Da muss sich auch Innenminister Markus Ulbig (CDU) beim Wort nehmen lassen: Mehrfach in letzter Zeit hat er gesagt, dass er mehr Polizisten brauche. Mindestens zwei Mal hat er auch noch verkündet, der Stellenabbau bei der Polizei werde sofort beendet. Aber getan hat er nichts. Jetzt nehmen ihn Grüne und Linke beim Wort, die einen sogar mit einem Vorschlag zur Lösung.

Aber erst einmal erntet Ulbig deftige Kritik von den Linken. Genauer: vom Fachmann fürs Polizeiliche, Enrico Stange. Der hat einfach mal gut zugehört, was Ulbig und sein Vorgesetzter, Ministerpräsident Tillich, nach den ganzen Anschlägen und Gewaltausbrüchen der letzten Zeit immer wieder gesagt haben. Da kam immer das schöne Wörtchen „Prävention“ vor, man müsse mehr tun in der polizeilichen Präventions-Arbeit.

Als wenn die beiden nicht zur Regierung gehören würden und irgendjemanden „da oben“ bitten müssten, mal was zu tun.

Denn sie selber tun eher gar nichts. Und weil er das nicht einfach so behaupten wollte, hat Enrico Stange eine ordentliche Anfrage im Landtag gestellt. Und eine kurz angebundene Antwort bekommen.

Das Ergebnis passt natürlich in den Personalabbau bei der Polizei, der bis Ende 2016 beschlossen ist und auch einfach so fortgesetzt wird. Der Stellenabbau hat auch die für Präventionsarbeit bei der Polizei vorgesehenen Stellen nicht verschont, folgerichtig ist die Zahl der Präventionssachbearbeiter bei der sächsischen Polizei in den letzten Jahren ebenfalls massiv zurückgegangen. 2009 waren noch 274 hauptamtliche Präventionssachbearbeiter im Einsatz. Bis 2016 hatte sich deren Zahl um gut 62 Prozent auf 104 reduziert. Das hat die Staatsregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 6/4306) des Sprechers für Innenpolitik der Linksfraktion, Enrico Stange, eingeräumt.

„Als wäre dieser Stellenverlust noch nicht genug, plant das Innenministerium im Rahmen der Polizeireform ‚Polizei.Sachsen.2020‘, die Zahl der Präventionssachbearbeiter noch weiter zu reduzieren – bis auf 45. Zwar hat die Staatsregierung den Stellenabbau zumindest für ausgesetzt erklärt, aber dennoch keine besonderen Anstrengungen unternommen oder in Aussicht gestellt, um für mehr Präventionsbeamte zu sorgen“, merkt Stange an, was mittlerweile zumindest die Spatzen auf den Dächern wissen. Ändern kann man das nur, indem man den „kw“-Vermerk für diese Stellen endlich streicht und wieder deutlich mehr Polizisten ausbildet und einstellt.

Aktuell lautet die Lage: Es wird nicht mehr Prävention geboten, sondern deutlich weniger.

„Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Polizeiliche Präventionsarbeit ist eine Säule dieser wichtigen Arbeit und somit Teil der Gewährleistung öffentlicher Sicherheit. Mit der anhaltenden Reduzierung der Personalstellen für Präventionssachbearbeiter bei der sächsischen Polizei kommt diese Aufgabe gänzlich zum Erliegen. Wo bleibt also der Präventionsbeamte, wenn eine Schule ihn anfordert, um über Crystal Meth aufzuklären? Wie werden künftig Bürgerinnen und Bürger zur Vorsorge gegen Einbruchdiebstahl und Raub unterrichtet? Was wird aus der polizeilichen Verkehrserziehung?“, fragt Stange mal beispielhaft die Felder ab, auf denen Polizeiarbeit eigentlich präventiv passieren müsste. „Es ist ein fatales Signal, wenn Stanislaw Tillich nach den Vorfällen in Heidenau, Clausnitz und Bautzen mehr Prävention verspricht und gleichzeitig die polizeiliche Präventionsarbeit ausbluten lässt. Damit wird die Rolle der sächsischen Polizei auf die des Prügelknaben festgeschrieben, der erst zum Tatort kommt, wenn es schon zu spät ist. Darunter leidet das viel beschworene Vertrauensverhältnis der Bürgerinnen und Bürger in ihre Polizei.“

Wie bekommt man schnell mehr Polizisten?

Und es sind ja nicht nur präventiv tätige Polizisten, die „künftig wegfallen“ (kw). Es betrifft die komplette sächsische Polizei, die auch nach Ansicht der Fachkommission, die die Arbeit der Polizei bis Dezember evaluiert hat, schon jetzt um 1.000 Polizisten unterbesetzt ist.

Die Grünen können sich zumindest vorstellen, dass man Ulbigs Versprechen, den Stellenabbau zu stoppen, tatsächlich umsetzen könnte. Einfach mal etwas unkonventionell – aber nicht mit Wachpolizisten.

Zur Behebung des Personalnotstandes bei der Polizei fordert die Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag die Rückholung pensionierter Beamtinnen und Beamter in den Polizeidienst. Nach der nun wiederholten Ankündigung der Staatsregierung, die für 2016 geplanten Stellenstreichungen bei der Polizei rückgängig machen zu wollen, hat die Fraktion einen entsprechenden Antrag in den Landtag eingebracht.

„Bereits im Oktober letzten Jahres hat Innenminister Markus Ulbig (CDU) den Stopp des Stellenabbaus bei der Polizei angekündigt. Nach den Angriffen von Clausnitz hat der Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) diese Ankündigung nochmals wiederholt. Passiert ist nichts. Dem Landtag liegt bis heute kein Antrag auf Genehmigung dieses Stellenabbaustopps vor“, erklärt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion. „Die Täuschung der Öffentlichkeit über das Handeln bzw. Nichthandeln im Bereich der Polizei muss endlich ein Ende haben.“

Aber der Mann, an den er appelliert, ist eher nicht der Polizeiminister, sondern der Verwalter der „kw“-Vermerke: der Finanzminister Georg Unland (CDU). Der bestimmt am Ende, ob Bedienstete eingestellt werden oder ob er den „kw“-Vermerk als ehernes Gesetz betrachtet.

„Ich fordere Finanzminister Prof. Georg Unland (CDU) auf, dem Landtag nunmehr unverzüglich einen Antrag vorzulegen, mit dem die Streichung der sogenannten ‚kw-Vermerke‘ bei der Polizei genehmigt werden kann. Seit der Ankündigung im Oktober sind mindestens die Hälfte der Stellen, die gestrichen werden sollten, tatsächlich auch gestrichen worden. Denn ohne Genehmigung des Landtags kann keine Neubesetzung erfolgen. Mit jedem weiteren Tag fallen weitere Stellen weg, die derzeit nicht wieder besetzt werden. Das macht die Dringlichkeit unseres Antrags mehr als deutlich“, betont Lippmann.

Denn Unland kann sich natürlich jederzeit darauf berufen, dass der Sächsische Landtag den Doppelhaushalt 2015/2016 im letzten Jahr genau so beschlossen hat – mit weiterem Stellenabbau und konkret bezeichneten „kw“-Stellen.

Die Grüne-Fraktion schlägt nun in ihrem Antrag vor, die frei werdenden Stellen mit rückkehrwilligen pensionierten Polizeibediensteten zu besetzen, die – aus ihrer Sicht – in erster Linie im Bereich der Ausbildung der Polizeianwärter eingesetzt werden sollen.

„Uns ist klar, dass für die zusätzlich frei werdenden Stellen keine zusätzlichen jungen Polizeibediensteten zur Verfügung stehen“, erläutert Lippmann. „Polizeibedienstete werden jedoch relativ früh pensioniert. Ich könnte mir vorstellen, dass viele gern bereit sind, ihre Erfahrungen an die jungen Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben. Der Innenminister sollte diese Potentiale nutzen und eine Rückholungskampagne starten. Dazu sollten Mittel aus dem kaum genutzten Personalgewinnungszuschlag verwendet werden.“

Grüner Antrag „Lehre und Ausbildung bei der Polizei unverzüglich sicherstellen − kw-Vermerke streichen“ (Drs 6/4470)

Anfrage der Linksfraktion zu „Anzahl der hauptamtlichen Präventionssachbearbeiter der sächsischen Polizei“. (Drs. 6/4306)

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