Regieren hat auch etwas mit Regeln zu tun. Mit Weichenstellen sowieso. Die Energiewende ist keine Erfindung des letzten Jahres, ebenso wenig der geplante Ausstieg aus der Atomkraft und aus der Kohle. Die Klimadaten sind längst eindeutig: Industrieländer wie Deutschland müssen so schnell wie möglich auf klimaschonende Energiegewinnung umsteigen. Aber seit 15 Jahren weigert sich Sachsens Regierungspartei, in der Richtung überhaupt einen Handschlag zu tun. Stattdessen investiert man viel Energie in Show-Meldungen.

So auch wieder am Mittwoch, 14. November. Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD hatten am Freitag, 9. November, einen Gesetzentwurf zur Änderung energierechtlicher Vorschriften in den Deutschen Bundestag eingebracht. Gegenstand der ersten Lesung des Energiesammlungsgesetzes waren geplante Änderungen unter anderem beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und Energiewirtschaftsgesetz.

Eigentlich alles nur logische Fortschreibungen des eh schon zähen Weges der Bundesrepublik zu einer klimafreundlicheren Energiepolitik und einer Senkung der klimaschädlichen Emissionen.

Aber selbst das schon genügte, um die sächsische CDU-Fraktion zutiefst zu erschrecken. Am Mittwoch meldete sich der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Lars Rohwer, zu Wort.

Lars Rohwer. Foto: CDU Sachsen
Lars Rohwer. Foto: CDU Sachsen

„Mit diesen Änderungen haben sich die Koalitionäre im Bund auf einen stärkeren Ökostrom-Ausbau ab 2019 geeinigt. Das ist ein Rückschritt hin zu einer weiteren EEG-finanzierten Energiewende, zumal wir schon auf dem richtigen Weg zur marktwirtschaftlichen Steuerung waren. Ich halte diese Kehrtwende für einen eklatanten Fehler! Die Strompreise für Endnutzer werden nicht wieder günstiger werden, sondern weiter steigen“, meinte Rohwer und forderte:

„Zuerst müssen wir funktionierende Speichertechnologien und den Netzausbau voranbringen, bevor wir uns Gedanken über einen weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien machen. So war es auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart. Die aktuellen Pläne zum massiven Ausbau von Windkraftanlagen und Photovoltaik machen unsere Netze kaputt. Und nicht zuletzt führt dies zu einer europäischen Spaltung, die wir auch schon beim abrupten Rückzug Deutschlands aus der Kernenergie erlebt haben.“

Dann schaute er noch kurz über die Grenze und erklärte: „Ich bin überzeugt: Solidarität innerhalb der EU wird es nicht geben! Unsere Nachbarländer werden ihre eigenen Netze vor Überlastung schützen. So sind schon heute an der tschechischen Grenze sogenannte Strombremser installiert, die überschüssige Energie umleiten.“

„Energiepolitischer Zwergenaufstand“

Darauf reagierte dann zwar nicht der sächsische Wirtschaftsminister, der sich bei Energiefragen spürbar zurückhält. Das übernahm dann lieber Dr. Gerd Lippold, energie- und klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. Er vermisst nun schon seit Jahren ein belastbares energiepolitisches Konzept für den Freistaat, der beim Ausbau der Erneuerbaren Energien mittlerweile deutschlandweites Schlusslicht ist. Aber nicht nur hier bremst das Kohleland.

„Obwohl die energiepolitischen Schritte der CDU/CSU-SPD-Koalition in Berlin noch viel zu kurz greifen, um die Klimaschutzziele 2030 zu erreichen und die Klimaschutzlücke 2020 zu schließen, lösen sie einen neuen energiepolitischen Zwergenaufstand in Sachsen aus“, sagte Lippold am Mittwoch.

„Ich mag nicht wirklich glauben, dass in der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag tatsächlich ein so weitgehender Realitätsverlust und eine so tiefgreifende Unkenntnis der realen Situation in Energiewirtschaft und Energiepolitik herrscht, wie in der heutigen Pressemitteilung des CDU-Landtagsabgeordneten Lars Rohwer zu lesen ist. Deshalb kann ich die anhaltende Totalverweigerung gegen den Ausbau sauberer, klimafreundlicher Energiequellen nur als Versuch interpretieren, bereits im Vorfeld der kommenden Landtagswahl Passfähigkeit zu den Wissenschaftsleugnern und verbissenen Energiewendegegnern von der AfD herzustellen.“

„Dieser Kurs hatte sich bereits in der letzten Landtagsdebatte zur Windenergie angedeutet, als der CDU-Landtagsabgeordnete mit der öffentlichen Verbreitung alternativer Fakten und Falschaussagen einen neuen Tiefpunkt anstrebte.“

Dr. Gerd Lippold (B90/Grüne). Foto: Juliane Mostertz
Dr. Gerd Lippold (B90/Grüne). Foto: Juliane Mostertz

Das sächsische Problem ist: Man ist zwar sehr prinzipientreu – aber über die Kosten, die dann Verbraucher und Steuerzahler tragen müssen, wenn die Energiepolitik sich als falsch herausstellt, hat man sichtlich keine Vorstellungen. Und gerade Atom- und Kohleenergie wurden und werden in Deutschland extrem stark subventioniert.

„Wer noch immer den Kernenergie-Ausstieg bedauert, der hat von der Kostenverteilung in der Energieversorgung und von demokratischen Entscheidungsprozessen seines Landes nichts verstanden“, sagt Lippold.

„Wer behauptet, dezentrale Stromerzeugung in Photovoltaik- und Windenergieanlagen mache die ‚Netze kaputt‘, verschleiert als Regierungspartei eigenes, langjähriges Versagen bei der Ertüchtigung der Netze. Er braucht dringend Nachhilfe zur Rolle anhaltend unnötig hoher fossiler Grundlasterzeugung bei der Belastung der Übertragungsnetze.“

Und auch Lippold sieht, was die Nachbarländer bei der Energieproduktion anstellen.

„Wer eine energiepolitische Spaltung Europas heraufbeschwört, der versucht in Wirklichkeit, sich ausgerechnet an jenen zu orientieren, die sich beim Klimaschutz auf Kosten der Gemeinschaft einen schlanken Fuß machen wollen“, findet der Grünen-Abgeordnete.

„Wer glaubt, man könne durch Verschleppen und Blockieren irgendwie doch noch so weitermachen wie bisher, der hat im Zeitalter des völkerrechtsverbindlichen Pariser Klimaschutzabkommens, dessen nationale Gültigkeit übrigens der eigene Ministerpräsident Kretschmer im Bundestag mit beschlossen hat, wirklich nichts verstanden.“

Da wäre es also eigentlich überfällig, dass die Sächsische Staatsregierung ein Strategiepapier zur Umsetzung der Energiewende vorlegt. Aber dafür fehlt augenscheinlich jegliche Kompetenz im Kabinett. Und das, obwohl die Bürger nur darauf warten, dass es endlich konkrete Ziele und „Leitplanken“ auch in Sachsen gibt. Aber was man hört, lautet immer nur: Kohle.

Das ist zu wenig. Und das hat mit Regieren nichts zu tun.

„In aktuellen Umfragen steht eine große Mehrheit der Menschen hinter ambitioniertem Klimaschutz, einer entschlossen vorangetriebenen Energiewende und einem raschen Kohleausstieg. Wenn die sächsische CDU dennoch unbedingt Kohlepartei bleiben will, so gibt es für diese Menschen nur eine Lösung des Zielkonflikts bei der nächsten Wahl – ihrerseits aus der CDU auszusteigen“, stellt Lippold fest.

„Mit dem Beschluss der großen Koalition im Bund, lange verschleppten Sonderausschreibungen im Bereich von Sonnen- und Windenergie auf den Weg zu bringen und weitere Novellierungsschritte zu gehen, endet eine Phase der totalen energiepolitischen Arbeitsverweigerung.“

Grüne beantragen eine Landes-Servicestelle „Windenergie“ im Freistaat

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