Je mehr Leipzig zugebaut wird, je stiller es auch draußen vor der Stadt wird, umso mehr zeigen sich viele Leipziger besorgt um die Tierwelt in der Stadt. Das betrifft längst nicht mehr nur die seltenen Tierarten, sondern längst auch sogenannte Allerweltsarten wie Sperlinge und Tauben. Besorgte Anfragen zu Tauben landen auch immer wieder in der Linksfraktion des Stadtrates. Die hat deshalb besorgt einmal bei der Stadtverwaltung angefragt, wie es nun um Leipzigs Tauben tatsächlich steht.

Geantwortet hat darauf nicht einmal das Amt für Umweltschutz, sondern das Ordnungsamt. Was auch ein Zeichen dafür ist, dass sich die Stadt derzeit noch keine Sorgen um die Stadttauben macht.

„Die genaue Anzahl ist der Stadtverwaltung nicht bekannt. Es ist davon auszugehen, dass es mehrere Tausend sind“, teilt das Ordnungsamt mit. „Der Stadtverwaltung sind als innerstädtische Schwerpunkte der Bereich um den Lindenauer Markt und der Bayerische Bahnhof bekannt. Auch in Großzschocher, im Bereich der Raiffeisenstraße, lebt ein größerer Schwarm von mehreren hundert Tieren.“

Das scheinen so viele zu sein, dass sich die Stadt auch noch nicht genötigt sieht, besondere Schutzmaßnahmen für die Tauben zu ergreifen. Eher sieht man die Aufgabe nach wie vor darin, Tauben durch diverse Maßnahmen zu vergrämen – also zu vertreiben.

Vergrämen und dulden

„Maßnahmen zur Taubenabwehr liegen in der Verantwortung des Eigentümers. Sofern die Taubenschwärme in größeren Tierhaltungen auftreten (z. B. in einer Milchviehanlage) findet bei Bedarf ein Austausch zu Möglichkeiten und Grenzen der Taubenvergrämung zwischen dem Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt (VLA) und der Tierhalterin / dem Tierhalter statt. Sinnvolle und effektive Vergrämungsmaßnahmen sind z. B. in Offenställen sehr wichtig, um das Risiko des Auftretens von Zoonosen zu reduzieren. Tauben können hier ein Problemverursacher sein“, erklärt das Ortdnungsamt.

„Auch durch die Sicherheitsbehörde des Ordnungsamtes werden, bei einem entsprechenden Befall und einer bestehenden gesundheitlichen Gefahr, die Eigentümer der Grundstücke und Gebäude zu entsprechenden Vergrämungsmaßnahmen aufgefordert.“

Andererseits ist vieles, was sich Hausbesitzer zur Vergrämung der Tauben einfallen lassen, verboten, so das Ordnungsamt: „Sofern Vergrämungsmaßnahmen zur Kenntnis gelangen, die nicht mit dem Tierschutzgesetz konform gehen, unternimmt das VLA die erforderlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung tierschutzkonformer Zustände (Verwaltungsverfahren, in einigen Fällen Strafanzeigen). So ist z. B. der Einsatz von Klebepaste zur Taubenabwehr nicht rechtskonform und wird untersagt. Im Innenstadtbereich gab es derartige Fälle.“

Keine Wildtiere und keine Heimtiere

Man lebt also irgendwie mit den Tauben in der Stadt, aber besonders geschützt sind sie nicht, wie das Ordnungsamt ausführt: „Stadttauben sind wildlebende Vögel, auch wenn ihr Ursprung auf gehaltene Tiere zurückzuführen ist. Die Verwilderung fand jedoch vor einem derart langen Zeitraum statt, sodass diverse Bestrebungen, Tauben aufgrund ihres Ursprungs als Fundtiere einzustufen, nicht greifen. Stadttauben sind keine Fundtiere. Sofern dem VLA erst kürzlich entflogene Rassetauben gemeldet werden (diese sind in der Regel leicht von Stadttauben zu unterscheiden), kommt das VLA den Pflichten als städtische Fundbehörde nach und verwahrt die Tauben zunächst, bis über deren zukünftige Haltung entschieden werden kann.“

Weshalb man auch Initiativen zum Schutz der Tauben städtischerseits nicht unterstützt: „Dem VLA ist die Stadttaubenhilfe Leipzig e. V. bekannt, welche begrüßt, aber nicht finanziell unterstützt wird. Sofern es veterinärrechtliche Fragen zu klären gibt, bringt sich das VLA mit Fachexpertise ein. Eine Kostenübernahme für die Versorgung durch Tierärzte oder vertraglich gebundene Partner, wie bei Wildtieren, erfolgt durch die Stadtverwaltung nicht, da die Stadttaube nicht als Wildtier eingestuft wird (Abstammung Haustaube).“

Taubenhäuser könnten ja eine Lösung sein, den Stadttauben zu helfen, fand die Linksfraktion. Könnte die Stadt deren Errichtung nicht finanziell unterstützen?

Die Antwort lautet: Nein.

Denn: „Nach hiesiger Auffassung würde eine finanzielle Unterstützung eine freiwillige Aufgabe der Stadt Leipzig darstellen, eine veterinärrechtliche Grundlage gibt es nicht. Die Fachförderrichtlinie zur Unterstützung von Tierschutzarbeit in Sachsen gilt nur für Heimtiere und für Nutztiere im Einzelfall. Für die Antragsbearbeitung ist die Landesdirektion Sachsen zuständig. Der Begriff Heimtier richtet sich nach Artikel 1 des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren vom 13. November 1987 (BGBl. 1991 II          S. 402) und meint ‚im Haushalt gehaltene Tiere‘. Stadttauben fallen daher nicht unter die Begriffsdefinition.“

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Ich kenne das MFH, in dem ich wohne, seit vielen Jahrzehnten. Noch nie, nie gab es im Hof eine derartige Taubenplage, wie in den letzten zwei, drei Jahren. Balkone wurden ohne Übertreibung unbenutzbar, inzwischen haben Nachbarn zur Selbsthilfe gegriffen und Netze um ihre Balkone gespannt, alle Fensterbretter sind dreckstarrend, überall hocken zerzaust aussehende Tauben, es ist haarsträubend.

Vor drei Jahren hat sich eine Ringeltaube entschlossen, auf meinem Erkerfenster zu brüten. Ich habe das durchgestanden und abgewartet, bis das Küken eines schönen Tages davongeflogen war. Ich stelle seither einen Blumentopf an die Stelle, was das Brüten verunmöglicht. Vor dem Fenster steht ein Baum, in einer Astgabel seit Jahren ein Nest, aber die Ringeltauben, die sich anscheinend gut an ihren Nistplatz bei mir erinnern, können sich nicht entschließen, im Baum zu brüten. Die Ringeltauben als solche halten sich übrigens fern von den zuerst genannten zerlumpten Stadttauben.

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