Reglementieren, kontrollieren, verbieten. Was konservative Parteien immer wieder den Grünen vorwerfen, ist in Wirklichkeit ihre eigene Praxis. Das ist regelrecht eingebaut. Denn wer Vielfalt und Lebensfreude derart griesgrämig und misstrauisch betrachtet, der ruft lieber nach der Polizei und begrüßt es auch, wenn die Polizei sich verstärkt um junge Leute kümmert. Der AfD-Fraktion, eine ganz gewiss abstinenten Truppe, geht es in einem Antrag einfach mal um Alkoholverbotszonen. Drei Stück an der Zahl.

Dabei schreibt sie die Misstrauenspolitik der Sächsischen Staatsregierung fort, die in Leipzig immer schon vermehrte Kriminalität ausmachte und seit Jahren ihre Waffenverbotszone im Leipziger Osten aufrechterhält.

Hat man erst einmal eine kriminelle Zone definiert, kann man auch gleich definieren, was dort alles verboten ist. Und Alkohol ist aus Sicht der AfD-Fraktion Ursache vieler Ăśbel. Insbesondere der Verwahrlosung der Jugend.

„Mit dem zugrundeliegenden Antrag sollen auf Grundlage des § 33 Abs. 2 Sächsisches Polizeibehördengesetz (SächsPBG) mindestens drei Leipziger Kriminalitätsschwerpunkte pilothaft für ein Jahr zu Alkoholverbotszonen erklärt werden. Zudem sollen öffentliche Flächen, die ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, auf die Einrichtung einer örtlich und zeitlich begrenzten Alkoholkonsumverbotszone nach § 33 Abs. 1 SächsPBG hin überprüft werden“, geht das Leipziger Ordnungsdezernat auf dieses seltsame Anliegen der AfD ein.

Die Stellungnahme des Ordnungsdezernats zum AfD-Antrag zum Alkoholverbotszonen.

Verdächtige Parks und Grünanlagen

Dass es den alten Herren aus der AfD vor allem um die Jugend in der Stadt geht, macht schon dieser Antragspunkt deutlich: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, öffentliche Flächen, die ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, auf die Einrichtung einer örtlich und zeitlich begrenzten Alkoholkonsumverbotszone nach § 33 Abs. 1 SächsPBG hin zu überprüfen. Das Prüfergebnis ist dem Stadtrat mittels Informationsvorlage bis zum Ende des I. Quartals 2024 vorzulegen.“

Dass die AfD-Fraktion dabei so ziemlich alles abendliche Leben in den Grünanlagen im Visier hat, macht dieser Passus deutlich: „Eisenbahnstraße, Bürgermeister-Müller-Park, Richard-Wagner-Platz, Rabet, Bernhardiplatz, Rosental, Lene-Voigt-Park, Clara-Zetkin-Park, Johannapark, Stuttgarter Allee, Bereiche um Hauptbahnhof/Schwanenteich – all diese Straßen, Plätze, Grünanlagen zählen zu Leipzigs Drogenhotspots und Kriminalitätsschwerpunkten. Dies geht u. a. aus dem Suchtbericht 2022 der Stadt Leipzig sowie der Beantwortung einer Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz aus dem Jahre 2021 hervor.“

Welche Anfrage das sein sollte, steht nicht da. Im Suchtbericht findet man diese Auflistung nicht.

Es steht zwar nicht da – aber es geht auch wieder gegen Menschen mit migrantischem Hintergrund. Und das Verbieten und Kontrollieren geht weiter. Erst war es die verstärkte Polizeikontrolle zur Drogenkriminalität rund ums Rabet, die dann durch die Waffenkontrollzone verstärkt wurde. Und nun also noch Alkoholkontrollzonen obendrauf.

Dieser Eskalation der Kontrollwünsche kann nicht einmal das Leipziger Ordnungsdezernat folgen: „Die Stadtverwaltung ist vom Nutzen von Alkoholverbotszonen nicht überzeugt. Nach unserer Auffassung mangelt es an Nachweisen, dass Alkoholverbotszonen ihren vermeintlichen Zweck erfüllen. Mit Einrichtung solcher Zonen würden alle Menschen, die dort Alkohol konsumieren, unter Generalverdacht gestellt. Nicht alle Konsumierenden verhalten sich allerdings auffällig bzw. gefährden durch ihr Verhalten andere Menschen oder Sachen.“

Mit Suchtprävention hat das nichts zu tun

So langsam hat das Ordnungsdezernat – wie man sieht – die Nase voll von all den verordneten Kontrollzonen, die am Ende gar nichts bringen, außer dass sie alle dort befindlichen Menschen einem Generalverdacht aussetzen und die Polizei zu sogenannten „anlasslosen“ Kontrollen berechtigen. Es ändert nichts an den zugrunde liegenden Konflikten, nicht mal etwas an der Drogenproblematik, und am Ende kriminalisiert es auch noch das Alkoholtrinken an beliebten öffentlichen Orten.

„Die Einrichtung von Alkoholverbotszonen würde einen erheblichen Eingriff in verschiedene Rechte darstellen, der sorgfältig und kritisch abgewogen werden müsste. Gegen Personen, die andere belästigen oder Gewalt gegen Personen und Sachen ausüben, stehen dem Polizeivollzugsdienst und der Polizeibehörde bereits ausreichend Mittel zur Verfügung“, geht das Ordnungsdezernat auf das sowieso existierende Eingriffsrecht der Polizei ein.

All die angeordneten Kontrollzonen aber gehen weiter und markieren ganze Ortsteile als kriminell, gefährlich, inakzeptabel.

„Alkoholverbotszonen leisten keinen Beitrag zur Suchtprävention“, stellt das Ordnungsdezernat fest. „Die betreffenden Personen würden sich aller Voraussicht nach andere Orte suchen, um Alkohol zu konsumieren. Es ist davon auszugehen, dass die zu erwartenden Verdrängungsprozesse auch bei Begleitung durch Streetwork und andere Maßnahmen eintreten würden. Vielmehr wären gefährdete Personen durch den Rückzug an andere, womöglich zunächst nicht bekannte, Konsumorte sogar weniger gut durch Streetwork zu erreichen.“

Und was die AfD-Fraktion da gleich als Alkohol-Gefahren-Zonen aufgelistet hat, hat mit dem Wunsch nach „nur“ drei Kontrollzonen gar nichts mehr zu tun. Es sind über zehn Plätze bzw. Parks, wo sich AfD-Mandatsträger augenscheinlich ungemein unbehaglich fühlen, weil sich Menschen hier zum Feiern, Quatschen und Geselligsein zusammenfinden.

Und wenn man das bedenkt, spürt man den ganzen Griesgram und die Wehleidigkeit in dem Antrag, der am Ende genau darauf hinausläuft: dass sich die Leipziger in den beliebten Grünanlagen nicht mehr zum gemeinsamen Spielen, Reden und auch Alkoholgenießen zusammen finden. Und dass Polizeistreifen durch die Parks laufen und darauf achten, dass hier ja niemand, der zu jung aussieht, einen Tropfen trinkt.

Dass gleichzeitig noch behauptet wird, dass das alles sowieso Drogenhotspots und Kriminalitätsschwerpunkte seien, macht noch deutlicher, welches Bild die AfD von Leipzig hat. Ein ziemlich düsteres, kann man wohl sagen.

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