Die SPD hat ein Problem – nicht nur die sächsische. Sie bevorzugt die vorsichtigen Schritte, die Kompromisse und verlässlichen Absprachen. Und damit hat sie auch Erfolge. Lauter kleine Schritte, die aber in der Wahrnehmung des Wählers gar nicht ankommen. Und selbst da, wo sie auf den Tisch hauen könnte, agiert sie mit Kommissionen und Kompromissen. So wie in der Verkehrspolitik in Sachsen. Jetzt drückt die Linsfraktion aufs Gaspedal.

Denn das Problem der SPD-Politik im ÖPNV ist, dass sie die ersten Jahre der Mitregierung dadurch verloren hat, dass Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) erst einmal eine ÖPNV-Kommission eingesetzt hat. Die hat im Dezember 2017 endlich ihren Bericht vorgelegt und Vorschläge gemacht, was im sächsischen Nahverkehr kurz- bis mittelfristig geändert werden könnte. Doch als sich der Mobilitätssprecher der Linksfraktion, Marco Böhme, mit einer Anfrage an die Regierung wandte, stellte sich heraus, dass selbst diese Vorschläge erst einmal im Dickicht der nicht kooperierenden Verbandsstrukturen hängengeblieben sind.

Die Existenz von fünf einzelnen Verkehrsverbünden in Sachsen, die alle ihre eigene ÖPNV-Politik machen, war schon mehrfach Thema im Landtag. Geändert hat sich nichts.

Und daran scheitern alle sinnvollen Ideen, den Nahverkehr in Sachsen nach 28 Jahren Wildwuchs endlich zu vereinheitlichen und so grundlegende Dinge wie einen Sachsentarif einzuführen.

Und dabei waren die Vorschläge der ÖPNV-Kommission nicht einmal mutig. Was zu erwarten war, wenn vor allem die bisherigen Träger des ÖPNV Vorschläge machen sollen, wie es besser gehen soll. Da bleibt es beim Kleine-Schritte-Modus.

Am Dienstag, 10. Juli, hat Marco Böhme, mobilitätspolitischer Sprecher der Linksfraktion, in Dresden das Forderungspapier der Linken vorgestellt, das nur eine Lösung in diesem Provinzdilemma sieht: Das Verkehrsministerium muss viel aktiver werden und die Schaffung übergreifender Strukturen selbst in die Hand nehmen.

„Nur etwa die Hälfte der Sächsinnen und Sachsen sind an ein ÖPNV-System angebunden. Vielerorts existieren außer dem Schulbus keine öffentlichen Verkehrsmittel. Die Landesregierung wälzt die Verantwortung auf die Verkehrsverbünde ab, die mehr oder weniger nur den Mangel verwalten können. Wir wollen den Haushalt nutzen, um den ÖPNV gezielt auszubauen. Das soll eine kommunale Pflichtaufgabe werden, die der Freistaat auskömmlich finanziert“, appelliert Marco Böhme und fordert ein deutlicheres Gewicht des ÖPNV im kommenden Doppelhaushalt 2019/2020.

Die zentralen Punkte aus dem Forderungspapier:

In jeder Gemeinde mit mehr als 800 Einwohnerinnen und Einwohnern sollen Busse im 2-Stundentakt, ab 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im 1-Stundentakt und ab 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Halbstundentakt fahren, auch als Zubringer zum Bahnverkehr.

Wenn das Ziel erreicht werden soll, dass mehr Menschen regelmäßig den ÖPNV nutzen, sind massive Investitionen in die Infrastruktur nötig – schon jetzt sind aber gerade in den Großstädten und im Berufsverkehr die Fahrzeuge oft zu voll. Helfen sollen gezielte Zusatzinvestitionen in alle ÖPNV-Zugänge sowie in moderne, emissionsarme und barrierefreie Fahrzeugflotten.

Die Linken schlagen auch ein Modellprojekt zur Nutzung von Wasserstoffbussen im Großstadtbetrieb vor.

Mittelfristig sollen alle Kinder und Jugendlichen unter 27 Jahren in Sachsen entgeltfrei öffentliche Verkehrsmittel nutzen können. Bis dahin sollte das geplante Bildungsticket der Koalition komplett vom Freistaat finanziert werden. Zielvereinbarungen mit den Kammern sollen auch Auszubildenden (in Vollzeit) den Kauf eines sachsenweit gültigen und günstigen Tickets ermöglichen, unabhängig vom Alter. In Thüringen startet das Azubiticket am 1. Oktober.

Um das Tarif-Dickicht zu lichten, vor allem an den Grenzen der Verkehrsverbünde, schlagen die Linken eine Dachgesellschaft vor, die Tarifstrukturen harmonisiert. Mittelfristig wollen wir einen Tarifverbund für ganz Sachsen, in dem einheitliche Ticketpreise und -konditionen gelten und der langfristig in Kooperation mit Sachsen-Anhalt und Thüringen ausgedehnt wird.

Damit Mobilität für alle bezahlbar ist, sollte ein Tarifmoratorium gelten.

Kommunen, die Sozialtickets finanzieren, sollten vom Freistaat gefördert werden.

„Zudem streben wir ein Modellprojekt ‚Entgeltfreier ÖPNV‘ in einem Mittelzentrum an. Dort soll ein solidarisches Finanzierungskonzept schrittweise umgesetzt werden und in einen Bürgerentscheid münden“, sagt Böhme. „Außerdem soll ein ÖPNV-Beteiligungsgesetz, das wir nach der Sommerpause vorlegen werden, aufsuchende Beteiligungsverfahren festschreiben, kommunale Beteiligungskonzepte für die ÖPNV-Planung ermöglichen und Fahrgastbeiräte unterstützen.

Dazu gehört auch die Stärkung der Fahrgastrechte, z. B. die Festlegung von Entschädigungen im Nahverkehr und die Einführung einer Schlichtungsstelle. Die Bedürfnisse und Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger sollen in die Ausgestaltung des ÖPNV einfließen. Denn die Gefahr ist groß, dass in Zeiten voller Kassen die Investitionen an den Bedürfnissen der eigentlichen Zielgruppe vorbeigehen.“

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