Von einem „hässlichen Krieg gegen Hunde“ schrieb Dr. Yuriy Kushnir in seiner Petition, in der er die Abschaffung des Leinenzwangs für Hunde in Leipzig forderte. Und dabei auch auf fehlende Auslaufflächen für Hunde verwies. Aber es ist wie so oft in einer Großstadt, in der sich viele Menschen – und Tiere – den öffentlichen Raum teilen müssen: Es gibt kein Entweder/Oder. Auch wenn das in den Köpfen vieler Zeitgenossen scheinbar nur noch so funktioniert. Am 15. Januar waren die Hunde und ihre Freiheiten Thema in der Ratsversammlung.

Das Ordnungsamt hatte es recht deutlich formuliert, warum ein rigoroses „Die Leinen los!“ in Leipzig nicht machbar ist. Der Petitionsausschuss schloss sich dieser Einschätzung an: „Die Petition VII-P-10679 ‚Leinenpflicht in Leipzig abschaffen!‘ ist abzulehnen. Dem Interesse der Hunde und ihrer Halter an der Nutzung des öffentlichen Raumes steht das Interesse aller übrigen Nutzer des öffentlichen Raumes gegenüber, diesen ohne Gefahr für die eigene Sicherheit und ohne Belästigung zu nutzen.

Ein genereller Regelungsbedarf für das Führen von Hunden in der Öffentlichkeit ergibt sich bereits aus der abstrakten Beurteilung der von Hunden ausgehenden Gefährdung, wonach alle Hunde, ungeachtet des individuellen Ausbildungs- und Erziehungsstandes, letztlich Tiere sind und unberechenbare Handlungen damit nicht ausgeschlossen werden können.“

Einmal ganz abgesehen davon, dass sich viele Menschen auch vor Hunden fürchten und nicht jeder Hund klein und niedlich aussieht. Aber aus Sicht der Stadt geht es vor allem um Sicherheit: „Die Stadt Leipzig hat als untere Polizeibehörde für die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum zu sorgen. Hierzu gehört es, unterschiedlichen Nutzergruppen des öffentlichen Raumes, dessen Nutzung zu ermöglichen sowie bei Interessenkollisionen einen Ausgleich zu schaffen“, heißt es in der Stellungnahme des Ordnungsamtes.

„Die Entscheidung der Stadt Leipzig, diesen generellen Regelungsbedarf mittels einer allgemeinen Leinenpflicht für Hunde im öffentlichen Raum zu decken, wurde unter Berücksichtigung der konkreten Gefährdungslage in Leipzig getroffen. Hierbei fließen u. a. Erkenntnisse zu Beißvorfällen und Verkehrsunfällen im Zusammenhang mit Hunden sowie konkrete Beschwerdelagen in die Entscheidung mit ein (vgl. auch hierzu OVG Dresden Az.: 3 C 15/09, RndNr. 55- 57, Normenkontrolle PolVO Chemnitz).

Das Oberverwaltungsgericht Dresden bestätigt hier das Vorliegen einer abstrakten Gefahr, die die Einführung der Leinenpflicht rechtfertigt und verweist auf die Unberechenbarkeit des Verhaltens von Hunden als Gefahrenquelle für Leib, Leben und Eigentum.“

Über 100 Beißvorfälle im Jahr

Und während etliche Hundehalter nur bemerken, dass es mit ihrem Hund zu keinen problematischen Vorfällen kommt, zeigt die Leipziger Statistik die andere Seite des Problems: „Selbst der bestens ausgebildete Hund aktiviert bei unvorhersehbaren und untrainierten Stresssituationen seinen Selbstschutzinstinkt und wird in seinen Reaktionen für den Menschen, wie bereits erwähnt, unberechenbar.

Bereits zum aktuellen Zeitpunkt werden in regelmäßigen Abständen (ca. zwei bis drei Tage) Beißvorfälle im Gebiet der Stadt Leipzig bekannt. Hinzu kommt eine vermutete hohe Dunkelziffer. Es ist davon auszugehen, dass eine Abschaffung der Leinenpflicht die Fallzahlen deutlich erhöhen würde. Im Jahr 2023 sind insgesamt 122 Beißvorfälle registriert worden, 2024 liegt die Zahl im Zeitraum vom 01. Januar bis 23. August 2024 insgesamt bei 93 Beißvorfällen (davon 59 Körperverletzungen und 34 verletzte Hunde).“

Trotzdem bietet die Stadt einige Freilaufflächen für Hunde an. Zu wenige, wie Yuriy Kushnir meinte.

„Auch sind Ausnahmen von der Leinenpflicht zugelassen. So dürfen Hunde auf ausgewiesenen Freilaufflächen sich ohne Leine bewegen. Ebenso sind besondere Hunde, wie bspw. Blindenführhunde, von der Leinenpflicht ausgenommen. Auch die Assistenzhundeverordnung des Bundes sieht für besondere Hunde Ausnahmen von der Leinenpflicht vor“, schreibt das Ordnungsamt.

Wie ist das mit Rettungshunden?

Ein Punkt, bei dem die Freie Fraktion im Stadtrat einhakte und eine besondere Regelung beantragte: „Die Leinenpflicht gilt nicht für Chase, Marshall, Skye, Rocky, Rubble und Zuma, sofern sie sich in dienstlichem Auftrag in Leipzig befinden. Bei Rettungseinsätzen ist Leinenlosigkeit zwingend erforderlich.“

Eine wichtige Ausnahme, für die Jan-Paul Helbig (Piraten) am Rednerpult plädierte. Aber diese Ergänzung wurde am 15. Januar mit 22:28 Stimmen bei 13 Enthaltungen abgelehnt.

Herr Jan-Paul Helbig (Freie Fraktion/Piraten) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer
Jan-Paul Helbig (Freie Fraktion/Piraten) im Leipziger Stadtrat am 15.01.25. Foto: Jan Kaefer

Während die Frage nach verfügbaren Freilaufflächen natürlich aktuell bleibt und auch das Ordnungsamt beschäftigt: „Mit dem Rückgang von Baulücken und Brachen steigt der Nutzungsdruck in den vorhandenen öffentlichen Grün- und Freianlagen. Darüber hinaus stellen auch der Klimawandel und die zunehmende Flächenkonkurrenz die Stadt Leipzig vor große Herausforderungen.

Die Versorgung mit ausreichend und qualitativ hochwertigen öffentlichen Grün- und Freiflächen ist ein Bestandteil der städtischen Daseinsvorsorge und leistet einen wichtigen Beitrag für die Lebensqualität in der Stadt Leipzig. Für alle Menschen (speziell Kinder und ältere Menschen) muss ein ausreichend großes Angebot an nutzbaren öffentlichen Grün- und Freiflächen bereitgestellt werden.“

17 Hektar für die Hundefreiheit

„Der Verpflichtung, auch dem Hundehalter mit seinem Hund den Zugang zum öffentliche Raum und dessen Nutzung zu ermöglichen, kommt die Stadt Leipzig dennoch bereits dadurch nach, dass bereits eine Vielzahl an Hundewiesen eingerichtet wurden. Der Zuschnitt und die Zahl der Hundewiesen unterliegt der oben genannten Abwägung zwischen den Interessen der Hundebesitzer und den Interessen des übrigen Publikums.“

Und es sind durchaus eine Reihe solche für Hunde reservierter Wiesen: Aktuell zähle die Stadt Leipzig 43 Hundewiesen bzw. Hundefreilaufflächen mit einer Größe von insgesamt rund 17 Hektar. Die derzeit zur Verfügung stehenden Hundewiesen sind auf der Homepage der Stadt Leipzig unter dem Begriff Freilaufstandorte für Hunde öffentlich einsehbar.

Dazu kommt: „Hunde dürfen generell an den Seen ausgeführt werden, wenngleich sie außerhalb der Hundestrände an der Leine zu führen sind.“

Aber da auch die Leipziger ein gutes Recht auf den Aufenthalt in Parks und Grünanlagen haben, gibt es gerade dort erhebliche Einschränkungen für mögliche Hundewiesen: „Aus den benannten Gründen können nicht in allen öffentlichen Grün- und Freianlagen Hundewiesen bzw. Hundefreilaufflächen angeboten werden (z. B. Lene-Voigt-Park). Ein weiterer zu beachtender Aspekt ist, dass ein Großteil der öffentlichen Grün- und Freianlagen in der Stadt Leipzig als Kulturdenkmale geschützt ist (z. B. Johannapark).“

Die Empfehlung des Petitionsausschusses, die Petition aus all diesen Gründen abzulehnen, stand dann am 15. Januar zur Abstimmung und bekam mit 62:1 Stimmen auch eine deutliche Mehrheit. Es gilt also weiterhin: In Leipzig sind Hunde an der Leine zu führen.

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Wenn man wirklich das Tierwohl im Blick hätte, würde man nicht den Leinenzwang stoppen wollen. Sondern Hunde (überhaupt Haustiere) in der Stadt generell nicht halten. Zumindest, wenn es keinen eigenen Auslauf / Garten gibt.

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