Auch wenn es beim Abspulen der Tagesordnung bei Ratssitzungen manchmal sehr schnell geht, ist dennoch jeder Tagesordnungspunkt wichtig. Und manchmal gibt es dann eben doch keine einhellige Zustimmung zu einem Vorgang, der den Kern unserer Demokratie berรผhrt. Und das brachte sogar CDU-Stadtrat Michael Weickert zu einer Rede, die zu den kleinen Kostbarkeiten im Leipziger Stadtrat gehรถrt.

Der Vorgang selbst war eigentlich ganz simpel: Im Stadtbezirksbeirat Leipzig-Altwest sollte der bisherige Vertreter der AfD Lars Mannel abberufen und durch das Mitglied des Leipziger AfD-Vorstands Kai Gรผnther ersetzt werden.Ein Vorgang, der fรผr gewรถhnlich ohne groรŸe Diskussion durch den Stadtrat geht, denn aus diversen Grรผnden kรถnnen gewรคhlte Stadtbezirksbeiratsmitglieder auch mal mitten in der Wahlperiode ausfallen. Dann hat die Partei, die sie bisher in den Beirat entsandte, das Recht, einen Nachrรผcker zu bestimmen. Und fรผr gewรถhnlich gibt es dann auch keine grรถรŸere Diskussion.

Doch im Fall Kai Gรผnther war es diesmal anders. Denn in sozialen Netzwerken war er immer wieder mit ร„uรŸerungen aufgefallen, die unsere demokratische Grundordnung infrage stellen. Michael Weickert zitierte einige dieser ร„uรŸerungen in seiner Rede. Und er betonte auch, dass die Ratsversammlung auch dann, wenn sie รผber Berufungen in die Beirรคte oft gar nicht diskutiert, trotzdem eine Verantwortung habe fรผr die Besetzung der Gremien.

Und Personen, die die Bundesrepublik und ihre Rechtssprechung derart verachten, wie es sichtlich Kai Gรผnther in seinen Kommentaren in sozialen Netzwerken tut, haben, so Weickert, auch nichts in den Beirรคten zu suchen.

Zuvor hatte die Ratsversammlung mit deutlicher Mehrheit gegen die Stimmen der AfD-Fraktion die Berufung Kai Gรผnthers abgelehnt.

Und Michael Weickert wurde auch auf eine Weise deutlich, wie man es auch von der CDU im Stadtrat eher noch nicht kennt. Aber der Auftritt von selbst ernannten Impfgegnern vor dem Wohnhaus von Staatsministerin Petra Kรถpping in Grimma und die Mordandrohungen in Telegram-Kanรคlen gegen Ministerprรคsident Michael Kretschmer haben auch ihm gezeigt, dass das Sรคen von Hass und Falschnachrichten in Sachsen bittere Frรผchte trรคgt.

Und daran sei die AfD nicht unschuldig, betonte Weickert. Sie habe schon mehrfach die Gelegenheit genutzt, auf solche demokratiefeindlichen Bewegungen aufzuspringen und den demokratisch verfassten Staat in Misskredit zu bringen. Und mit ihrer Stimmungsmache in der Corona-Pandemie sei auch die AfD mitschuldig an tausenden Toten.

Was danach AfD-Stadtrat Sebastian Kriegel so nicht stehen lassen wollte. Die Verantwortung โ€žfรผr die Impfpolarisierungโ€œ an die AfD delegieren so wollen, sei falsch, meinte er, widerlegte sich aber postwendend selbst, indem er Michael Kretschmer der Lรผge bezichtigte, weil der zu einem frรผheren Zeitpunkt gesagt hatte, eine Impfpflicht werde es nicht geben.

Dass Michael Kretschmer die Fรคhigkeit hat, in einer sich zuspitzenden Pandemie auch alte Positionen zu revidieren, ist aber gerade ein Zeugnis dafรผr, dass er sein Amt tatsรคchlich ernst nimmt. Wรคhrend AfD-Mandatstrรคger nach wie vor gegen das Impfen und die Impfpflicht polemisieren. Das sieht dann zwar aus, als wรผrden sie ihre Meinung mutig beibehalten. Aber tatsรคchlich erzรคhlt es von der Unfรคhigkeit, zu lernen und tatsรคchlich Verantwortung fรผr die Allgemeinheit zu รผbernehmen.

Und eigentlich war es ein Nebensatz, der noch deutlicher machte, dass Kriegel nicht einmal wusste, was er da redete. Denn er tat so, als wรผsste die Leipziger AfD-Spitze รผberhaupt nicht, was ihr Vorstandsmitglied Kai Gรผnther da in den sozialen Netzwerken von sich gegeben hatte. Das werde man erst einmal prรผfen.

Da darf man schon fragen: Kennt die AfD Leipzig ihre Kandidaten und ihre Vorstellungen von Demokratie tatsรคchlich nicht oder tut sie nur so?

Und spielt dann hinterher wieder das unglรผckliche Opfer, weil man wieder mal nicht gewusst haben will, was der eigene Kandidat da รถffentlich geรคuรŸert hatte? Ahnungslosigkeit als Grundhaltung? Nicht ganz. Denn eine Drohung unterlieรŸ Kriegel dann auch wieder nicht, als er andeutete, die Stadtratsmehrheit hรคtte jetzt ein Spiel erรถffnet, das die AfD gar nicht vorgehabt hรคtte zu spielen.

Das klang nur oberflรคchlich wie eine simple Feststellung.

Die Debatte vom 8. Dezember 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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