Als Rechtsanwalt dürfte es der linke Landtagsabgeordnete André Schollbach auch immer mit verzwickten Zeugenaussagen zu tun haben, bei denen man fragen kann, wie man will: Man bekommt nicht raus, was wirklich passiert ist. Das trifft auch irgendwie auf seinen Versuch zu, herauszubekommen, was Innenminister Markus Ulbig am 26. Januar 2015 mit dem Orga-Team von PEGIDA besprochen hat.

Die Dinge passten einfach nicht zusammen: Erst vermeldet das Innenministerium aller Welt, Innenminister Markus Ulbig (CDU) habe sich mit dem Orga-Team von PEGIDA getroffen. Und das in einer Zeit, als PEGIDA in Dresden immer mehr Menschen auf die Straße zog. Und dann wollte er keine weiteren Fragen mehr zu Inhalt, Ansprachen oder Ort machen. Man habe darüber Stillschweigen vereinbart.

Nur drei Dinge ließ das Innenministerium mittlerweile durchsickern: Das Treffen fand „außerhalb Dresdens statt. Die Räumlichkeit wurde durch einen privaten Dritten, eine juristische Person privaten Rechts, zur Verfügung gestellt.“ Getroffen habe man sich um 8:30 Uhr und eine Stunde zusammengesessen. Und neben dem Innenminister habe auch „der damalige Leiter des Leitungsstabs des Sächsischen Staatsministeriums des Innern“ teilgenommen.

Im Frühjahr 2016 kamen dann ja auch noch Gerüchte auf, der Minister habe dem Orga-Team Geld oder geldwerte Vorteile angeboten. Ein Gerücht, dessen sich dann der AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter ganz sicher zu sein schien. Mit breiter Brust fragte er deshalb die Staatsregierung: „Warum und aus welchem Fonds bezahlte die Staatsregierung Geld an das sogenannte ‚Orga-Team‘ von ‚Pegida‘ in Dresden? Wie viel Geld wurde wann gezahlt? An welche einzelnen Mitglieder des ‚Orga-Teams‘ wurde von der Regierung oder ihr nachgeordneten Behörden Geld gezahlt?“

Ein Fragepaket, auf das dann Innenminister Markus Ulbig im August kurz und trocken antwortete: „Die Staatsregierung oder ihr nachgeordnete Behörden haben keine Zahlungen an das sogenannte Orga-Team von PEGIDA getätigt – weder an das sogenannte Orga-Team in seiner Gesamtheit noch an einzelne Mitglieder desselben im Zusammenhang mit dieser Mitgliedschaft. – Insbesondere im Zuge des Gesprächs von Staatsminister Markus Ulbig am 26. Januar 2015 (…) gab es weder eine Vereinbarung über eine finanzielle Unterstützung noch erfolgten in irgendeiner Weise Zahlungen an das sogenannte Orga-Team bzw. dessen Mitglieder durch den Staatminister oder das SMI.“

Aber das Gerücht hatte auch André Schollbach beschäftigt. Wenn das Gerücht zutreffen würde, würde es einige spätere Vorgänge um PEGIDA erklären – zum Beispiel das völlige Auseinanderfallen des „Orga-Teams“.

Also fragte er seinerseits im August noch einmal nach, versuchte die Fragen noch ausführlicher zu gestalten. Die Antwort fiel noch um einiges kürzer aus: „Es wurden keinerlei Zahlungen oder die Gewährung geldwerter Vorteile im Sinn der Fragestellung angeboten oder in Aussicht gestellt.“

Das nennt man dann wohl eine harte Nuss.

So hart, dass einige Leute sich ein paar knackige Vermutungen für diesen 26. Januar ausgedacht haben.

Aber vielleicht ist das Ganze tatsächlich genau so simpel, wie es das Innenministerium im Januar 2015 vermeldet hatte: „Innenminister Markus Ulbig hat heute ein Gespräch mit der Pressesprecherin von PEGIDA e.V., Kathrin Oertel, und einem weiteren Vorstandsmitglied, Achim Exner, geführt. Ausgangspunkt waren die bislang 13 angemeldeten Veranstaltungen an Montagen in Dresden und die Verantwortung des Veranstalters für die Sicherheit und Ordnung. Darüber hinaus bestand eine gemeinsame Blickrichtung dafür, dass notwendige Meinungsbildung in der Gesellschaft nicht allein durch Demonstrationen geführt werden kann.“

Ein Versuch also ganz ähnlich wie 1989, den Dialog von der Straße zum Beispiel in die „Diskussionsforen der Landeszentrale für politische Bildung“ zu verlegen. Was irgendwie ja auch geschehen ist, auch wenn das auf die PEGIDA-Umzüge keinen Einfluss hatte. Wahrscheinlich hat Ulbig die PEGIDA-Truppe wohl eher falsch eingeschätzt und die Ziele und Anliegen dieser Unmutsbewegung völlig überschätzt. Denn zum Dialog muss man Inhalte und Vorschläge haben. Mit „Nönönö“ kann man nicht diskutieren.

Deswegen klang die Pressemitteilung dann auch eher kraftlos. Markus Ulbig: „Der Dialog kann auf der Straße beginnen, kann aber dort nicht als verständiger Austausch von Meinungen und Argumenten geführt werden. Ziel ist es – bei aller Meinungsverschiedenheit – die Bürgerschaft wieder aufeinander zuzubewegen.“

Da ist wohl bei diesem morgendlichen Kaffee nichts wirklich Substanzielles herausgekommen außer der ministeriellen Hoffnung auf ein versöhntes Volk. Und das nach einem Gespräch mit Leuten, die auf keiner ihrer Demonstrationen von Versöhnung reden. Von Dialog ebenfalls nicht. Vielleicht will er gerade das nicht zugeben: Wie sinnlos dieses Gespräch eigentlich war.

Antwort auf André Schollbachs Anfrage vom Januar 2016. Drs. 4092

Ergänzung durch das SMI vom Juni. Drs. 4092

Antwort auf die Fragen von Carsten Hütter (AfD) vom August. Drs. 5857

Antwort auf André Schollbachs Nachfrage. Drs. 5961

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