Vielleicht ist es ein Fehler, über die diversen Vorlagen, Anfragen, Anträge der AfD - ob im Stadtrat oder im Sächsischen Landtag - nicht zu berichten. Auch wenn man dabei das Gefühl hat, dass der geballte Blödsinn eigentlich keine Erwähnung wert ist. Aber wenn 13 Prozent der Sachsen meinen, sie müssten die AfD wählen, wenn am Sonntag Landtagswahlen wären, dann gibt das schon zu denken.

Nicht weil die AfD so weit rechts steht oder so emsig abschreibt bei anderen, dass man gar nicht weiß, wofür sie eigentlich steht. Sondern weil sie ihr Gewurstel als durchdachte Politik verkauft und auch noch behauptet, ausgerechnet hinter ihr stünden das Volk oder “die Bürger”. Das mit den Bürgern kennt man schon. Die wurden von der weiland aus dem Landtag gewählten FDP gern beschworen, so dass man am Ende das Gefühl hatte, die Sachsen stehen alle am Wahlstand der FDP Schlange und unterschreiben gegen Windmühlen und ähnliche Dinge, gegen die “die Bürger” sowieso etwas haben.

Und da die FDP nicht mehr im Landtag sitzt, hat sich nun die AfD das Thema gekrallt, weil sie damit glaubt, Punkte sammeln zu können.

Nur hat diesmal einer am Rednerpult geantwortet, der von dieser ganzen “Das Volk will”- und “Die Bürger wollen das so”-Rhetorik die Nase voll hat.

Der Grüne Dr. Gerd Lippold nahm sich des AfD-Antrags zur Beschränkung des Betriebs von Windkraftanlagen an. Ein Antrag, der – wenn man ihn ernst nähme – die Windkraft in Sachsen endgültig ausbremsen würde.

Aber viel prekärer fand Lippold, dass die AfD-Fraktion in ihrem Antrag wieder geschwafelt hatte. In ihrer Begründung schrieben die AfDler: “Die Bürger dagegen folgen dem politischen Schlingerkurs nicht, sondern lassen menschliche Vernunft walten und nehmen parteiübergreifend politische Verantwortung in ihren Kommunen und Landkreisen wahr.“

Eine Rhetorik, die einem mittlerweile nicht nur von der AfD vertraut ist: Diverse Parteien, die sich gern größer und – volksverbundener – malen möchten, als sie sind, schwadronieren nun schon seit Jahren drauflos von “unseren Bürgern”, dem “Volk” und “den Bürgern” im Allgemeinen. Immer klingt es, als wären sie die Speerspitze einer Massenbewegung, auch wenn sie nur von dem erzählen, was sie an ihren Stammtischen mitbekommen haben.

Aber sie kennen es aus ihren Zeitungen nicht anders. Auch die LVZ bringt so etwas immer wieder fertig wie am Mittwoch, 16. September, wieder, als sie auf der Lokalseite verkündete “Wagenplatz in Lindenau verärgert Anwohner”. Und dann stellt sich beim Lesen heraus, dass ein einziger unzufriedener Rentner hinter der ganzen Geschichte steht.

Die AfD macht es nicht anders. Aber Lippold lässt es den Großmeiern nicht durchgehen.

Am Rednerpult hielt er ihnen die Zahlen entgehen, die ein völlig anderes Bild von den sächsischen Bürgern und ihrer Haltung zur Energiewende malen.

“Ihr Eindruck täuscht nicht, meine Damen und Herren! Nur ist das Bild ein anderes, als Sie es malen. – 73,4 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Sachsen sind trotz der jahrelangen Blockadeversuche in Sachsen klar für den Ausbau der Windenergienutzung. Nur 13 Prozent lehnen das ab.”

Die 13 Prozent überraschen vielleicht gar nicht. Das sind erstaunlicherweise genauso viele Prozente, wie die AfD bei einer Sachsenwahl vielleicht bekommen könnte. Irgendwie scheint sich hinter dieser Partei so langsam alles zu sammeln, was mit den Veränderungen der Welt aufs Höchste unzufrieden ist.

Aber das ist in Sachsen auch so, weil auch die Landesregierung jahrelang so getan hat, als könnte das Land auch mit der vorsintflutlichen Energieversorgung von gestern prächtig in die Zukunft kommen, brauche also auch keine Windkraftanlagen.

“Interessanterweise nehmen Unsicherheit und Ablehnung ganz signifikant ab, wenn die Menschen wesentlich mehr unmittelbare Erfahrung mit Windenergieanlagen haben. So sinkt die Ablehnungsquote in Sachsen-Anhalt auf 5,7 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern auf 2,8 Prozent und damit unter den bundesweiten Durchschnitt von 5,6 Prozent”, listete Lippold auf. “Das sind übrigens Zahlen aus einer ganz aktuellen Studie des Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung in Essen, das wohl über jeden Verdacht erhaben sein dürfte, explizit energiewendefreundliche Positionen zu vertreten.”

Und dann kommt er auf die “Bürger” zu sprechen, von denen die AfD meinte, sie spräche für sie: “Die Beschlüsse der Kreistage zeigen vor allem eines – da herrscht viel Unsicherheit und da existiert erheblicher, nachbarschaftlicher Druck durch Anti-Windkraft-Kampagnen. Selbstverständlich muss die Staatsregierung und selbstverständlich müssen auch Abgeordnete des Sächsischen Landtags sich darum kümmern. Was hier gebraucht wird, das sind sachliche Informationen und vor allem eine unmissverständliche Positionierung der Koalition zu ihrem eigenen Koalitionsvertrag.”

Die fehlte bislang. Aber gerade darum ging’s ja in der Landtagsdebatte.

Und was rät Dr. Gerd Lippold nun den Altvorderen von der AfD? – “Wenn wir über die Zielkonflikte zwischen Ausbau der Erneuerbaren Energien und Natur- und Umweltschutz reden, dann geht es uns um bestmögliche Güterabwägung und Minimierung von Auswirkungen. Es geht uns um das WIE dieses Ausbaus. Sie dagegen wollen ihn einfach verhindern, weil die damit einher gehenden rasanten Veränderungen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft ihr statisches Weltbild sprengen. – Was Sie, meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion hier fordern, dass ist Ausdruck populistischer Ziele. Das ist auf einem weiteren Politikfeld der Ausdruck des Schürens von Verunsicherungen und Ängsten, die Sie dann in Ihrem Interesse zu nutzen gedenken. – Das hilft diesen Landkreisen kein Stück weiter und das ist untauglich für Sachsen. Wir lehnen Ihren Antrag ab.”

Womit er natürlich nicht nur den Kern der AfD-Politik erfasst hat. Leider hat ja die CDU in Sachsen teilweise ebenso agiert. Statt die Aufgaben zu erledigen, die die tägliche Entwicklung mit sich bringt, hat man die Ängste der Bevölkerung bestärkt und damit – so hat es ja die Wählerumfrage des MDR jetzt gezeigt – die AfD erst richtig bestärkt.

Auch weil augenscheinlich viele Wähler dadurch erst recht das Gefühl bekamen, dass die Ängste berechtigt sind, und der “alten” Politik nicht mehr zu trauen.

Aber Vertrauen gewinnt Politik dadurch, dass sie die Aufgaben annimmt und bewältigt, die sich stellen. Und indem sie den Angstmachern aus der AfD Taten entgegensetzt und ihnen nicht noch zustimmt.

Denn das ist das eigentlich Beängstigende in Sachsen: Dass die alten, ängstlichen Männer derzeit glauben, mit Angstmachen wieder Politik machen zu können. Die am Ende eine reine Verhinderungspolitik ist, denn, was diese seltsame Alternative eigentlich will, ist dabei kaum mehr auszumachen.

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar