Es wird immer lauter am Frachtflughafen Leipzig/Halle. Und das nicht nur, weil Leipzig weit und breit der einzige Flughafen ist, der eine Rund-um-die-Uhr-Genehmigung für Frachtflüge besitzt, was gerade die nächtlichen Starts und Landungen besonders stark hat zunehmen lassen. Hier landen auch jede Mengte uralter Maschinen, die anderswo schon deshalb nicht landen würden, weil dort die Start- und Landeentgelte auch die Lärm- und Schadstoffklassen berücksichtigen. In Leipzig bisher nicht.

Das soll sich ändern. Eigentlich schon seit zwei Jahren. Aber richtig Bewegung kam in die Sache erst 2021, im Vorfeld des geplanten Flughafenausbaus, der einige Fraktionen im Sächsischen Landtag auf den Plan rief, mit der nur zu berechtigten Frage: Wie kann ein defizitärer Flughafen eigentlich an einen Ausbau denken, wenn noch nicht einmal die Lärmprobleme gelöst und die Start- und Landeentgelte unterirdisch niedrig sind?

Neue Entgeltordnung 2021 in Aussicht gestellt

Was ja dazu beiträgt, dass der Vorzeige-Flughafen ohne Subventionen von Ländern und Kommunen nicht über die Runden kommt.

In der Landtagsdiskussion im Juli 2021 wurde wenigstens endlich zugestanden, dass man dabei sei, eine neue Entgeltordnung für den Flughafen zu erarbeiten. Wann man die freilich vorzulegen gedenke, wollte man noch nicht sagen. Die Gründe dafür wurden im Dezember etwas deutlicher, als der Landtagsabgeordnete der Linken, Marco Böhme, dazu ein paar Antworten aus dem Verkehrsministerium bekam. Da wurde wenigstens das Jahr 2022 genannt.

Zweifel an einer wirksamen Entgeltordnung

Es war also nichts Neues, was die LVZ Mitte Februar verkündete. Nur dass einige Worte in dieser Meldung die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ sehr stutzig machten. Denn das klang doch schon sehr nach „Noisewashing“ oder: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

„Wie bekannt beruht der Erfolg des viertgrößten Frachtflughafens Europas einzig und allein auf den – durch Steuergelder subventionierten – extremen Dumpingentgelten, die teilweise 50 % unter denen der Konkurrenten liegen“, stellt der Sprecher der Bürgerinitiative, Matthias Zimmermann, fest.

„Während die anderen Flughäfen Deutschlands jedes Jahr die Start- und Landeentgelte erhöhen (z.B. Frankfurt ab 1. Januar 2022 um 4,5 %) sind die Entgelte in Leipzig (eine Art Rabattsystem) seit über 15 Jahren (!) nahezu unverändert. Hinzu kommt, dass der Flughafen Leipzig-Halle weder Lärm- und Emissionsentgelte noch Lärmzuschläge für die Nacht und Kernnacht erhebt.“

Eine Änderung der Start- und Landeentgelte sei seit Jahren zugesagt, betont Zimmermann. Im November 2020 war es das Umweltministerium, das einen Vorstoß wagte und die Bürgerinitiative aufforderte, einen Vorschlag für die neue Entgeltliste einzureichen. Denn im Verkehrsministerium tat sich rein gar nichts.

Bürgerinitiative: „Das ist Noisewashing“

Aber mit diesem Vorschlag hat das, was jetzt am Flughafen entsteht, möglicherweise gar nichts zu tun, befürchtet Zimmermann: „Laut Management des Flughafens wird dies aber in der Gesamtsumme ‚kostenneutral‘ erfolgen. Im Umkehrschluss bedeutet das, die Dumpinggebühren werden sich trotz neuem Ansatz nicht signifikant erhöhen. Und damit ändert sich auch nichts an den Lärm-, Gesundheits- und Klimabelastungen der schon heute dreckigsten und lautesten stadtnahen nächtlichen Lärmquelle Deutschlands – außer dem Wunschdenken des Flughafenmanagements, DHL könnte dies anspornen, seine Flotte zu modernisieren.“

Und weiter: „Den Frachtfluggesellschaften ist es vollkommen egal, ob das Entgelt Masse-, Lärm-, oder Emissionsentgelt heißt. Hauptsache billig!!! Die jetzt verkündete Einführung von Lärm- und Emissionsentgelten ohne signifikante Gebührenerhöhungen ist Noisewashing!“

Das SMWA weicht aus

Die Bürgerinitiative erwarte jetzt, „dass es neben einer deutlichen Spreizung der Lärmentgelte zulasten der lautesten Maschinen auch signifikant höhere Lärmentgelte für die Nachtkernzeit gibt, da in dieser über 60 % der nächtlichen Starts erfolgen.“

Aber als der Landtagsabgeordnete Marco Böhme fragte, wich das Verkehrsministerium wortreich aus. Die Frage war sehr konkret: „Welche konkreten Veränderungen schlägt die Mitteldeutsche Flughafen AG für die neue Entgeltordnung vor und wie wirken diese sich konkret auf die Einnahmen einerseits und die Emissionen andererseits aus?“

Die Antwort war dann freilich ein einziges Ausweichen, denn wie sich die Entgelte auf die Einnahmen des Flughafens auswirken, wollte Verkehrsminister Martin Dulig sichtlich nicht sagen.

„Mit Bezug auf die Landeentgelte beabsichtigt die Mitteldeutsche Flughafen AG die Einführung eines luftfahrzeugspezifischen Lärmentgelts (ggf. zzgl. Nachtzuschlag) und perspektivisch einer Emissionskomponente. Diese beiden umweltbezogenen Entgeltkomponenten sollen dann ein luftfahrzeugunabhängig gewichtsbezogenes Entgelt ergänzen. Das Erlösniveau hängt dann maßgeblich von den eingesetzten Flugzeugen und deren Umwelteigenschaften ab.“

Ein gewaltiges Hintertürchen

Und: „Auf Basis gemachter Verkehrsannahmen für die Zukunft sind Erlösrisiken weitestgehend ausgeschlossen. Grundsätzlich gelten die Vorgaben aus dem § 19b Luftverkehrsgesetz (LuftVG), dass erhobene Entgelte einen klaren Kostenbezug ausweisen müssen; im Falle der Landeentgelte bezogen auf die Kosten der Landeanlagen und die anhängige Infrastruktur. Emissionsauswirkungen stehen auch weiterhin in direktem Zusammenhang mit den zum/vom Flughafen eingesetzten Luftfahrzeugen.“

Zumindest ahnt man schon, dass sich das Verkehrsministerium hier ein großes Hintertürchen geöffnet hat, mit dem Verweis auf die „Kosten der Landeanlagen und die anhängige Infrastruktur.“ Denn die stecken ja jetzt schon im Start- und Landeentgelt. Ein Lärmentgelt müsste eigentlich genauso obendrauf kommen wie die nun auch noch erst „perspektivisch“ geplante Emissionskomponente. Als wäre der Klimawandel in Sachsen überhaupt kein Thema und könnte auch erst in ein paar Jahren angepackt werden.

Das Luftfahrtgesetz verpflichtet zu Lärm- und Emissionsentgelten

Warum das Ganze sich so hinzieht, erklärte das Verkehrsministerium so: „Der Zeitplan ergibt sich aus den Vorgaben § 19b LuftVG. Zunächst werden alle Nutzer des Flughafens nach Vorbringung eines Entgeltvorschlags durch die Flughafengesellschaft angehört, was spätestens bis sechs Monate vor Inkrafttreten der neuen Entgelte erfolgen muss. Bis spätestens fünf Monate vor Inkrafttreten der neuen Entgelte wird der zuständigen Genehmigungsbehörde dann ein entsprechender Antrag vorgelegt. Die Genehmigungsbehörde soll dann innerhalb von zwei Monaten über den Antrag entscheiden. Eine Veröffentlichung der neuen Entgelte erfolgt dann bis zwei Monate vor deren Inkrafttreten. Eine Neuordnung für die Mitteldeutschen Flughäfen soll im Jahre 2022 stattfinden.“

Dass Sachsen so tut, als sei das alles ein Entgegenkommen, ist durch § 19b LuftVG freilich nicht gedeckt. Denn dort heißt es sehr eindeutig: „Eine Differenzierung der Entgelte zur Verfolgung von öffentlichen oder allgemeinen Interessen ist für Verkehrsflughäfen und -landeplätze zulässig; die hierfür herangezogenen Kriterien müssen geeignet, objektiv und transparent sein. In der Entgeltordnung von Verkehrsflughäfen ist eine Differenzierung der Entgelte nach Lärmschutzgesichtspunkten vorzunehmen; daneben soll eine Differenzierung nach Schadstoffemissionen erfolgen.

Was die großen deutschen Flughäfen alle schon machen, ist schlicht ein Vollzug des Gesetzes. Denn Entgelte für Lärm und Emissionen sind keine Kann-Bestimmung, sondern verpflichtend. Nur legt das Gesetz nicht fest, wie hoch diese Entgelte sein müssen. Dass sie gar nicht „kostenneutral“ sein können, ist eigentlich logisch, denn sonst entfalten sie ja keine Wirkung.

Jetzt kann man gespannt sein, was der Flughafen da vorlegen wird – und ob es das SMWA auch so genehmigt.

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