Die Mietwucher-App der Linkspartei hat in Leipzig Wirkung gezeigt. Denn dadurch bekam Leipzigs Sozialverwaltung überhaupt erst einmal handfeste Hinweise auf den in der Stadt feststellbaren Mietwucher. Die meisten Vermieter bewegen sich im gesetzlichen Rahmen. Doch einige versuchen, das Vermieten zur Gelddruckmaschine zu machen.
„Bis zum 29.10.2025 wurden 424 Meldungen über das Online-Meldeformular der Stadt Leipzig erfasst“, teilte das Sozialamt der Stadt auf eine Anfrage der Linksfraktion hin mit, die am 26. November im Stadtrat zum Aufruf kam.
„Vor knapp einem Jahr hat Die Linke im Bundestag die Mietwucher-App gestartet, mit der Haushalte ganz einfach prüfen können, ob ihre Miete nach den geltenden gesetzlichen Regelungen zu hoch ist. Wird die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 % überschritten, handelt es sich vermutlich um eine unzulässige Mietpreisüberhöhung.
Dies stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit Bußgeldern belangt werden. Bei einer Überschreitung des Mietspiegels um mehr als 50 % liegt sogar ein Verdacht auf eine Straftat (Mietwucher) nach § 291 StGB vor. Bis Ende Juli wurden in Leipzig 1.130 solcher Verdachtsfälle über die App registriert“, formulierte die Linksfraktion ihr Anliegen in der Anfrage.
„Viele Städte haben seitdem begonnen, die Fälle systematisch zu erfassen und zu prüfen. Zuletzt wurde in Berlin ein Bußgeld von 26.000 Euro erlassen, nachdem eine Vermieterin jahrelang eine Miete kassiert hatte, die 190 % über dem Mietspiegel liegt.
Auch in Leipzig hat die Stadtverwaltung ein Verfahren aufgesetzt und ein eigenes Meldeformular auf der Homepage eingerichtet. Im Mai wurde diesbezüglich im Stadtrat der Antrag VIII-A-00603-NF-05 von den Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und SPD beschlossen. Inzwischen ist ein halbes Jahr vergangen, seitdem im Amt für soziale Wohnhilfen eine Stelle für die Bearbeitung der Verdachtsfälle eingerichtet wurde.“
Eine einzige Vollzeitstelle
Das Problem dabei ist nur: Um Mietwucher tatsächlich gerichtsfest nachweisen zu können, muss die Stadt akribisch kontrollieren und protokollieren. Aber das muss sie mit eigenem Personal leisten. Und das in einer klammen Haushaltssituation.
Weshalb es im Sozialamt tatsächlich nur eine Sachbearbeiterin gibt, die sich um diese ganzen Fälle kümmern muss, bestätigte am 26. November Sozialbürgermeisterin Martina Münch. Und das sei natürlich viel zu wenig.
Außerdem dürften die Wohnungsbesuche, wo dann auch jeder Wohnraum genau vermessen werden muss, nur zu zweit absolviert werden. Die Schwierigkeit, das in der akut knappen Personalsituation darzustellen, ist unübersehbar.

Was natürlich für Linke-Stadträtin Juliane Nagel die Frage nach sich zog, wie die Stadt dann den Berg der vorliegenden Fälle abarbeite. Wie das gehen soll, wenn jeder einzelne Fall einen Arbeitsaufwand von 18 Stunden bedeutet.
Aber da konnte ihr Martina Münch auch keine Versprechungen machen. Immerhin habe die Stadt nun genug Hinweise, um tätig werden zu können. Und das werde man auch Schritt für Schritt tun.
Wobei Oberbürgermeister Burkhard Jung auch daran erinnerte, dass Leipzig derzeit neben Frankfurt die einzige Stadt in Deutschland sei, die Mietwucher inzwischen systematisch verfolge. Wohl wissend, dass es ein langwieriger Prozess ist und viele Fälle am Ende wohl erst vor Gericht geklärt werden.
Weshalb Grünen-Stadtrat Dr. Tobias Peter nachfragte, ob das Ganze nicht zu vereinfachend sei. Denn viele Mietwucher-Fälle seien doch offensichtlich. Da könne die Stadt doch schneller handeln. Aber wie das so ist mit deutschen Gesetzen: Bei Mietwucher geht es um ein strafrechtlich bewehrtes Thema, wie Dr. Martina Münch betonte. Der Verstoß gegen die Rechtslage müsste für Staatsanwalt und Gericht hieb- und stichfest nachgewiesen werden. Man könne an dem Verfahren also nicht wirklich etwas vereinfachen.
123 Fälle zumindest geprüft
Aktueller Stand, so die Antwort aus dem Sozialamt: „Bei 123 Meldungen wurde eine Vorprüfung durchgeführt. In 27 Fällen wurde eine Mietpreisüberhöhung von mehr als 50 % festgestellt. Die abschließende Beurteilung erfolgt nach der Vor-Ort-Besichtigung und der Beweisaufnahme. Bisher wurden 20 Vor-Ort-Besichtigungen mit Zeugenvernehmungen durchgeführt. Davon liegt aktuell in 10 Fällen eine Mietpreisüberhöhung von mehr als 50 % vor.“
Und: „Bislang wurde ein Fall der Bußgeldbehörde übergeben. Da es sich hierbei um einen Fall handelt, der den Straftatbestand erfüllt, erfolgt im nächsten Schritt die Weitergabe an die Staatsanwaltschaft.“
Es ist ein mühsames Geschäft. Und auch OBM Burkhard Jung stimmte zu, dass es dringend eine neue Gesetzgebung brauche. Denn so schwer, wie es Kommunen per Gesetz gemacht wird, Mietwucher zu verfolgen, ist das Instrument für Kommunen – gerade wenn diese selbst finanziell klamm sind – auch nur schwer anwendbar.
Oder eben mit viel zu geringem Personalaufwand, sodass sich selbst die Abarbeitung der bekannt gewordenen Fälle über Monate, wenn nicht Jahre hinziehen kann.
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