Zum Finale der Stadtratssitzung am 14. Oktober ging es noch einmal um den Leipziger Haushalt, den jüngsten Finanzbericht von Finanzbürgermeister Torsten Bonew und den Auflagenbescheid der Landesdirektion Sachsen, für gewöhnlich Themen, die im Stadtrat sonst ohne große Diskussion zur Kenntnis genommen werden. Aber noch steckt Leipzig ja tief im Corona-Modus. Und die Schwarzmaler aus der AfD gibt es ja auch noch.

Nur dass die Schwarzmalerei der Ganz-Rechtsaußen-Fraktion mit der Leipziger Realität nicht viel zu tun hat. Da helfen auch Wortkeulen wie „Ausgabenorgie“, die AfD-Stadtrat Christoph Neumann in seiner Rede verwendete, nichts. Denn damit meinte er mal wieder nur das, was die „linksgrüne Mehrheit“ im Stadtrat als dringend nötige Veränderung in die Haushaltsplanung 2021 / 2022 eingebracht hatte.

Altherrenfraktion mit ständigem Dagegensein

Eigene Beiträge zur Haushaltsgestaltung hat ja die AfD nicht wirklich vorgebracht. Und sie stimmte dann am Ende ja auch noch gegen die Leipziger Haushaltssatzung, worauf Christoph Neumann ja immer noch stolz ist. Mit Gestalten hat das alles nichts zu tun. Nur mit dem Gefühl, dass diese Altherrenfraktion mit ihrem permanenten Dagegensein so tut, als wäre sie der einzige Mahner im Raum.

Man kann es auch Verachtung nennen für die durchaus aufwendige Arbeit der anderen Fraktionen, die mit den Corona-Auswirkungen dringend notwendige Haushaltsdisziplin mit einem Stadthaushalt in Einklang zu bringen, der der Stadt nicht die Luft abschnürt und auch in der Krise antizyklisch investiert. Denn eine Stadt ist nun einmal auch ein Wirtschaftsfaktor, dessen Investitionen einen erheblichen Teil der Wirtschaft am Laufen halten.

Und das gerade in der Zeit, in der ein Teil der Leipziger Wirtschaft stillstehen musste und die Gewerbesteuereinnahmen einbrachen.

Notwendige Neuverschuldung wohl 300 Millionen Euro geringer als geplant

Was die Stadt zwingt, gerade in den Jahren 2021 und 2022 so viele Kredite aufzunehmen, wie seit 1990 nicht. Wobei der Großteil der Kredite allein den Ausfall von Gewerbesteuereinnahmen abdeckt. Es sind keine zusätzlichen Geldausgaben, die die Stadt einfach nur verkonsumiert, weil links im Stadtrat die Verschwendungssucht sitzt.

Im Gegenteil – das wurde dann in den Reden, die nach Neumanns ziemlich gespenstischem Auftritt folgten, deutlicher. Denn eigentlich wollte die Stadtratsmehrheit gerade in den Jahren 2021 / 2022 deutlich mehr investieren. Also endlich den Berg der beschlossenen und nicht umgesetzten Investitionen in Schulen, Kitas, Brücken, Straßen usw. abbauen. Das war ja auch am 14. Oktober Thema einer sehr intensiven Debatte gewesen beim Thema „Investive Ausgabenreste“.

Denn Leipzig schafft es eben nicht, seine Investitionen am Markt zu platzieren. Darauf wies auch Karsten Albrecht (CDU) als stellvertretender Vorsitzender im Vergabeausschuss (VOB) hin: Die Stadt bekommt für ihre vielen wichtigen Ausschreibungen immer weniger Angebote. Das habe wohl, so Albrecht, mit den immer aufwendigeren Vergaberegeln zu tun, für die Leipzig nichts kann. Und auch Steffen Wehmann (Die Linke) sprach das Problem an, dass Leipzig das bewilligte Geld wohl gar nicht wird ausgeben können.

2022 wohl wieder auf dem Stand von 2019

Im Finanzbericht hatte Bonew noch einmal mit Stand Juni 2021 vorgerechnet, dass Leipzig wohl beide Haushaltsjahre mit einem Minus im Millionenbereich abschließen wird: „Mit der Beschlussfassung zum Doppelhaushalt 2021 und 2022 wurden zwei separate Haus­haltssatzungen bestätigt. Mit -60,4 Mio. EUR und -106,2 Mio. EUR weisen beide Jahre im Rahmen der Haushaltsplanung ein negatives Gesamtergebnis aus, welches aus den Entwicklungen aufgrund der Corona-Pandemie resultiert.“

Diese Fehlbeträge könnten sich noch einmal erhöhen. Zumindest nach dem Juni-Stand. Ob es am Jahresende wirklich so kommt, ist völlig offen.

Denn – so Bonew – die Wirtschaft in Leipzig hat wieder Tritt gefasst und die Gewerbesteuereinnahmen fließen wieder. Für 2022 rechnet er sogar wieder damit, dass die Gewerbesteuereinnahmen den Vor-Corona-Stand von 2019 erreichen. Und da Gewerbesteuereinnahmen und die Einnahmen aus den Einkommenssteuern in der Regel parallel verlaufen, dürften sich die Einnahmeausfälle im Stadthaushalt deutlich verringern.

Kreditaufnahmen Leipzigs verringert

Sodass auch der Stand aus dem April, als Torsten Bonew noch von neuen Kreditaufnahmen in Höhe von 700 Millionen Euro ausging, inzwischen veraltet sein dürfte. Was auch Steffen Wehmann ansprach, der mit freundlichem Lächeln dem nicht zu nennenden Vorredner in Hellblau attestierte, dass er wohl weder den Finanzbericht gelesen habe noch die aktuellen Entwicklungen verfolge.

Denn die wahrscheinlich notwendigen neuen Kreditaufnahmen Leipzigs hätten sich inzwischen schon um 300 Millionen Euro verringert. Da entwischte ihm glatt ein „Milliarden“. Aber Leipzig rechnet tatsächlich erst mal noch in hunderten Millionen. Was am Ende des Jahres 2022 bedeuten könnte, dass Leipzig in etwa wieder so viele Schulden hat wie 2005, als mit rund 900 Millionen Euro der Gipfel der Verschuldung erreicht worden war und die rigiden Haushaltskonsolidierungen unter Burkhard Jung begannen.

Der Leipziger Investitionsstau

Das muss man einfach immer mitdenken, wenn Leipzig heute in einem riesigen Investitionsstau steckt, seine bewilligten Investitionsprojekte einfach nicht umgesetzt bekommt, weil die Baufirmen volle Auftragsbücher haben, und viel zu spät erst das ganze Planungspersonal eingestellt hat, das die Stadt braucht, um Schulen, Straßen, ÖPNV und andere wichtige Investitionsprojekte zu stemmen.

Wobei an diesem Abend natürlich auch der Auflagenbescheid der Landesdirektion Thema war, den Christoph Neumann geradezu als alarmierend beschrieb. Nach seiner Rede hätte man geradezu fürchten müssen, Leipzig versinke gleich in der nächsten Woche in einem regelrechten Schuldensumpf.

Rechtsaußen-Alarmismus ohne Grundlage

Da tat es richtig gut, nicht nur dem sachlich nüchternen Sven Morlok (FDP) zu lauschen, der sich sogar das kleine Staunen darüber gönnte, sich der „linksgrünen Mehrheit“ zugerechnet zu sehen. Denn auch die von FDP und Piraten gebildete Freibeuter-Fraktion hat sich rege an den Haushaltsberatungen beteiligt und den Doppelhaushalt 2021 / 2022 befürwortet. Demokratie heißt nun einmal auch, sich einzubringen und das Projekt Stadt gemeinsam zu tragen.

Und auch Torsten Bonew nutzte seine Rede dafür, den Rechtsaußen-Alarmismus für ziemlich übertrieben zu erklären. Denn während Christoph Neumann meinte, im Auflagenbescheid der Landesdirektion das eigene Oweiowei bestätigt zu sehen, stellte Bonew trocken fest, dass im Bescheid der Landesdirektion nichts anderes stand, als was er in seiner Einbringungsrede zum Doppelhaushalt auch schon gesagt hatte. Nur etwas anders formuliert.

Die Verhandlungen zum nächsten Doppelhaushalt werden härter

Und die Mahnung der Landesdirektion zielt natürlich auf den nächsten Doppelhaushalt 2023 / 2024, den Leipzig dann wieder gesetzeskonform vorlegen muss – also ohne zusätzliche Kreditaufnahmen und möglichst ohne Minus. Denn für die beiden Haushaltsjahre 2021 / 2022 gilt die Ausnahmeregelung des sächsischen Finanzministers, der den Kommunen in Sachsen zur Bewältigung der Corona-Folgen einmalig die Gelegenheit eingeräumt hat, neue Schulden aufzunehmen. Was in einer solchen Krise schlicht vernünftig ist.

Ab 2023 gilt diese Ausnahmeregelung nicht mehr. Und dahinter stünden auch die Mitglieder der Regierungskoalition, betonte Bonew. Aber auf seine Art gab er sich zuversichtlich, dass Leipzig ab 2023 wieder in der Lage sein wird, ausgeglichene Haushalte vorzulegen.

Leicht werde das nicht. Und mit der von der Landesdirektion geforderten Ausgabenpriorisierung sei ja schon ein Fingerzeig gegeben, wie es passieren könnte. Diese Ausgabenpriorisierung wurde ja von Teilen des Stadtrates schon als „Haushaltsmoratorium“ interpretiert. Aber sie betrifft vor allem erst einmal investive Maßnahmen. Und es ist durchaus verständlich, wenn die Landesdirektion eine Priorisierung der Leipziger Investitionsvorhaben nach Maßgabe der „infrastrukturellen Grundversorgung“ wünscht.

Gehört Kultur zur Grundversorgung?

CDU-Stadtrat Michael Weickert stellte die berechtigte Frage, ob das dann auch Kulturinvestitionen beträfe. Und laut Gesetz – das bestätigte auch OBM Burkhard Jung – gehört Kultur tatsächlich nicht zur infrastrukturellen Grundversorgung. „Asylbewerberheime übrigens auch nicht“, merkte Torsten Bonew noch an. Darüber solle man einmal nachdenken.

Andererseits, so Jung, gehört Kultur nach der sächsischen Verfassung zur Pflichtaufgabe der Kommunen. Man ahnt schon, dass die von der Landesdirektion gewünschte Priorisierung im Finanzausschuss des Stadtrats noch einmal heiß diskutiert werden wird. Torsten Bonew will dafür zumindest so etwas wie eine Methodenvorlage erarbeiten lassen, damit die Stadträt/-innen wenigstens eine Handhabe haben, wenn es ans Einsortieren der Investitionsvorhaben geht.

Dieser Weg wird kein leichter sein

So gab es tatsächlich noch einmal eine schöne und auch erhellende Diskussion über zwei Informationsvorlagen, die für gewöhnlich völlig ohne Diskussion durch die Ratsversammlung rauschen. Die Haushaltslage ist noch ernst, wie OBM Burkhard Jung betonte. Aber selbst Torsten Bonew zeigte sich zuversichtlich, dass es Leipzig ab 2023 schaffen wird, wieder ausgeglichene Haushalte vorzulegen, bei denen die Dienstaufsicht keine Probleme hat, sie auch zu genehmigen.

Nur leicht wird es nicht. Das kündigte er schon einmal an. Es werden ganz bestimmt harte Verhandlungen, die da im Herbst 2022 den Stadtrat beschäftigen werden.

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