Nicht nur die Grünen-Fraktion war zutiefst unzufrieden mit der Antwort, die sie auf ihre Anfrage zur Zukunft des „Netz kleiner Werkstätten“ von der Stadt bekommen hat. Nach 20 Jahren wurde das Angebot des BBW Leipzig, das dieses Projekt zur Zufriedenheit der Stadt betreute, abgelehnt. Nicht mal im Jobcenter-Beirat gab es dazu Antworten.

Dabei ist das Jobcenter-Leipzig eine gemeinsame Einrichtung der Arbeitsagentur und der Stadt Leipzig. Im Beirat sitzen auch Leipziger Stadträte. Da geht man eigentlich davon aus, dass die Stadt auch Einfluss auf die Entscheidungen des Jobcenters hat.

Aber das scheint nicht der Fall zu sein, wie die Grünen erfuhren, nachdem die Fortführung der Finanzierung des „Netz kleiner Werkstätten“ unter Trägerschaft des BBW zum 2. Mai 2022 nicht mehr möglich sein soll.

Hat das einfach jemand in Bayern entschieden?

Die Antwort des Dezernats Umwelt, Klima, Ordnung und Sport klang dann schon entsprechend ausweichend:

„Es erfolgt keine explizite Förderung des ‚Netz kleiner Werkstätten‘ durch das Jobcenter Leipzig bzw. das Regionale Einkaufszentrum Bayern (mit Zuständigkeit Sachsen). Vielmehr wurde wie bereits in den Jahren zuvor eine offene Ausschreibung für eine ‚Aktivierungshilfe für Jüngere‘ als reine Arbeitsmarktdienstleistung für 40 Plätze beauftragt, auf die sich bundesweit jeder Träger, der bestimmte Zulassungskriterien erfüllt, durch die Abgabe eines Angebotes bewerben konnte.“

„Die Angebote bestanden aus einem inhaltlichen Konzept sowie einem Preisangebot. Im Ergebnis des Vergabefahrens und der vorgenommenen Wertung aller eingegangenen Angebote wurde der Zuschlag dem BBW nicht erteilt. Allerdings kann noch keine abschließende Aussage zum Ausgang getroffen werden, da es sich um ein anhängiges Verfahren handelt.“

Nur gerüchteweise drang nach außen, dass der Zuschlag wohl an einen preiswerteren Anbieter ging, der nicht so hohe Gehälter zahlt. Zumindest stand das in der kurzen Diskussion am 14. April im Stadtrat im Raum. Ein Punkt, an dem auch die Linke stutzig wurde, denn wenn das Angebot des BBW nur deshalb nicht genommen wurde, weil dort nach Tarif bezahlt wird, wirft das ein ganz seltsames Licht auf das Jobcenter.

Und wie Linke-Stadtrat Sören Pellmann betonte, habe man den Fall im Beirat des Jobcenters angesprochen, dort von der Jobcenter-Geschäftsleitung aber schlicht keine Antwort bekommen. Eine Auskunft, die auch OBM Burkhard Jung durchaus verwunderte. „Das höre ich zum ersten Mal.“

Martin Biederstedt (Grüne). Foto: Videostream der Stadt Leipzig. Screenshot: LZ

Vollendete Tatsachen zum 2. Mai?

Was dann auch die Verblüffung von Martin Biederstedt (Grüne) bestätigt, der ja thematisierte, dass das schnelle Ende des „Netz kleiner Werkstätten“ schon am 2. Mai eigentlich seltsam ist. Von einer langfristigen Arbeit im Jobcenter zeugt das nicht gerade, wohl eher davon, dass da in Bayern jemand ohne Kenntnis der Leipziger Lage vor Ort entscheidet, einfach nach dem billigsten Preis.

Das „Netz kleiner Werkstätten“ ist dabei nur eines der Integrationsprojekte des Jobcenters Leipzig. Und gerade weil es so praxisnah ist, wurde es bis jetzt von der Stadt Leipzig auch besonders gefördert:

„Die Gesamtfinanzierung des Jugendberufshilfeangebots ‚Netz kleiner Werkstätten‘ des BBW übernehmen bisher die Stadt Leipzig, das Jobcenter Leipzig, der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig und das Diakonische Amt. Etwa 16 % des Gesamtaufwandes finanziert das BBW aus eigenen Mitteln (50 % Produktionserlöse, 50 % Spenden und Bußgelder)“, gab das Ordnungsdezernat Auskunft.

„Das Projekt bietet im Durchschnitt monatlich 56 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – ausbildungs- und arbeitslosen jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren – die Möglichkeit, unter fachlicher Anleitung und sozialpädagogischer Betreuung einer arbeitsweltbezogenen und qualifizierenden Beschäftigung nachzugehen. Die 40 Plätze, die über das Jobcenter Leipzig bzw. das Regionale Einkaufszentrum Bayern gefördert werden, kann das ‚Netz kleiner Werkstätten‘ ohne die entsprechende Finanzierung nicht mehr bereitstellen. Mit der verbleibenden Förderung ist es ihm nur möglich, 16 Teilnehmerplätze zu garantieren, die nicht über das Jobcenter zugewiesen werden müssen.“

Dass die Entscheidung reineweg nach Sparsamkeitsgründen gefallen ist, macht der Hinweis deutlich: „Die 40 Teilnehmerplätze gehen jedoch nicht verloren, sondern finden sich stattdessen bei dem Träger wieder, der diesmal den Zuschlag bei der eingangs dargestellten Ausschreibung erhalten hat. Geplanter Start der damit verbundenen Maßnahme ist der 02.05.2022.“

Nur hat das dann mit dem „Netz kleiner Werkstätten“ nichts mehr zu tun.

Weshalb sich auch die Nachfrage von Martin Biederstedt (Grüne) erübrigte, ob das Angebot mit städtischer Förderung erhalten bleiben könnte.

Auch ein wichtiges Präventionsprojekt

Dass das Angebot für die Stadt eine wichtige Rolle spielt, betonte das Ordnungsdezernat auch: „Die Stadtverwaltung Leipzig blickt auf eine langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem ‚Netz kleiner Werkstätten‘ zurück. Über das genuine Aufgabenspektrum des Jugendberufshilfeangebots hinaus engagierten sich die Vertreterinnen und Vertreter des ‚Netz kleiner Werkstätten‘ im Bereich der Prävention auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene.“

„Sie beteiligten sich aktiv beispielsweise an den Sicherheitskonferenzen des Kommunalen Präventionsrates Leipzig oder den Veranstaltungen des Deutschen Präventionstages. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer arbeitet mit dem ‚Netz kleiner Werkstätten‘ im Rahmen zweier Projekte in zentralen Parkanlagen (Pflege Rasenlabyrinthwege am Hain der Jahresbäume im Volkspark Kleinzschocher und Heckenpflege an den Sitzecken im ehemaligen Blindenpark im Rosental) zusammen.“

Daher sei „die Verwaltung bestrebt, die langanhaltende, partnerschaftliche Kooperation mit dem ‚Netz kleiner Werkstätten‘ fortzuführen. Obgleich personelle und trägerseitige Kontinuität als sehr wichtig eingeschätzt wird, ist jedoch festzustellen, dass keine Gewähr dafür besteht, dass Angebote dauerhaft und über mehrere Jahre hinweg in gleicher Weise gefördert werden. Entscheidend ist vor allem, dass Maßnahmen und Projekte an sich – ggf. durch einen anderen Anbieter – fortgeführt werden können.“

Ob das dann aber noch beinhaltet, was das „Netz kleiner Werkstätten“ geboten hat, ist völlig offen.

Leipzig würde gern weiterfördern

Klar ist nur, dass das BBW Unterstützung für eine Weiterführung des Projekts durch die Stadt bekommen könnte: „Die Stadt Leipzig wird – unter der Voraussetzung, dass der Träger entsprechende Zuwendungsanträge stellt und der Stadtrat bzw. der jeweils zuständige Ausschuss seine Zustimmung erteilt – das Projekt unabhängig vom Jobcenter weiterhin im bisherigen Umfang fördern. Die verlässliche Kooperation mit den ggf. verbliebenen Partnern wird fortgesetzt und das BBW im Rahmen der Möglichkeiten bei der Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten unterstützt.“

Das „Netz kleiner Werkstätten“ hat wieder einen eigenen Beirat, der justament auch am 2. Mai tagt. Da sollen dann die Mitglieder des Beirates über konkrete Konsequenzen des drohenden Finanzierungsausfalls informiert werden. Zu den ständigen Mitgliedern des Beirates des „Netz kleiner Werkstätten“ zählen seitens der Stadtverwaltung Vertreterinnen und Vertreter des Amtes für Jugend und Familie, Ordnungsamtes, Amtes für Stadtgrün und Gewässer sowie des Kommunalen Präventionsrates Leipzig.

Ob das freilich Sinn ergibt, wenn das Jobcenter die Maßnahme nicht ins eigene Portfolio aufnimmt, steht in den Sternen. Auch Jugendbürgermeisterin Vicky Felthaus findet das, was da passiert, aus Sicht der Stadt „sehr schwierig“.

Die Debatte vom 14. April 2022 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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