisch einen Schwerpunkt in der energiewirtschaftlichen Ausrichtung unserer Region gesetzt. Dafür auch nochmals vielen Dank an die Fraktion Die Linke für diesen Antrag.“

Und sie betonte noch etwas, was für die Akzeptanz lokaler Politik sehr wichtig ist: „Mit der Beschlussfassung haben wir als Stadträtinnen und Stadträte weiterhin die Möglichkeit, die Neuausrichtung unserer städtischen Gesellschaft mitzuverfolgen und darüber im Herbst dieses Jahrs zu entscheiden.“

„Das ist in der Tat eine einmalige Chance“, sagte dann auch OBM Burkhard Jung zu dem Antrag, der – bis auf eine Enthaltung – am Donnerstag die einstimmige Zustimmung des online tagenden Stadtrates bekam.

Die Debatte vom 18. Februar 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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Es gibt 3 Kommentare

Bis jetzt sehe ich nichts anderes als Smart Grids und Just-In-Time-Stromproduktion. Elektrische Energie zu speichern, ist ein Monsterproblem.

Ähnlich wie die Entsorgung von Atommüll – mehr als ihn nur recht besonders gut zu verstecken, ist der Menschheit nicht eingefallen.

(Ja, die Transmutation kenne ich. Vielleicht was fürs 22. Jahrhundert, um das endlich “end”gelagerte Zeug nach und nach unter zusätzlichem Energieeinsatz doch noch umzuzaubern. Da hat die Menschheit am Ende dann aber sehr sehr viel für den “billigen” Atomstrom bezahlt…)

Eben deswegen wundere ich mich, warum die Wasserstofftechnologie so als letzter Schrei gehandelt wird. Diese Art, Energie zu speichern, ist in meinen Augen derart ineffizient, dass sie allenfalls für Nischenanwendungen wie für Wasserstoffzüge (statt Diesel) in Frage kommt.

Ähnliche Sackgasse wie die CO2-Verpressung, die auch schöngeredet wird. Für mich eine Art Fracking, nur rückwärts.

Bei Wasserstoffbussen wäre ich übrigens vorsichtig…wenn dann so ein Bus in der Innenstadt den Zeppelin macht, will es keiner gewusst haben…

Die Initiative der SPD Fraktion mit Einbeziehung der Stadt und somit der Stadtwerke in die nationale Wasserstoffstrategie, vom Bund gefördert, ist begrüßenswert. Wichtig dabei ist die Einbindung in die Entwicklung der Mitteldeutschen Wasserstoffindustrie und VNG Versorgungstechnik.
Unbedingt zu berücksichtigen ist aber, das die Elektrolyse von Wasserstoff (H) – sehr ineffizient bei der Herstellung ist, da ein hoher Stromverbrauch für die Umwandlung erforderlich wird, außer der H wird aus “überschüssigem” grünem Strom hergestellt, also von Windrädern oder Solaranlagen, die sonst abgeregelt würden (still stehen). Das bedeutet für die absehbare Zukunft, das in der Stadt weitaus mehr grüner Strom erzeugt werden müsste, als normal verbraucht wird. Eine wichtige Aufgabe für die Stadtverwaltung, uA. mit dem Dachflächenkataster und Festlegeungen bei Bauvorhaben.

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