Richtig geklotzt hat Sachsens Staatsregierung am Donnerstagabend, 29. Oktober. Wenigstens beim Ton der Pressemeldung, die sie in die Welt sandte: "Sachsen schnürt umfassendes Investitionspaket für Kommunen. 800 Millionen Euro bis 2020 – Geld fließt in Schulen, Kitas und kommunale Infrastruktur".

Und kaum war das Ding draußen, kam es ebenso erfreut aus den Koalitionsbüros von SPD und CDU.

Frank Kupfer, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion: “Mit dem Programm, das wir gemeinsam als Koalitionsfraktionen mit der Staatsregierung und den kommunalen Spitzenverbänden heute auf den Weg gebracht haben, stellen wir unter Beweis, dass wir einen Blick für die Zukunft Sachsens haben. Mit dem Investitionspaket werden echte Brücken für die kommunale Familie in Sachsen bis in das Jahr 2020 hinaus gebaut. Während andere Bundesländer nur reden oder in Zeiten der Flüchtlingsherausforderung über Kürzungen nachdenken, handeln wir in Sachsen. Wir reichen nicht nur Geld des Bundes an die Kommunen weiter, sondern veredeln diese Zuwendungen, die die Menschen vor Ort in den Städten und Gemeinden direkt zu spüren bekommen werden. Bei der Verteilung der Mittel sitzen wir in Sachsen alle in einem Boot. Wir wollen kein Mitglied der kommunalen Familie bevorteilen. Uns geht es um den Blick für das Notwendige und das Machbare. – Gleichzeitig stellen wir unter Beweis, dass bei allen Aufgaben, die wir mit Blick auf die Asyl- und Flüchtlingssituation bewältigen müssen, dies nicht zu Lasten anderer Politikfelder geht und wir das Wohl der Sachsen nicht vergessen. Aus diesem Grund haben wir mit 800 Millionen Euro so viel Geld wie noch nie in der Geschichte des Freistaates in die Hand genommen. Ich danke der Staatsregierung, den kommunalen Spitzenverbänden, vor allem aber unserem Finanzpolitiker Jens Michel für das exzellente Verhandlungsergebnis.“

800 Millionen? Wirklich?

Wirklich, meinte auch Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion: “Wir haben gemeinsam das größte Sonderprogramm in der Geschichte unseres Landes auf den Weg gebracht. Damit setzt die Koalition ein starkes Zeichen. Wir tun etwas für unser Land und seine Bürgerinnen und Bürger. Politik und Politiker sind handlungsfähig. Die Koalition agiert vorausschauend. – Wichtig für uns ist, dass das Geld für zusätzliche Investitionen zur Verfügung steht, also nicht in anderen Förderprogrammen gekürzt wird. Das Programm ist letztlich ein Konjunkturprogramm für unser Land. Das Paket wird sich auch in den Auftragsbüchern der örtlichen Unternehmen niederschlagen, wir sichern damit Arbeitsplätze. Zudem erhalten unsere Kommunen mehr Planungssicherheit, zeitlich und entkoppelt von künftigen Haushaltsberatungen. Und wir halten uns an den gemeinsam vereinbarten Grundsatz: Keine neuen Schulden. – Wir haben frühzeitig die kommunalen Spitzenverbände in die Planungen einbezogen. Die weiteren parlamentarischen Beratungen zu dem Sonderprogramm eröffnen die Möglichkeit, an einzelnen Punkten noch nachzusteuern. Wir wollen, dass das Paket ein Gewinnerpaket für alle wird.“

Was aber hatte die Landesregierung tatsächlich vermeldet?

“Der Freistaat beabsichtigt, noch in diesem Jahr ein Sondervermögen mit einem Gesamtvolumen von 800 Millionen Euro einzurichten. So sollen neben den Zuweisungen des Bundes in Höhe von 156 Millionen Euro zusätzlich jeweils 322 Millionen Euro von Land und Kommunen in diesen Topf fließen. Damit können in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen gefördert werden, unter anderem Investitionen in den Schulhausbau, den Bau- und Ausbau von Kindertagesstätten, Sportstätten, aber auch Investitionen in die kommunale Infrastruktur.”

322 Millionen Euro werden also von den Kommunen kommen, die aus dem Topf profitieren sollen?

Was ist das für eine Förderung?

Das ist eine Mogelpackung, erklärte am Freitag, 30. Oktober, André Schollbach, kommunalpolitischer Sprecher der Linksfraktion.

“Wesentliche Teile des Investitionspakets sind eine Mogelpackung. Das Programm wird künstlich zu einem Scheinriesen großgerechnet, damit sich die CDU-geführte Staatsregierung schön darin sonnen kann”, stellte er fest. “Bei dem Umfang der den Kommunen angeblich zur Verfügung gestellten 800 Millionen Euro versucht die Sächsische Staatsregierung, die Öffentlichkeit zu täuschen. So hat die Staatsregierung zum Beispiel die Umsetzung des auf Bundesebene beschlossenen Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes bis zum heutigen Tage verschleppt, nur damit sie diese Bundesmittel (156 Millionen Euro) nun wahrheitswidrig als eigene Wohltat darstellen kann. Weiterhin stammen mehr als 300 Millionen Euro aus dem kommunalen Vorsorgevermögen (§ 23 SächsFAG) und werden den Gemeinden und Landkreisen nochmals ‘ausgereicht’, nachdem ihnen dieses Geld zuvor weggenommen worden war. – Lediglich 322 Millionen Euro sind echte zusätzliche Landesmittel, die noch dazu über fünf Jahre gestreckt bis 2020 an die Kommunen ausgereicht werden sollen. Die CDU-geführte Staatsregierung versucht ganz offensichtlich, sich mit fremden Federn zu schmücken. Finanzmittel, auf welche die Kommunen ohnehin einen Anspruch haben, werden dreist als angebliche Wohltat des Freistaates Sachsen dargestellt.”

Auf die Zahlen kommt man auch, wenn man die Meldung der Staatsregierung selbst liest. Deswegen verlinken wir sie unten einfach. So macht man sich selbst zum Nikolaus mit dem Geld, das eigentlich von rechtswegen sowieso den Kommunen zusteht. Und mit dem diese längst hätten planen können. Und nach den üblichen Förderbedingungen hätten sie für das Geld, das jetzt vom Land so honorig bereitgestellt wird, ungefähr dieselbe Summe als ganz normale Förderung bekommen.

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