Umdenken fällt schwer. Da müssen Prozesse verändert werden, müssen Planer auf Dinge achten, die sie jahrzehntelang überhaupt nicht interessiert haben – Büsche, Baumgruppen und kleine Biotope zum Beispiel auf Brachen, die sich mit der wachsenden Stadt wieder in Bauland verwandelt haben. Früher wurde hier vor Baubeginn immer erst alles plattgemacht. Aber das geht in Zeiten massiver Artenverluste nicht mehr, hatte die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat moniert.

„Leipzig ist eine wachsende Stadt. Sie ist beliebt bei Studierenden, Künstlerinnen und Künstlern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Einheimischen und auch bei großen und kleinen Unternehmen. Um den Bedarf an neuen Schulen, Kitas, Krankenhäuser, Wohnungen und Gewerbe zu decken, muss gebaut werden. Freie Baulücken sind dadurch zu Raritäten geworden.“

„Private Investorinnen und Investoren spekulieren mit Grundstücken und Gebäuden, und in der Hoffnung auf satte Profite wird in einem Eiltempo modernisiert und saniert“, beschrieb die Linksfraktion das Problem in ihrem Antrag, in dem sie bei allen städtischen Bauvorhaben den Planungsansatz „Animal Aided Design“ forderte.

In der Überschrift des Antrags ganz kinderfreundlich ein „Zuhause für Biene Maja und Karl den Käfer“ genannt.

Denn: „Während Leipzig wächst, schrumpfen jedoch die natürlichen Rückzugsräume für Wildtierarten. Viele Insektenarten ernähren sich von den Blütenvorkommen auf Brachflächen. Gebäudebrütende Vögel ziehen ihren Nachwuchs in den Spalten und Rissen unsanierter Gebäude auf. Um Lebensräume in der Stadt zu erhalten und zu schaffen, ohne Modernisierung und Sanierungen oder Neubau grundsätzlich zu verhindern, wurde die Planungsmethode Animal Aided Design (AAD) entwickelt. Sie sieht vor, dass die Habitatansprüche der vorkommenden Wildtierarten ermittelt und in die Planung integriert werden“, heißt es im Antrag der Linksfraktion.

Und das wäre ja nun im Beschluss des Bebauungsplans für die Parkstadt Dösen längst diskutiert worden.

Parkstadt Dösen als Vorbild

„Für verschiedene Arten wie dem Grünspecht, die dunkelfransige Hosenbiene und dem Wiesenknopf-Bläuling wurden eigene Steckbriefe erarbeitet und Elemente für die Befriedigung ihrer Ansprüche entwickelt. Dieses Artenschutzkonzept wurde anschließend im städtebaulichen Vertrag festgehalten und vom Stadtrat beschlossen“, so die Linksfraktion.

„Die Hosenbiene findet nun Nahrung bei extra angesäten Acker-Gänsedisteln und baut ihr Nest in einem mindestens 60 cm tiefen Lehmsandbereich mit Totholzauflage.“

Doch die Hoffnung der Linksfraktion, dass der Beschluss des B-Plans Parkstadt Dösen in Leipzig zum Standard werden würde, habe sich leider nicht erfüllt.

„Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir dem jetzt Rechnung tragen. Bei allen städtischen Baumaßnahmen, auch denen der LWB, sollen die vorkommenden Wildtierarten mitgedacht und die Gebäude so errichtet werden, dass sie ein Zuhause finden. Außerdem soll das AAD in der Erarbeitung von B-Plänen berücksichtigt und mit dem städtebaulichen Vertrag beschlossen werden.“

Das Stadtplanungsamt hat zum Antrag der Linksfraktion jetzt Stellung bezogen. Es stimmt dem Anliegen prinzipiell zu, formuliert aber eine der Kernaussagen lieber etwas offener:

„Bei städtebaulichen Planungen, soweit diese unmittelbare Auswirkungen auf dort vorhandene Tierarten haben können, werden die Habitatansprüche der möglicherweise betroffenen Tierarten auf geeignete Art und Weise berücksichtigt. Entsprechende Maßnahmen werden, soweit geeignet, in Städtebaulichen Verträgen verankert.“

Vorbild Wilhelm-Leuschner-Platz?

Und da wird es spannend. Denn gleichzeitig meint das Stadtplanungsamt: „Bei der Entwicklung der Parkstadt Dösen und aktuell beim Bebauungsplanverfahren Nr. 392 Wilhelm-Leuschner-Platz fand der Planungsansatz im Rahmen von gesondert beauftragten Gutachten (Artenschutzvielfaltskonzept) bereits Berücksichtigung.“

Doch gerade beim Wilhelm-Leuschner-Platz gibt es bis heute massive Kritik, dass es für die dort zur Beseitigung vorgesehenen Habitate im näheren Umfeld keine Ausweichmöglichkeit gibt, der Artenschutz in den Planungen also nicht wirklich umgesetzt wird.

Denn nicht grundlos verwies ja die Linksfraktion auf das konkrete Baufeld, auf dem die Baumaßnahme stattfindet. Dort müsste in erster Linie Artenschutz praktiziert und in den Bebauungsplänen verankert sein.

Dass das Stadtplanungsamt den eigentlichen Kern des Linke-Antrags aufweicht, dürfte in der Stadtratsdiskussion ganz bestimmt noch thematisiert werden.

Denn konkret hatte diese beantragt: „Der Planungsansatz Animal Aided Design wird bei der Erarbeitung von Bebauungsplänen berücksichtigt. Entsprechende Maßnahmen sind im städtebaulichen Vertrag zu verankern.“

Also zwingend Animal Aided Design bei jedem städtischen Bauvorhaben.

Nicht alles, was fachlich wünschenswert ist …

Aber hier versucht das Stadtplanungsamt wieder Interpretationsspielraum einzubauen, der genau das wieder den Auslegungen der jeweiligen Ämter überlässt:

„Dass die Habitatansprüche der Tierarten ‚auf geeignete Art und Weise berücksichtigt‘ werden sollen, soll deutlich machen, dass eine geeignete fachlich-inhaltliche Befassung einerseits mit den Habitatansprüchen und andererseits mit den daran angepassten Maßnahmen und ihrer Sinnhaftigkeit erfolgen muss. Zudem umfasst die Berücksichtigung auch die (ggf. rechtliche und/oder vertragliche) Verankerung der Maßnahmen. Auch dies muss auf geeignete Art und Weise erfolgen, wenn die Verankerung wirksam und rechtssicher sein soll.“

„Hinsichtlich der denkbaren Verankerung bestimmter Maßnahmen in Bebauungsplänen ist hier klarzustellen, dass auch die Möglichkeiten der Verankerung solcher Maßnahmen mittels Festsetzung des Bebauungsplanes durch die der zugrundeliegenden bauplanungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage (§ 9 BauGB) beschränkt ist. Nicht alles, was aus fachlicher Sicht wünschenswert ist, ist im Bebauungsplan festsetzbar.“

Womit das Stadtplanungsamt so ganz beiläufig auf eine Baugesetzgebung verweist, die jahrzehntelang nicht die Bohne Rücksicht auf vorhandene Biotope und Tierarten auf dem Grundstück Rücksicht nahm.

Nur hat die Linke das Animal Aided Design ganz konkret für städtische Bauvorhaben gefordert und private Vorhaben vorerst ausgeklammert. Da ist es schon seltsam, wenn ein Amt schon von vornherein ein Schlupfloch einbaut und geradezu bedauernd feststellt: „Nicht alles, was aus fachlicher Sicht wünschenswert ist, ist im Bebauungsplan festsetzbar.“

Der Antrag der Linksfraktion enthält ein ganz deutliches „Doch!“

In Zeiten des massiven Artenverlustes und der schwindenden biologischen Vielfalt sollte man dieses „Doch!“ vielleicht doch einmal ernst nehmen.

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