Am Donnerstag, 15. März, debattierte der Sächsische Landtag über mögliche Dieselfahrverbote in Innenstädten. Während solche Fahrverbote in Städten wie Köln, Hamburg oder Stuttgart relativ real sind, sind Sachsens Großstädte noch ein Stück weit entfernt von so einem Verbot. Und sie haben noch deutlich mehr Mittel gegenzusteuern. Auch wenn dann im Landtag doch wieder wild durcheinander debattiert wurde.

Denn wer nicht über Lösungen nachdenken möchte, der diskutiert dann wieder über Sinn und Unsinn der Grenzwerte. Und kommt dann auf Vergleiche, die einen doch arg verblüffen.

So wie beim wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Frank Heidan: „Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Dieselfahrverbote zulässig – aber nicht, dass sie notwendig sind! Wir brauchen eine sachliche Debatte. Es ist eben keine Lösung, nur nach mehr Öffentlichem Personennahverkehr zu rufen: eine Diesellok braucht 300 Liter Diesel auf 100 km, moderne Pkw kommen mit 3,5 Liter aus. Wir wollen Umweltverträglichkeit, aber nicht auf Kosten der Endverbraucher!“

Mit Zahlen hat es dieser Mann nicht so. Nur zum Vergleich: Der moderne Pkw (der die 3,5 Liter im normalen Verlehr meistens nicht schafft, sondern eher bei 6 bis 7 Litern landet) muss nur eine Masse von rund 1,5 Tonnen bewegen. Eine Diesellok aber zieht in der Regel mehrere Waggons, die selbst ein Leergewicht um die 20 Tonnen haben – die Lok selbst wiegt 80 Tonnen. Dazu kommt das Transportgut, das in großen Güterwaggons schnell mal 50 bis 60 Tonnen pro Waggon  ausmacht. Die Diesellok zieht also oft die 100- und 200-fache Masse mit einem Dieselverbrauch, der eher nur beim 50-fachen liegt.

Im Personenverkehr ist das Verhältnis nicht viel anders – nur dass dort mittlerweile der Stromantrieb dominiert.

Wenn man Heidans Vergleich als schräg bezeichnet, ist das wohl noch sehr untertrieben.

Aber genau das ist die Kerbe, in die auch von Ronald Pohle, dem handwerkspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, gehauen wurde: „Die Erreichbarkeit der Innenstädte für Unternehmen und alle Bürger muss erhalten bleiben. Besonders Handwerker und Mittelstand können nicht mit Bus und Bahn zu ihren Kunden fahren. In meinem eigenen Betrieb habe ich 2011 und 2015 zwei Fahrzeuge angeschafft. Ein Fahrverbot käme dann uns teuer zu stehen und dies können nur Leute gut finden, die noch nie in ihrem Leben selbst am Produktionsprozess teilgenommen haben.“

Und dann verwies er in seinem Debattenbeitrag auf ein Interview der DNN mit Prof. Matthias Klingner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme in Dresden, das die DNN (der Dresdner Ableger der LVZ) mit dem Titel „Dresdner Professor fordert ideologiefreie Debatte über Schadstoffe durch Autoverkehr“ überschrieben hatte.

So ganz ideologiefrei war auch der Professor nicht, denn bei der Debatte um weniger Kraftfahrzeuge in den Städten geht es nun einmal nicht nur um Stickoxide und Feinstaub.

Was Matthias Klingner selbst anmerkte: „Wir müssen uns nicht darüber unterhalten, dass wir mit den natürlichen Ressourcen vernünftig umzugehen haben. Es kann nicht richtig sein, in wenigen Generationen all das zu verbrennen, was an fossilen Brennstoffen über Jahrmillionen in den Erdschichten gespeichert wurde. Aber eine Politik, die nur Ängste schürt – nicht selten durch die Medien unterstützt – und der überzogene politische Druck, der auf die Fahrzeugindustrie, die Kommunen bis hin zu den Verbrauchern ausgeübt wird, ist kontraproduktiv. Die Diskussion um den Dieselmotor zeigt das ganz deutlich. Es ist aber wie bei ‚Des Kaisers neue Kleider‘: Warum sagt es niemand?“

Gute Frage. Hätte man das nicht von den Verkehrsforschern erwartet? Auch denen aus Dresden?

Klingner weist zu Recht darauf hin, dass lauter neue Elektroautos das Dilemma nicht lösen.

Schräg ist die Diskussion, weil sie sich seit Jahren nur darum dreht, dass Autobauer und Autobesitzer geschont werden sollen. In dieser Diskussion ist kein Platz für wirklich nachhaltige Visionen. Wie diese Denkfalle funktioniert, machte dann auch die SPD deutlich.

SPD: Arme Autofahrer oder vergessener ÖPNV?

„Aus Sicht meiner Fraktion kann ich ganz klar sagen, dass Fahrverbote vermieden werden sollten, somit de facto nur als allerletztes Mittel zur Anwendung kommen sollten“, meinte Thomas Baum, Sprecher für Verkehrspolitik der SPD-Fraktion, in der Debatte. „Wichtig für uns ist, dass die Verbraucher geschützt werden müssen, damit diese nicht gezwungen werden, die Nachrüstungen aus eigenen Mitteln zu finanzieren oder sich gar ein neues Auto anzuschaffen.“

Die Hersteller sollten sich an Nachrüstungen „wenigstens signifikant“ beteiligen. „Gleichzeitig müssen wir alles dafür tun, damit unsere Kommunen ausreichend Spielraum bekommen, ihre Flotten sowie Nahverkehrs- und Nutzfahrzeuge auf neue Technologien mit sauberen Antrieben umzustellen – auch wenn das eher mittel- und langfristige Maßnahmen sind.“

Da dürfen die Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel und eigener Fahrräder zumindest fragen: Wo bleiben wir?

Zumindest mit der seltsamen Forderungen nach Aufweichung der Grenzwerte fand sich Henning Homann, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik der SPD, nicht ab: „Wir wollen diese Fahrverbote nicht. Dafür müssen jetzt die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.“

Es sei keine Lösung, Grenzwerte für Stickoxide zu senken. Die deutsche Autoindustrie dürfe bei der Nachrüstung nicht aus der Pflicht gelassen werden, das sei eine Frage der Gerechtigkeit. Homann plädierte für eine Innovationsoffensive in der Autoindustrie, um weiter moderne Antrieb- und Abgasreinigungstechnologien zu entwickeln, zu produzieren und damit Arbeitsplätze zu sichern. Und dann betonte er wenigstens: Ein weiterer Aspekt sei der Ausbau eines attraktiven und bezahlbaren Nahverkehrs.

Denn da haben Bund und Land seit zwei Jahrzehnten gespart und die echte Innovationsoffensive ausgebremst.

Linke: Wo bleibt denn die „Mobilität im Wandel“?

Was Marco Böhme, mobilitäts- und klimapolitischer Sprecher der Linksfraktion, dann in seiner Rede betonte, in der er sich zu Recht wunderte, wie im Landtag immer wieder in der gleichen Melodie über dasselbe Thema geredet wird.

„Die letzte aktuelle Debatte zum Thema Abgasaffäre, Dieselgipfel und drohende Fahrverbote hatten wir erst vor einem halben Jahr, im August 2017. Ich frage mich, was Sie seitdem – der Titel lautete ja: ‚Mobilität im Wandel‘ – geändert haben? Mir ist nichts bekannt und ich habe auch jetzt von der Koalition nichts Neues erfahren. Mir reichen Lippenbekenntnisse nicht aus!“, sagte er. „Um das noch mal klarzustellen: Auch wir wollen keine neuen Fahrverbote in den Städten!

Aber wenn Sie weiterhin nichts für die Alternativen – also einen attraktiven ÖPNV, sichere Rad- und Fußwege – machen, werden wir wohl in Sachsen nicht drum herumkommen, dass irgendwann Fahrverbote angeordnet werden müssen, um den Gesundheitsschutz der Menschen einhalten zu können. Es muss also dringend gehandelt werden!

Wir möchten nicht die Gruppe der Pendler*innen gegen die Anwohner*innen der Hauptverkehrsstraßen ausspielen! Wir wollen aber auch nicht, dass Gesundheits- und Verbraucher*innenschutz im Widerspruch stehen! Um das Problem der zu hohen Schadstoffe bei den Autos direkt zu lösen, müssen endlich die Autokonzerne zur Verantwortung gezogen werden!

Sie lassen die kleinen Leute allein, die Angst haben und nun mehrere tausend Euro zusammenkratzen sollen, für die Nachrüstung. Nicht zu vergessen sind auch die Dimensionen, die heutzutage Manager der Autokonzerne verdienen. Allein die Vorstandsmitglieder von VW haben – trotz Abgasskandal – im Jahr 2017 Vergütungen in Höhe von über 50 Millionen Euro erhalten. Und Sie trauen sich nicht, außer Lippenbekenntnissen, die Konzerne, die betrogen haben, auch nur einen Euro zur Umrüstung zahlen zu lassen? Ich halte das für nicht hinnehmbar!

Kommen sie mir nicht damit, dass Leipzig, Chemnitz und Dresden die Grenzwerte für Stickoxid einhalten. Das war gerade mal im Jahr 2017 der Fall. 2016 haben bspw. Leipzig und Chemnitz wie fast alle Jahre davor die Grenzwerte noch teilweise massiv überschritten. Das kann auch dieses Jahr wieder passieren. Wir alle kennen Menschen in unserem Umfeld, die Krebs haben oder hatten – auch Autoabgase und die damit einhergehende Luftverschmutzung sind Ursachen dafür! Also hören sie auf, die Gesundheitsgefahren zu verharmlosen und fangen Sie endlich an, die Autokonzerne zur Kasse zu bitten und den ÖPNV zu stärken!“

ADFC: Radwege statt Fahrverbote!

Immerhin einen Lichtblick sah der ADFC Sachsen in der Debatte. Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) stellte dabei auch die Förderung des Fuß- und Radverkehrs als wichtigen Lösungsansatz in den Vordergrund.

Der stellvertretende Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Sachsen (ADFC), Rolf Leonhardt, begrüßt die klare Positionierung Schmidts. Gleichzeitig fordert Leonhardt die Sächsische Staatsregierung dazu auf, die Kommunen stärker zu unterstützen und die Verkehrswende endlich ernster zu nehmen.

„Wer Fahrverbote vermeiden will, muss sich endlich dafür einsetzen, dass der Radverkehr vorangebracht wird, und zwar nicht nur in Tippelschritten. In Sachsen bestehen da noch erhebliche Umsetzungsdefizite. Land und Kommunen müssen die Förderung des Radverkehrs ernster nehmen“, sagt er.

Von den im Haushalt des Freistaats eingestellten 8 Millionen Euro für die kommunale Förderung des Radverkehrs bekam Dresden im letzten Jahr lediglich 51.000 Euro ausgezahlt, nach Leipzig floss aus diesem Topf kein einziger Euro.

Dennoch lobt Leonhardt die Anstrengungen vieler Kommunen und auch auf der Ebene des Freistaats: „Radverkehr ist die wirksamste Lösung für saubere Luft und mehr Lebensqualität! Der politische Wille für mehr Radverkehr wächst ohne Zweifel.“

Viele Städte arbeiteten bereits an der Verkehrswende. Nun müsse die Sächsische Staatsregierung die Luftreinhaltung im Stadtverkehr jedoch zur Chefsache machen und den Kommunen stärker unter die Arme greifen.

„Wir haben aktuell noch zu viele falsche Förderanreize, die dazu führen, dass mehr Autos in die Städte gezogen werden. Besonders beim Pendlerverkehr gibt es große Defizite. Hier brauchen wir ein starkes Netz an Radschnellwegen und Radrouten in die Ballungszentren sowie eine bessere Verknüpfung von Fahrrad und ÖPNV, etwa durch Radstationen an den Bahnhöfen“, erklärt Leonhardt.

Zur Unterstützung der Städte hat der ADFC betroffenen Städten die Arbeitshilfe Saubere Luft bereitgestellt. Sie enthält zahlreiche Maßnahmen, mit denen die Städte den Radverkehr attraktiver machen und dadurch für bessere Luft sorgen können.

Wenn Leipzig es ernst meint, muss die Stadt 500 bis 900 Millionen Euro in den ÖPNV investieren

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