Es tut sich was im westsächsischen Radwegenetz. Das wurde am Mittwoch, 20. Juli, auch mal öffentlich erlebbar. Da kam Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig nach Grimma und schaltete auf dem Mulderadweg ganz offiziell die neue Internetseite Mulderadweg frei. Die natürlich einen Fehler hat. Einen Unterlassungsfehler. Radfahrer finden ihn schnell.

Besucht hat Martin Dulig den Mulderadweg im Rahmen seiner Themenreise Tourismus. In Höfgen, dem „Dorf der Sinne“ bei Grimma, verkündete er dann feierlich den Onlinegang der neuen Internetseite für den Mulderadweg www.mulderadweg.de.

Das Projekt „Internetseite Mulderadweg“ ist Bestandteil der Koordinierungsstelle Mulderadweg und wird vom Freistaat Sachsen gefördert. Die Homepage ist die erste Internetseite, die den Mulderadweg in seiner Gesamtheit von den beiden Quellen bis zur Elbmündung abbildet und somit Radwanderern die Möglichkeit bietet, sich entlang des Radfernweges über Sehenswürdigkeiten, Servicestellen, Unterkünfte und Gastronomie am Weg oder Fährverbindungen regions- und bundeslandübergreifend zu informieren.

Auf insgesamt über 400 Kilometern Mulderadweg in Sachsen und Sachsen-Anhalt können Radwanderer kulturhistorische Sehenswürdigkeiten entdecken und artenreiche Flora und Fauna erkunden. Los geht es an zwei verschiedenen Quellen: Der Fernradweg beginnt einerseits im Erzgebirge entlang der Freiberger Mulde sowie ab Schöneck im Vogtland an der Zwickauer Mulde. In Sermuth vereinigen sich beide Flussläufe und münden bei Dessau-Roßlau schließlich als Vereinigte Mulde in die Elbe.

Das Problem ist – wie so oft: Die Auftraggeber und Macher der Website haben wieder nicht geschafft, aus ihrer Suppentopfperspektive herauszukommen. Das kennt man nun so langsam von der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH. Dieselben Fehler macht sie auch bei anderen Themen der regionalen Vermarktung. Man serviert den Besuchern der Seite ein wunderschönes Projekt – aber statt es erst einmal vorzustellen, verliert man sich sofort in Details, versucht seine „Produkte“ an den Mann zu bringen, und zersplittert sich in Unterthemen.

So ist das auch beim Mulderadweg, den es auf der Website Mulderadweg gar nicht gibt. Stattdessen gibt es drei Mulderadwege – den an der Freiberger Mulde von der Quelle bei Moldava bis zum Zusammenfluss mit der Zwickauer Mulde, die es natürlich auch extra gibt – von der Quelle bei Schöneck bis zum Zusammenfluss. Und dann natürlich die Vereinigte Mulde von Sermuth bis Dessau. Das alles gibt es auch schön in Häppchen serviert. Und wer sich dann ins detaillierte Menü einarbeitet, bekommt auch einzelne Informationen zu Städten, Streckenprofil, Wegpflaster und Sehenswürdigkeiten. Immerhin kommt man im Abschnitt Glauchau Rochlitz an der Zwickauer Mulde auch an Amerika vorbei. Legendär. Ohne Indianer.

Der Besucher der Seite muss sich die drei großen sächsischen Landschaften, die er auf diesen 400 Kilometern mit dem Rad erkunden kann, also erst durch nervige Detailsuche zusammenbasteln. Es fehlt die Klammer.

Und es fehlt die Antwort auf die Frage: Warum soll man mit dem Rad überhaupt in dieser Gegend herumfahren?

Das ist eigentlich immer die Hauptfrage einer touristischen Vermarktung (der die Touristiker in Leipzig ebenso emsig aus dem Weg gehen). Was ist das Besondere an diesen Kulturlandschaften rechts und links der Mulde? Denn man fährt ja auf so eine mehrtägige Radtour nicht, um mal hier eine Burg anzusehen und da ein Museum und dort ein altes Kloster. Man plant so eine Tour, weil einen die spezielle Kulturlandschaft interessiert. Oder eben nicht.

Und das fehlt. Was natürlich auch an den vielen zersplitterten Interessen in der Region liegt. Der eine will lieber seine Spaßbäder vermarkten, der nächste sein Obstland, der dritte seinen Dom. Aber das hat alles mit touristischer Vermarktung nichts zu tun. Die macht erst Sinn, wenn man das Wesentliche, Typische und Unverwechselbare einer Region erfasst, das, was einem Reisenden aus dem Ruhrpott, aus der Provence oder Istrien das Gefühl gibt: Da lohnt es sich, ein paar richtig schöne Tage oder Wochen zuzubringen.

Ministertermin auf dem Mulderadweg bei Höfgen. Foto: LTM/Alexander Klich
Ministertermin auf dem Mulderadweg bei Höfgen. Foto: LTM/Alexander Klich

Kein französisches Reisebüro haut einem in Einzelteilen die Flecken, Täler und Strände der Provence um die Ohren, wenn man Sommergäste in die schöne Provence einlädt.

Und dann ist da so dieser Ärger der Radwanderer, die ja meist über hervorragende Radwanderkarten verfügen, weil sie wissen, wie rudimentär die Informationen vor Ort sind. Weil die Touristiker in ihren verschwiegenen Provinzen immer denken: Herfinden werden die sich doch von allein.

Das ist ein Irrtum. Man muss die Leute einladen und ihnen den Weg bereiten. Und da schaut man dann aus Leipziger Perspektive (es gibt ja auch noch die nahe wohnenden Radfahrer), und es fehlt. Man erfährt zwar, ob ein Ort an der Strecke einen Bahnhof hat. Aber dass man zum Muldeort Eilenburg prima mit der S-Bahn kommt, muss sich einer denken.

Mancher wird mit dem Rad mit der S-Bahn nach Eilenburg (oder Wurzen oder einen anderen Ort an der Mulderoute) fahren wollen. Und die meisten überregionalen Züge landen eh in Leipzig. Da wäre es die simpelste Einladung, diesen Reisenden zu zeigen, wie gut die Mulderadroute mit der S-Bahn verknüpft ist.

Aber Manche werden von Leipzig auch gern mit dem Rad kommen wollen. Aber nicht mal die Parthe-Mulde-Radroute ist als Kontaktstrecke angegeben, von anderen überregionalen oder internationalen Radrouten ganz zu schweigen. Kennt man die an der Mulde nicht? Das ist nicht vorstellbar. Denn gerade richtige Radreisende sind auf diesen Routen unterwegs und eine Übersicht, wo man von solchen Routen auf den Mulderadweg wechseln kann, sind eigentlich Pflicht auf so einer Seite.

Auf der Seite selbst wurde dann wieder sehr technisch gedacht. Das wird sicher den einen oder anderen Datenspezialisten freuen: „Interaktive Karten, Höhenprofile sowie die Bereitstellung von gpx-Daten der verschiedenen Etappen des Mulderadweges runden das Onlineangebot ab. Die im responsiven Webdesign gestaltete Internetseite ermöglicht es den Nutzern, die Inhalte auf ihren mobilen Endgeräten kompakt und übersichtlich abzurufen, so dass einer Radtour auf dem Mulderadweg nichts mehr im Wege steht.“

Hinfinden muss man sich dann selbst. Und wenn man unterwegs fleißig immer wieder auf die Website geht, kann man sich die Landschaft an den drei Mulde-Routen hübsch zusammenpuzzeln.

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Dieser Artikel – wie auch der letztens zur Petersbrückenerneuerung, wo es beiläufig um den Elsterradweg ging – lässt mich fragen, ob es eigentlich irgendwelche Erhebungen gibt, in welchem Ausmaß diese Fernradwege als solche angenommen werden? Dass zumindest Teilabschnitte von Radfahrern gut angenommen und frequentiert werden, ist unübersehbar – aber wie viele davon tun das wegen der Eigenschaft als Fernradweg und nicht völlig unabhängig davon als nette innerstädtische oder zwischenörtliche Radverbindung?. M. a. W.: Welchen Effekt hat die Deklaration eines solchen Radwanderweges auf seine Auslastung? Ein Anhaltspunkt könnte auch die Analyse der Zugriffszahlen auf die entsprechenden Websites sein. Meine Vermutung ist, dass der Aufwand zur Einrichtung dieser Wege (inkl. Marketing und Websites) in keinem sinnvollen Verhältnis zu der dadurch erzielten Mehrauslastung und dem dadurch generierten Nutzen steht. Aber vielleicht irre ich mich ja auch…

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