Der „Leipziger Kessel“ ist inzwischen Legende: Über 1.300 vorwiegend junge Menschen kesselte Leipzigs Polizei am 3. Juni 2023 ein, überzog hunderte mit Anzeigen. Und vor dem Leipziger Stadtrat erklärte Leipzigs Polizeipräsident René Demmler diese Aktion auch noch zu einem „guten Einsatz“. Doch nach über zwei Jahren wird deutlich, wie überzogen der Einsatz tatsächlich war. Ein Verfahren um das andere muss eingestellt werden.

Zweieinhalb Jahre nach dem „Tag X“ in Leipzig sind 85 Prozent der Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des schweren Landfriedensbruchs eingestellt (Drucksache 8/4688). Das ergab die jüngste Anfrage der Leipziger Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Die Linke).

Die Polizei hatte am 3. Juni 2023 nach der Auflösung einer angemeldeten antifaschistischen Versammlung in der Südvorstadt und einer gewaltsamen Eskalation durch einige wenige Personen, die die Demonstration für Provokationen nutzten, insgesamt 1.324 Menschen bis zu elf Stunden lang in einem umstrittenen „Kessel“ festgehalten, sie mangelhaft versorgt, mit Verfahren überzogen und die Personalien an den Verfassungsschutz weitergegeben.

Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag konnte inzwischen viele Widersprüche und Falschbehauptungen aufklären. 

Immer deutlicher wird, dass die Polizei mit der Einrichtung eines Kessels völlig überzog.

Hunderte falscher Vorwürfe

„Die Begründung für den Polizeikessel auf dem Heinrich-Schütz-Platz in der Leipziger Südvorstadt ist nach mehr als zweieinhalb Jahren endgültig in sich zusammengefallen“, stellt Juliane Nagel, Sprecherin für demokratische Gesellschaft der Linksfraktion, fest. „1.324 Menschen war vorgeworfen worden, sich an Ausschreitungen beteiligt zu haben.

Laut der Zahlen des Innenministeriums wurden bislang 1.133 und damit 85 Prozent der Verfahren wegen besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs eingestellt – meist, weil ,Tatbestand, Rechtswidrigkeit oder Schuld nicht nachweisbar‘ waren.“

Vertrauen in ihre Arbeit hat die Polizei mit dieser Aktion nicht geschaffen. Im Gegenteil, so Juliane Nagel: „Es bestätigt sich die Wahrnehmung, dass die Polizei wahllos Menschen festhielt und mit unverhältnismäßiger Härte gegen viele unbeteiligte Personen vorging – darunter Minderjährige. Viele Menschen, die lediglich ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nutzen wollten, wurden stundenlang unter widrigen Bedingungen eingekesselt, ihre Daten aufgenommen und zum Teil persönliche Gegenstände beschlagnahmt. Von den 386 beschlagnahmten Mobiltelefonen sind 324 ausgelesen worden.“

Und der Sinn der ganzen Aktion, mit der die Gerichte nun seit über zwei Jahren beschäftigt wurden?

„Das alles schien als Bestrafung und Abschreckung für Versammlungen in Leipzig gedacht gewesen zu sein“, vermutet die Landtagsabgeordnete. „Mehrere Tage wurde die Versammlungsfreiheit in der Stadt de facto außer Kraft gesetzt, und dies hauptsächlich wegen anonymer Aufrufe im Internet. Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit dieser Verbote stehen noch aus.“

Das Ergebnis, so Nagel: „Das Vertrauen vieler Menschen in die demokratischen Institutionen wurde an diesem Tag massiv geschwächt. Es ist die Aufgabe der Verantwortlichen, es wieder aufzubauen. Eine Entschuldigung wäre ein erster Schritt. Hinsichtlich der Speicherung der Daten von Festgesetzten in ,Verfassungsschutz‘-Datenbanken erwarte ich, dass diese Einträge unverzüglich gelöscht werden.“

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Es gibt 2 Kommentare

Sind eigentlich auch einmal (anonyme) Meinungsäußerungen einzelner Polizistinnen oder Polizisten zu den damaligen Aktionen bekannt geworden? Die waren ja in beträchtlicher Zahl von überall her angereist. Ich kam am Abend zuvor “Am Sportforum” entlanggeradelt und sah mehrere Einsatzwagen mit Kennzeichen von weither mit laufendem Motor neben der Straße, ich war kurz davor zu fragen, ob ich eine Unterkunft anbieten sollte. Jedenfalls sahen die Uniformierten sehr müde und gequält aus. Im Rückblick kann ich nur vermuten, daß denen klar war, daß ein eskalativer Folgetag auf sie zukommen würde, tausende externe Polizistinnen und Polizisten waren herangebracht worden um gegen wenige hundert Demonstranten, die zu Teilen ebenso von auswärts gekommen waren, einsatzbereit zu sein.

Die Staatsmacht hat damals gezeigt, daß sie mit Rigor vorzugehen imstande ist. Das ist m.E. die damalige Hauptbotschaft: es kann unzimperlich durchgegriffen werden, es können Provokateure eingesetzt werden, es kann ein verstörender demütigender Kessel zusammengezogen werden, der die meisten dauerhaft das Fürchten lehrt. Und: die Verantwortlichen konnten sich zweifellos als durchsetzungsstark profilieren. Daß später beträchtliche Teile der Landfriedensbruchs-Angeschuldigten nicht weiter verfolgt werden würden, war den Verantwortlichen damals schon klar. Aber das gehörte zum Konzept: es sollte ein Schock erzeugt werden. Und das hat geklappt.

“einer gewaltsamen Eskalation durch einige wenige Personen, die die Demonstration für Provokationen nutzten”
Man weis also das es einige wenige waren, sind die bekannt oder ist das nur eine Vermutung.

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