Für gelindes Entsetzen sorgte dieser Tage eine Stellungnahme des sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) zu einem Antrag der Grünen im Landtag. Die wollen eigentlich, dass Rechtsextreme in Sachsen konsequent entwaffnet werden. Bei sogenannten Reichsbürgern ist das seit dem 1. November 2016 schon möglich. Bei Neonazis aber nicht, meint Ulbig.

Anders als bei Reichsbürgern sieht Innenminister Markus Ulbig bei Neonazis keine Möglichkeit, diese zu entwaffnen. So geht es aus der Stellungnahme des Innenministers zum Antrag der Grünen-Fraktion hervor. Darin wurde die Staatsregierung aufgefordert, in einem Erlass gegenüber den unteren Waffenbehörden deutlich zu machen, dass Neonazis keine waffenrechtlichen Erlaubnisse erteilt bzw. bereits erteilte entzogen werden sollen.

„Es ist mir nicht begreiflich, warum Reichsbürger entwaffnet werden sollen und können und Neonazis nicht. Beiden Gruppen ist gemein, dass sie die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen“, kommentiert Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, diese Aussage des Innenministers.

„Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 des Waffengesetzes begründet der Nachweis, dass Personen einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit“, hatte Ulbig seine ablehnende Haltung begründet. „Weder die von der Antragstellerin getroffene politische Zuordnung zu einer ‚extremen Rechten‘ noch das Vorliegen von Anhaltspunkten hierfür ist für die Versagung waffenrechtlicher Erlaubnisse ausreichend.“

Dabei ermittelt die sächsische Justiz mittlerweile gegen ein ganzes Dutzend rechtsextremer Vereinigungen in Sachsen, die in den letzten Jahren vermehrt durch Straf- und Gewalttaten aufgefallen sind. Die Anklagen sind voller Punkte, die eine Entwaffnung dieser Personen rechtfertigen.

Der Grünen-Antrag ging freilich noch ein Stück weiter und wollte, dass „Anträge von Personen, zu denen hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass sie der extremen Rechten zuzurechnen sind, auf waffenrechtliche Erlaubnisse abzulehnen“ sind.

„Der Anteil von Neonazis, die wie Reichsbürger legal bewaffnet sind, dürfte ähnlich hoch sein“, sagt Lippmann. „Dass sich der Innenminister hier seit Jahren einer entsprechenden Anordnung zu Rechtsextremen verweigert, ist grob fahrlässig. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung, wonach wir in Sachsen einen Run auf waffenrechtliche Erlaubnisse und in Schützenvereine zu verzeichnen haben. Zudem sind Verbindungen von Neonazis zu Sicherheitsunternehmen bekannt.“

Laut Stellungnahme von Innenminister Markus Ulbig liegen zu 25 von 423 festgestellten Reichsbürgern in Sachsen Erkenntnisse über waffenrechtliche Erlaubnisse vor, eine Person verfügt sogar über eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis. Demgegenüber verfügten 73 Rechtsextreme über eine waffenrechtliche Erlaubnis, dies geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Köditz hervor.

Insgesamt haben Reichsbürger in den vergangenen fünf Jahren 1.524 überwiegend „einfache“ Delikte begangen. Zu 32 Personen liegen Erkenntnisse mit Bezügen zum Rechtsextremismus vor.

„Ich fordere den Innenminister nochmals nachdrücklich auf, sich der Problematik endlich anzunehmen“, drängt Lippmann. „Wer sein Handeln auf Waffenverbotszonen beschränkt und mit hanebüchenen Argumenten die Entwaffnung gefährlicher Neonazis verhindert, leistet einen erheblichen Beitrag zur Verschärfung der Sicherheitssituation in Sachsen.“

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