Es ist nicht nur der Leipziger Johannes Bredemeyer, der es seltsam findet, dass die Stadtverwaltung tonnenweise Split und Sand in den Auwald kippen lässt und den Radfahrenden dann auch noch erzählt, dadurch würden sich die Fahrbedingungen zum Cospudener See verbessern. Zur Ratsversammlung am 13. Oktober hatte er extra eine Einwohneranfrage zu dem Thema gestellt. Die jetzt freilich wieder mit den altbekannten Begründungen beantwortet wurde.

Die Einwohneranfrage von Johannes Bredemeyer stand am 13. Oktober zur Beantwortung auf der Tagesordnung des Stadtrates

Ihn beschäftigte auch die miserable Fahrqualität auf den nicht asphaltierten Wegstücken:„In Leipzig gibt es viele Kilometer Radwege, die auf Deichen, durch Wälder und Parks führen. Die weitaus meisten dieser Radwege sind nicht asphaltiert. Ihre Oberflächenbeschaffenheit führt beim Fahren also zu dauerndem Geruckel durch den verwendeten Schotter, was die Attraktivität massiv mindert. Besonders in Wäldern führen diese unbefestigten Wege zudem zu einem dauerhaften Schlammproblem: Jahr für Jahr bilden sich nach jedem Regen große Pfützen und hunderte Meter weit muss wie selbstverständlich durch Schlammpisten gefahren werden, da die Radverbindungen zudem nicht von Laub geräumt werden. Die Waldradwege werden so zum Teil unpassierbar, zum Teil werden sie von den Nutzenden zu bis zu 7 Meter breiten Pisten ausgetreten, weil versucht wird dem Schlamm auszuweichen. So kommt es zu sichtlichen Schäden an der Vegetation und zu unnötiger Bodenverdichtung, so etwa im Küchenholz, wo eine Hauptverbindung in den Leipziger Südwesten besteht.“

Die Küchenholzallee haben wir ja gerade erst unter den Radwege-Problemstellen im Leipziger HauptnetzRad betrachtet. Auch hier hatte Leipzigs Stadtverwaltung mit den Eingriffen in die geschützte Natur argumentiert, die eine Asphaltierung dieser wichtigen Radwegeverbindung verhindern würde. Eine Argumentation, die schlichtweg nicht stimmt. Worauf der ADFC Sachsen schon mehrfach hingewiesen hat.

Falsche Argumente gegen Asphaltbeläge

Und mit Recht weist der ADFC Sachsen an dieser Stelle auch auf eine Anweisung des Sächsischen Wirtschaftsministeriums hin, das genau das, was Leipzigs Verwaltung da auch mit der Neuen Linie im südlichen Auwald betreibt, nicht empfiehlt:

„Wassergebundene Decken können nur im Ausnahmefall und nur auf kurzen Streckenabschnitten in ökologisch besonders sensiblen Bereichen zum Einsatz kommen. Diese Deckschichten besitzen einen hohen Rollwiderstand, werden schnell uneben und müssen jährlich überarbeitet werden, was zu hohen Unterhaltungskosten führt.  In Neigungsabschnitten (s größer 5 %), im Bereich von Hochwasser- bzw. Überschwemmungsgebieten sowie bei der Benutzung des Weges durch schwere Nutzfahrzeuge (land- und forstwirtschaftlicher Verkehr) können wassergebundene Decken nicht eingesetzt werden.“

Aber genau dieser Einsatz schwerer Forstfahrzeuge dient der Stadt Leipzig immer wieder als Argument dazu, ausgerechnet Asphaltdecken zu verhindern.

„Wenn der Radverkehr in Leipzig gefördert werden soll, müssen diese langen Radverbindungen dringend ertüchtigt werden, da sie sonst durch ihre eingeschränkte Nutzbarkeit kaum als Radinfrastruktur gezählt werden können“, hatte Johannes Bredemeyer noch festgestellt.

„Asphaltbänder von 2–3 Metern Breite haben für den Radverkehr eine ganz andere Qualität. Sie wurden in den letzten Jahren für die Radwege etwa im Leipziger Westen (Gleis-Grün-Zug), Nordwesten (Heuweg) oder Norden (Mariannenpark) gebaut und machen eine Radverbindung tatsächlich zu einer attraktiven Alternative. Das beste Beispiel wäre hier die ‚Fahrradstraße‘ Nonnenweg im Osten von Schleußig, die sich durch ihre Asphaltdecke einer enormen Popularität erfreut. Wenn die Verkehrswende gelingen soll, wird ein solches Bauvorhaben unverzichtbar sein.“

Was soll den da noch geprüft werden?

Umso seltsamer liest sich jetzt die Antwort aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer auf Bredemeyers Frage: „Lässt sich auf den bestehenden wichtigen Radwegverbindungen durch den Auwald und am Elsterflutbett ein Asphaltband für komfortables Radfahren verlegen?“

Den Tonfall erkennt man sofort wieder. Man kann ihn nicht anders interpretieren, als eine völlige Verweigerung, die Erkenntnisse von ADFC und SMWA überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Im Gegenteil: Man stellt die Argumentation völlig auf den Kopf und begründet die Ablehnung von Asphaltradwegen ausgerechnet mit dem Naturschutz: „Der Leipziger Auwald ist ein sensibler Naturraum und steht unter einem besonderen Schutzregime aufgrund der Ausweisung als FFH-Schutzgebiet ‚Leipziger Auensystem‘, LSG ‚Leipziger Auwald‘ sowie SPA-Vogelschutzgebiet ‚Leipziger Auwald‘“, erklärt das antwortende Amt etwas Selbstverständliches.

Meint dann aber: „Die Asphaltierung von Waldwegen erfordert deshalb eine Verträglichkeitsprüfung aufgrund der Erhaltungsziele und des in der Schutzgebietsverordnung verankerten Schutzzweckes. Eine Ausnahme ist dabei nur aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich sozialer oder wirtschaftlicher Art möglich und nur insofern zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgte Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind (vgl. § 34 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz). In diesem Sinne bzw. aufgrund dieser gesetzlichen Anforderungen wird die Asphaltierung im gewünschten Umfang von vielen Kilometern durch den Auwald nicht genehmigungsfähig sein, sondern bedarf vielmehr einer Einzelfallbetrachtung, die den dargestellten rechtlichen Regelungen Rechnung tragen muss.“

Genau dieses überwiegende gesellschaftliche Interesse aber ist gegeben. Die Hauptrouten durch den Auwald sind auch Hauptrouten im Radnetz der Stadt (das der Stadtrat beschlossen hat!) und stark befahrene Zubringer zum Beispiel zum Cospudener See.

Warum die Stadt dieses öffentliche Interesse nicht zu finden vermag, ist durchaus erstaunlich. Als wäre da zwischen der Welt der Radfahrer und der der Leipziger Waldbewirtschafter eine undurchdringliche Mauer: als wären die Radfahrer auf all den stark befahrenen Wegen gar nicht da. Nur eine Fata Morgana, die immer dann verfliegt, wenn der Wegeverantwortliche sich mal wieder in den Auwald verirrt.

Irgendwann vorm Jahr 2005 …

Nun will man einzelne kurze Wegeabschnitte prüfen – also ausgerechnet das Gegenteil von dem tun, was das SMWA im Jahr 2005 empfohlen hat: „Daher verfolgt die Stadtverwaltung aktuell das Ziel, einzelne Strecken zu identifizieren, die gleichzeitig der Entlastung sensibler Naturräume dienen und unter umfassender Berücksichtigung der Belange von Natur und Landschaft als Hauptrouten entwickelt werden können. Inwieweit diese Abschnitte dann als öffentlich gewidmete Wege das überwiegende öffentliche Interesse abbilden, das als Ausnahme eine Asphaltierung rechtfertigt, müsste aber auch dann die dargestellte Verträglichkeitsprüfung im Ergebnis zeigen.“

Da dürfte sich nicht nur Johannes Bredemeyer gehörig auf den Arm genommen fühlen. Denn ausgerechnet die Wege, die ganz unübersehbar stark befahrene Radrouten durch den Auwald sind, will die Stadtverwaltung ja nicht asphaltieren, sondern kippt bergeweise Schlämmsand in den Wald.

Und so kommt das Amt für Stadtgrün und Gewässer schon mal vorauseilend zur Feststellung: „Eine umfassende Asphaltierung wird damit nicht möglich sein und ist auch nicht nur im Sinne des Schutzes der Biotop- und Lebensraumfunktion abzulehnen, sondern wird auch im Sinne der Erholungsfunktion für ruhige Erholung und Naturerfahrung der Stadtwälder als nicht sinnvoll und zielführend bewertet.“

Man hat noch nicht mal geprüft, ist sich aber schon sicher, dass das Asphaltieren „nicht zielführend“ ist? Was ja eigentlich nur heißt: Das hier antwortende Amt hat ganz unübersehbar noch nicht einmal das Jahr 2005 erreicht.

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Es gibt 4 Kommentare

Dieses ständige Gedrängel nach Asphaltautobahnen im Wald macht es nicht sinnvoller.

Wo bitte ist ein Nachweis für die Zahl der jeweiligen Radler auf entsprechenden Wegen, die so etwas rechtfertigt? Etwa die Strava Heatmap? Hat der werte ADFC dort mal repräsentativ gezählt?
Oder war es doch nur der subjektive Eindruck an einem schönen Sonntagmittag im Sommer?

Ich kenne mich recht gut aus im Wald. Weder Küchenholzallee noch Linie sind für den Radverkehr von großer Bedeutung, behaupte ich (genauso subjektiv).
Küchenholzallee lässt sich asphaltiert durch den Volkspark umfahren, kein Problem. Neue Linie braucht man selten, dafür gibt es die Linie an den Tennisplätzen. Hinten zum Wolfswinkel, ok, da ist mehr Verkehr.
Der meiste Pendelverkehr findet entlang des Elsterflutbetts und quer durch die Nonne statt. Dort gibt es mal richtig üble Schlammlöcher, die ich seinerzeit auf dem Weg in die Innenstadt zweimmal täglich queren musste (man kann dann aber die Brucknerallee nehmen, klar).

Das Gejammer wegen “rollt schlecht” und “nicht nachhaltig” kann ich nicht verstehen. Wer fährt denn da mit Rennrad? Das ist doch vernachlässigbar. Wie bereits mal geschrieben, Asphaltwege die nach zehn Jahren aufplatzen sind erheblich schlechter zu befahren als eine leicht wellige Brechsandoberfläche.

Ich will keine Radrouten im Auwald, weder asphaltiert noch geschlämmt. Diese Hauptradrouten sollen woanders verlaufen.

Das Radverkehrsaufkommen im Auwald ist in dieser Höhe schlicht absurd.

Die Radpolitiker argumentieren heute mit denselben Sprüchen wie die Freiefahrtbürger in den 1950ern für ihre autogerechte Stadt.

Nehmt doch endlich den Autofahrern einen Straßenzug östlich des Auwalds weg – einfach so! Die Fossilfahrer kommen auch anders zum Cossi (wenn sowieso nicht gleich nach Zöbigker zum Hummerschlemmen…)

Nur handelt es sich hierbei gar nicht um einen Radweg, sondern um einen Wald- und Forstweg, welcher zufällig eine Hauptradroute darstellt. Die Stadt versucht zwar mit halbgaren Argumenten eine Asphaltierung abzuwenden, ignoriert aber die eigene mangelhafte Abwägung der Auswirkungen ihres Schotterbandes, welches breiter gestaltet werden muss und deutlich mehr Fremdmaterial ins anschließende Gehölz einträgt.

Wie alle Bauvorhaben in Naturschutz- bzw. in der FFH-Gebieten unterliegt auch ein Radweg in seinem Aufbau der Abwägung hinsichtlich Vermeidung naturschutzrechtlicher Eingriffe. Glücklicherweise gibt es hier wie auch beim sonstigen Straßenbau keiner umweltpolitische Bevorzugung. Dann müssten erst Europäische Bundes – und Landesgesetze geändert werden., was auch der ADFC weiß.

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