Für wen amtiert eigentlich Stanislaw Tillich? Für das sächsische Volk? Die CDU? Oder doch eher für einen Konzern wie Vattenfall? - Die Frage steht seit Januar, seit Ministerpräsident Stanislaw Tillich gemeinsam mit dem von der SPD gestellten Ministerpräsidenten von Brandenburg, Dietmar Woidke, einen Brief an den schwedischen Reichstag schrieb, in dem er sich zum Fürsprecher von Konzerninteressen machte.

In diesem Fall von Interessen des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall, dem man neue Tagebauaufschlüsse in der Lausitz in den letzten Jahren angedient hat wie heiße Suppe. Als der Landtagsbeschluss zum Aufschluss des Tagebaus Nochten II anstand, so wird kolportiert, habe der Sorbe Stanislaw Tillich aus lauter Schmerz über diese Entscheidung sogar den Plenarsaal verlassen.

Aber ein Mann, der nun – gemeinsam mit Woidke – schreibt, man wolle die “Verwaltungsverfahren zur Fortführung der Tagebaue Welzow-Süd und Nochten unabhängig von den Verkaufsabsichten zügig” führen, der kann nicht wirklich Schmerz empfinden über die amtliche Vernichtung eines weiteren Stücks Lausitz. Das wäre anders gewesen, wenn Sachsens Regierung die Verfahren zu Nochten II auf Eis gelegt hätte, bis der Betreiber Vattenfall sich im Frühjahr 2015 möglicherweise klar geworden ist, ob und welchen Teil seines Lausitzer Engagements der Konzern verkauft. Und ob es überhaupt einen Käufer dafür gibt außer der MIBRAG, die die Kohle dann wahrscheinlich nach Tschechien exportieren würde.

Der Kampf der beiden schwarz-roten Ministerpräsidenten mutet zunehmend wie der Versuch an, eine überholte Technologie, die sich immer weniger rechnet, um jeden Preis zu bewahren. Auch wenn das weitere abgebaggerte Dörfer, weiterer verlorener wertvoller Boden, weitere zerstörte Kulturlandschaften sind.

Ist es tatsächlich so, dass nur die Linken und Grünen das geradezu als einen Verrat am Amtseid empfinden, den Stanislaw Tillich geleistet hat? Auf eine Sächsische Verfassung, in der es zum Natur- und Umweltschutz unter anderem heißt: “Der Schutz der Umwelt als Lebensgrundlage ist, auch in Verantwortung für kommende Generationen, Pflicht des Landes und Verpflichtung aller im Land. Das Land hat insbesondere den Boden, die Luft und das Wasser, Tiere und Pflanzen sowie die Landschaft als Ganzes einschließlich ihrer gewachsenen Siedlungsräume zu schützen. Es hat auf den sparsamen Gebrauch und die Rückgewinnung von Rohstoffen und die sparsame Nutzung von Energie und Wasser hinzuwirken.”

Dieser Brief zur Braunkohlenutzung in der Lausitz, den Ministerpräsident Tillich gemeinsam mit seinem Brandenburger Amtskollegen Dietmar Woidke (SPD) Mitte Januar an den zuständigen Ausschuss des schwedischen Parlaments gerichtet hatte, wird jetzt Thema der zweiten Aktuellen Debatte am Donnerstag, 12. März, im Sächsischen Landtag. Dafür verzichten die Grünen sogar auf ein zuvor von ihnen angemeldetes Thema.

“Wir wollen diskutieren, in wessen Interesse Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) agiert und wie sich das mit seinem Amtseid verträgt”, so Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag. “Sachsens Ministerpräsident verspricht in dem Brief nichts anderes, als beispielsweise im angelaufenen bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren für Nochten II im Sinne des maximalen Unternehmenswertes zu agieren. Wir glauben, dass der Landtag darüber debattierten muss. Denn in einem Rechtsstaat dürfen die einzigen Kriterien in diesen Verfahren die sorgfältige Prüfung aller Antragsunterlagen, Einwendungen und Risikoabschätzungen und die Güterabwägung zwischen den Interessen der Betroffenen, der Umwelt und dem Gemeinwohl der heutigen und künftigen Generationen sein”, so der Abgeordnete.

In ihrem Brief an den Ausschuss des schwedischen Parlaments hatten die beiden Ministerpräsidenten beteuert, die neuen Tagebauerweiterungen Welzow Süd II (Brandenburg) und Nochten II (Sachsen) zügig durchzusetzen, um den Kaufpreis für die Braunkohlesparte zu erhöhen. Die Grünen-Fraktion hatte noch Anfang letzter Woche eine Aktuelle Debatte zum Chaos bei der Erstaufnahme von Asylsuchenden beantragt. Nachdem die CDU/SPD-Koalition nun selbst in ihrer Aktuellen Debatte am Mittwoch, 11. März, zu den Ergebnissen des Lenkungskreises Asyl diskutieren will, benannte die Grünen-Fraktion ihren Debatten-Titel neu. “Der ‘Tillich-Brief’ ans schwedische Parlament – Welche Rolle spielt die Staatsregierung beim Vattenfall-Kohleausstieg?” lautet nun die von der Grünen-Fraktion benannte Aussprache im Parlament.

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Es gibt 4 Kommentare

Darf das überhaupt sein, was Tillich und seine Amtskollegen da gemacht haben?

Bieten hier Amtspersonen sich selbst zur Bestechung an (passive Bestechung)?

Langsam finde ich es hier in Sachsen echt etwas bedenklich.

Die Mitglieder der Staatsregierung leisten beim Amtsantritt den Amtseid vor dem Landtag. Er lautet: ,,Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohl des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, Verfassung und Recht wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber allen üben werde.”

Vom Wohl der Konzerne steht da nix…

Hier ein paar Tips:

Sächsische Verfassung
Artikel 68 (1) Die Staatsregierung und jedes ihrer Mitglieder können jederzeit ihren Rücktritt erklären.

Artikel 69 (1) Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Vertrauen nur dadurch entziehen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.

Er dient Vattenfall. Und so wie Woidtke beschwört er die vielen vielen Arbeitsplätze, die verloren gehen würden … blabla.
Zumindest da hat er Recht. Sagen doch selbst Cottbuser, dass sie lieber die Zerstörung der Umwelt im “fernen” Landkreis Spree-Neiße und im noch ferneren Landkreis Oberspreewald-Lausitz in Kauf nehmen, als ihre gutbezahlten Arbeitsplätze zu verlieren. Teils verständlich, gibt es doch gerade in dieser Region längst keine Alternativen mehr.

Tilli dient zweifelsfrei dem verkrusteten Geist seiner konservativen Ahnen.
Die Bewahrung der bestehenden oder die Wiederherstellung von früheren gesellschaftlichen Ordnungen ist das einzige Ziel.
Vattenfall ist nur ein Steinchen einer ganzen Schutthalde politischen und wirtschaftlichen Versagens dieses Mannes.

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