Wie oft hat sich die Ratsversammlung in den vergangenen Jahren über den Wirtschaftsverkehr in der Stadt gestritten. Manche taten so, als wäre das ganz allein ihre Domäne und warfen den anderen einfach Behinderung vor. Inzwischen hat das längst zu einem Runden Tisch Wirtschaftsverkehr geführt, an dem auch die Kammern sitzen. Aber die Konzepte fehlen immernoch. Also gingen diesmal die Grünen in die Offensive. Mit einer erwartbar bissigen Debatte.

Sie hatten einfach etwas gemacht, was sicher auch andere Fraktionen hätten tun können – sich mit den beiden Leipziger Kammern zusammengesetzt und aufgeschrieben, wie man das Parkplatzproblem für den Wirtschaftsverkehr in Leipzig eigentlich anpacken könnte.

Es ist ja nicht so, dass die Kammern nicht wissen, welche Probleme ihre Mitglieder haben, wenn es um Lieferzonen für Geschäfte geht, um Parkplätze für die Pflegedienste, die im ganze Stadtgebiet unterwegs sind, um kurzfristig einzurichtende Handwerkerparkplätze usw.

Die meisten Straßen sind rechts und links zugeparkt. Selbst da, wo längst schon Lieferzonen ausgewiesen sind. Es gibt genug Pkw-Besitzer, denen ist der Wirtschaftsverkehr in der Stadt völlig egal. Zwangsläufig müssen Lieferfahrzeuge dann meist in zweiter Reihe „parken“ – und behindern damit logischerweise den Verkehr.

Die Vorschläge der Grünen waren detailliert. Aber zur Abstimmung stellte Grünen-Stadträtin Kristina Weyh dann doch lieber den Verwaltungsstandpunkt, der seinerseits wieder nach einigem Kopfzerbrechen im Verkehrs- und Tiefbauamt entstand. Denn eigentlich hat das Verkehrsdezernat seit dem Beschluss zur nachhaltigen Mobilitätsstrategie auch den Auftrag, ein Konzept für den Ruhenden Verkehr vorzulegen.

Der Ursprungsantrag der Grünen zum Wirtschaftsverkehr.

Ein Punkt, an dem FDP-Stadtrat Sven Morlock wieder sehr vehement wurde, denn dieses Konzept war vom Stadtrat schon für 2021 zur Vorlage beschlossen worden.

Ohne Planer bekommt man keine tollen Konzepte

Diesmal ließ Baubürgermeister Thomas Dienberg den Vorwurf aber nicht so in der Luft hängen, sondern ging auf das Jahr seines Dienstantrittes 2020 ein und die Tatsache, dass schon damals ein Berg von Aufträgen des Stadtrates auf dem Tisch des Dezernats lag, der mit den beschlossenen Fertigstellungsterminen einfach nicht abzuarbeiten war.

Den Grund hatte Dienberg ja jüngst schon deutlich gemacht – es fehlte damals und fehlt bis heute an den nötigen Planern und Planerinnen, die die Konzepte auch schreiben können. Fast 30 Stellen sind in Dienbergs Dezernat bis heute nicht besetzt. Der Fachkräftemarkt ist wie leergefegt.

Trotzdem kommen die Konzepte. Mit erheblicher Verspätung, was Dienberg selbst ärgert. Denn erst, wenn die Konzepte vorliegen, kann endlich auch umgesetzt werden.

Beim Ruhenden Verkehr steckt ja auch die ganze Parkordnung für Leipzigs Innenstadtquartiere mit drin. Eine bessere Parkordnung schafft auch mehr Platz für Stellplätze für den Wirtschaftsverkehr.

Wobei die Arbeit trotzdem nicht ganz ruht: In nächster Zeit verspricht Dienberg die Einrichtung mehrerer neuer Anlieferzonen. In der Vorlage der Stadt heißt es dazu: „Bis zur Verabschiedung des Langfristkonzeptes für den Ruhenden Verkehr werden kurzfristig zusätzliche Lieferzonen eingerichtet. Über mögliche Standorte und Schwerpunkte sowie über die Gestaltung der Standards der Beschilderungen und Bodenmarkierungen wird sich die Stadt u. a. mit den Kammern austauschen.“

Der Verwaltungsstandpunkt zum Wirtschaftsverkehr.

Die Lösung, die im Grünen-Vorschlag oft mit anklingt, dann möglicherweise Lieferparkplätze in der nächsten Nebenstraße einzurichten, funktioniert eben oft nicht. Meist müssen die Lieferfahrzeuge schon technisch bedingt direkt vor den Geschäften parken.

Kein Mitspracherecht des Stadtrats bei Verkehrsanordnungen

Die Freibeuter hatten noch einen Änderungsantrag geschrieben:

„Bis zur Beschlussfassung über das Langfristkonzept ‚Ruhender Verkehr‘ und des Wirtschaftsverkehrsentwicklungsplans bedürfen alle verkehrliche Maßnahmen, welche zu einer Einschränkung des Wirtschaftsverkehrs führen, wie zum Beispiel Wegfall von Parkplätzen oder Wegfall von Haltemöglichkeiten im Lieferverkehr oder bei Umzügen, im Einzelfall der Zustimmung des Stadtrats. Der Oberbürgermeister beschreibt in diesem Zusammenhang die geplanten Einschränkungen, legt dar, warum diese unvermeidlich sind und zeigt auf, durch welche Maßnahmen diese kompensiert werden.“

Ein Antrag, der in dieser Form eigentlich nicht umsetzbar ist, denn in den meisten Fällen handelt es sich um verkehrsrechtliche Anordnungen. Was auch Dienberg betonte. Diese aber kann der Stadtrat schlichtweg nicht beschließen. Sie gehören einzig in den Hoheitsbereich der Stadt.

Dass der Änderungsantrag am Ende trotzdem nur knapp scheiterte mit 29 : 30 Stimmen, erzählt freilich eine Menge über den Druck, der mittlerweile herrscht. Denn nicht nur die Handwerker, Lieferdienste und Pflegekräfte bekommen ja mit, welchen Ärger die oft vergebliche Suche nach einem Stellplatz macht.

Die Straßen sind auch tagsüber zugeparkt. Ein Problem, das auch 2020 schon da war und eben das überfällige Konzept zum „Ruhenden Verkehr“ zum Auftrag machte.

Wann kommt das nun aber?

Die Arbeit am Konzept beginnt erst

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, den Fachausschüssen Stadtentwicklung und Bau sowie Wirtschaft, Arbeit und Digitales bis Ende des zweiten Quartals 2023 einen detaillierten Zeitplan zur Bearbeitung der o. g. Konzeption vorzulegen“, liest man in der Stellungnahme der Stadt.

Wieder so ein Punkt zum Ärgern, denn damit liegt ja das fehlende Konzept noch nicht vor. Das Fehlen der Planer macht sich deutlich bemerkbar. Die Stellungnahme der Stadt kündigt zumindest eines an:

„Aktuell kann davon ausgegangen werden, dass im 2. Quartal 2023 die Bearbeitung des Lanfristkonzeptes für den Ruhenden Verkehr und des Wirtschaftsverkehrsentwicklungsplans begonnen werden kann und damit die dazugehörigen Auftaktvorlagen erarbeitet werden können. Hier sind dann Bearbeitungstiefe, Zeitplan und Beteiligungsmöglichkeiten festzulegen. Für ein derart umfangreiches Konzept werden schätzungsweise 18 Monate bis zu einem Beschluss benötigt. Dementsprechend kann Ende des 2. Quartal 2023 auch ein detaillierter Zeitplan für das Langfristkonzept für den Ruhenden Verkehr und den Wirtschaftsverkehrsentwicklungsplan vorgelegt werden.“

Womit das Konzept zum „Ruhenden Verkehr“, wenn nichts dazwischen kommt, Ende 2024 vorliegen sollte.

Zeitplan noch vor der Sommerpause …

Über das 2. Quartal wurde sich dann in der Ratsversammlung am 14. Juni noch emsig gestritten. Aber irgendwie einigte man sich doch darauf, dass Dienberg den Zeitplan noch vor der Sommerpause, die für den Stadtrat am 7. Juli beginnt, vorlegt.

Sodass auch dieser Punkt aus dem Verwaltungsstandpunkt Zustimmung bekam. Und auch der Rest des von Kristina Weyh zur Abstimmung gestellten Verwaltungsstandpunkts bekam mit 49 Stimmen bei elf Enthaltungen eine klare Mehrheit.

Womit letztlich ein weiteres Mal deutlich wurde, wie fatal es ist, wenn man sich in einer Stadt wie Leipzig viele Jahre nicht darum bemüht, genügend Personal für ein so wichtiges Dezernats wie das Verkehrsdezernat zu binden. Wenn dann anspruchsvolle Konzepte bestellt werden, ist am Ende keiner da, der sie auch umsetzen kann.

Dienberg nannte an diesem Tag ganz exemplarisch die fehlenden Planungen für die Erweiterung der Straßenbahn. Genau das ist der Punkt, an dem die Dinge sich immer wieder um Jahre und Jahrzehnte verschieben. Und wo sich nicht nur aufgeregte Stadträte fragen, warum einfach nicht vorgelegt wird, was man doch mit konkreten Lieferterminen schon vor Jahren bestellt hat.

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