Das war dann wohl ein klassisches Eigentor, das Burkhard Jung da am 13. September in der LVZ fabriziert hat. Dass er über mögliche Eingemeindungen nachdenkt, hatte er schon bei der Vorstellung des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts (INSEK) gesagt. Das Problem ist nur: Er kann nur eines haben, entweder eine gute Zusammenarbeit mit diesen Umlandkommunen – oder ein heilloses Gezerre um Eingemeindungen.

Das war eigentlich schon vorher klar. Genauso wie klar war, dass noch jede Menge Spielraum ist, die Kooperation mit der Region zu verbessern. Und auch das äußerte Jung im August bei der Vorstellung des INSEK als wichtiges Arbeitsfeld. Es steckt ein riesiges Potenzial in einer abgestimmten Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Das aber noch lange nicht ausgeschöpft wird, obwohl es die gemeinsamen Unternehmungen gibt: Invest Region Leipzig, MDV, ZVNL, Metropolregion Mitteldeutschland …

Und das weiß Burkhard Jung auch. Vielleicht abgesehen vom MDV.

Und trotzdem antwortete er auf die Frage der LVZ „Leipzig wächst – wird die Stadt weitere Umlandgemeinden schlucken?“ so, dass absehbar war, dass er damit all jene vor den Kopf schlagen würde, mit denen er eigentlich gut zusammenarbeiten müsste, wenn er das Thema Wachstum in Leipzig wirklich gestalten will. Jung in der LVZ: „Das will niemand gerne hören, aber perspektivisch ist es zwingend: Alles, was im Dreieck des Autobahnrings liegt, gehört zu Leipzig. Ob Markranstädt oder Markkleeberg. Jetzt können wir diskutieren, ob das 20 oder 50 Jahre dauert – aber es wäre vernünftig. Es braucht dafür mutige strukturelle Entscheidungen, auch auf Landesebene bei der Frage, wie wir ein Mitteldeutschland der Zukunft entwickeln.“

Ein Vorstoß, den auch Linke-Stadträtin Ilse Lauter mehr als ungeschickt fand: „In den Umlandgemeinden Leipzigs glühten heute wahrscheinlich die Telefondrähte. Bürger erkundigten sich besorgt, was da dran ist an der Ansage des Leipziger Oberbürgermeisters: ‚Alles, was im Dreieck des Autobahnrings liegt, gehört zu Leipzig‘. Die Reaktion der betroffenen Bürgermeister lässt sicher nicht lange auf sich warten. Eben noch wurde die Stadtentwicklungskonzeption „Leipzig 2030“ gemeinsam diskutiert. Und nun? Statt ‚Zusammen wachsen‘ – Annexion? Statt gemeinsamer regionaler Lösungen für die wachsende Stadt und ihr Umfeld – Konfrontation? Leipzig braucht eine enge Zusammenarbeit mit dem Umland, aus ganz verschiedenen Gründen. Ohne Not die Nachbarn zu verprellen, nützt niemandem. Und schadet dem Entwicklungsprojekt ‚Leipzig 2030‘. Das war nicht zielführend, Herr Jung!“

Oder mal so gesagt: Damit hat er das Porzellan von mehreren Jahren Arbeit zerschlagen.

Auch weil die düpierten Bürgermeister und Landräte nur auf ihren Terminkalender schauen mussten. Denn am Tag, als das Interview (wohl) geführt wurde, dem 12. September, fand auf Einladung Leipzigs „mit allen (Ober)Bürgermeistern der Umlandgemeinden und Vertretern der Landkreise Leipzig und Nordsachsen, dem Grünen Ring und der Regionalen Planungsstelle im Neuen Rathaus Leipzig bei Bürgermeisterin Dubrau“ eine Informationsveranstaltung zum Leipziger INSEK statt. Nur Burkhard Jung war nicht da. Genau an dem Ort, an dem er mit den Betroffenen über Leipzigs Umland-Entwicklung hätte reden können.

Die gemeinsame Stellungnahme wird dann deutlich, aber höflich:

„Die Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister der angesprochenen Städte in den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen sind jederzeit bereit, mit dem Oberzentrum Leipzig auf Augenhöhe gemeinsam die Region zu entwickeln. Sie sind aber auch, um den Rückhalt in ihrer Bürgerschaft wissend, selbstbewusst genug, die Zukunft ihrer kreisangehörigen Städte weiterhin selbst in die Hand zu nehmen. Die Stadt Leipzig braucht keine weiteren Stadtteile, um die Bevölkerungszahl gegenüber Dresden zu erhöhen. Die Stadt Leipzig benötigt starke kommunale Nachbarn als verlässliche Partner. Das sind wir und das bieten wir der Stadt Leipzig an.“

Unterschrieben haben alle vier (Ober-)Bürgermeister von Markkleeberg, Markranstädt, Schkeuditz und Taucha und auch beide Landräte von Nordsachsen und Leipzig.

Sie sagen ihm auf ziemlich freundliche Weise, dass Leipzig gerade in den nächsten 13 Jahren in jeder Beziehung auf eine gute Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden angewiesen sein wird, wenn es seine Wachstumsprobleme lösen will. In Dresden, das weiß Jung selbst, hat die Großstadt verdammt wenig Unterstützung. Stark ist die Region nur, wenn alle an einem Strang ziehen.

Mit dem Interview hat Jung seine Position deutlich geschwächt. Völlig ohne Not.

Gemeinsame Pressemitteilung zum LVZ-Interview von OBM B. Jung (13.09.17)

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Schlechte Kommunikation, zweifelsohne. In der Sache trotzdem richtig, natürlich gehört der Speck eingemeindet. Man hat ja in der Vergangenheit gesehen wie fähig die Gemeinden waren sinnvoll zusammenzuarbeiten.

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