Man durfte ja in den vergangenen Jahren immer wieder zutiefst erschrocken sein, wie staatliche Instanzen mit Whistleblowern und auch Medien umgegangen sind, die verheimlichte Informationen aus Behörden und staatlichen Einrichtungen veröffentlicht haben. Viele dieser überzogenen Aktionen machten deutlich, wie sehr sich das Staatsverständnis diverser Amtsinhaber verschoben hat. Auch indem immer mehr Behördenvorgänge als „geheim“ eingestuft wurden. Da darf man tatsächlich mitzittern, ob ein Grünen-Antrag zu besserem Whistleblower-Schutz in Sachsen durchkommt.

Denn Sachsen ist ein Land, in dem augenscheinlich in manchem Ministerium die Grenzen zwischen Staatsamt und Parteigefolgschaft verschwimmen. Oder auch jene zwischen Behörde und Privatwirtschaft, auch so ein Feld, wo Unterlagen gern mit Geheimnisschutz versehen werden, weil ja doch „private Interessen“ berührt werden. Von einer transparenten Verwaltungsarbeit ist der Staat in Deutschland weit entfernt. Und wer aus den geheimen Welten der Ämter und Hinterzimmer plaudert, riskiert sofort eine ziemlich grimmige Strafverfolgung.

Am Donnerstag, dem 17. Januar, um 10 Uhr findet im Innenausschuss des Sächsischen Landtags (Plenarsaal) eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion für ein Sächsisches Whistleblower-Schutzgesetz statt.

„Trotz (oder wegen) ihrer enormen Bedeutung für eine demokratische und transparente Gesellschaft, in der die Kontrolle gegen rechtswidrige Übergriffe funktioniert, sind Whistleblower extremen Gefahren ausgesetzt“, formulieren die Grünen ihr Anliegen.

„Sie riskieren ihr berufliches Fortkommen, ihre Existenz oder – wie Edward Snowden – ihre Freiheit. Sie gelten als Nestbeschmutzer und sind Repressionen ausgesetzt. In Sachsen sind die Auswirkungen solcher Repressionen insbesondere im Zusammenhang mit dem sogenannten Sachsensumpf bekannt geworden. So berichteten Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die wegen Geheimnisverrat verfolgt wurden, von ‚peinlichen Befragungen‘ durch ihre Vorgesetzten, obwohl sie wegen ihres Zustands hätten ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen, oder von versuchter Nötigung für die Unterzeichnung von Schuldeingeständnissen.

Neben Behördenmitarbeitern wurden auch Journalisten strafrechtlich verfolgt. Ähnlich erging es dem ehemaligen Sächsischen Datenschutzbeauftragten im Jahr 2000 in einem Fall der öffentlichen Bekanntgabe von ministeriellen Vermerken wegen des Verdachts der unlauteren Einwirkung eines Ministers auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.“

Wie schützt man also Menschen, die eindeutig staatlichen Missbrauch an die Öffentlichkeit bringen? Und zwar gerade dann, wenn ihre Vorgesetzten jede Aufklärung verhindern wollen?

„Das Europäische Parlament hat im Oktober 2017 mit großer Mehrheit eine Entschließung zum Schutz von Whistleblowern auf EU-Ebene angenommen“, erinnern die Grünen an die Vorgeschichte des europäischen Vorstoßes zum Whistleblower-Schutz. „Die Debatte stand unter dem Eindruck des erst wenige Tage zuvor begangenen Mordes an der maltesischen Journalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia, die mit ihren Recherchen u. a. bei der Auswertung der Panama-Papers ihr Leben lang einen Kampf gegen Intransparenz und Korruption geführt hatte.“

Noch gibt es in Sachsen keinen Schutz für Mitarbeiter von Staatsbehörden, wenn sie Missstände zur Anzeige bringen wollen. Bislang dürfen sie das sowieso nur innerhalb der Behörde bei ihrer vorgesetzten Dienststelle tun – was aber oft genug bedeutet, dass sie selbst berufliche Nachteile befürchten müssen, gerade dann, wenn die Vorgesetzten in einen Missbrauch involviert sind oder diesen lieber vertuschen wollen. Eine unabhängige Stelle, an die sich Beamte und Mitarbeiter aus den Behörden wenden können, gibt es bislang nicht.

Aber alle Erfahrungen der vergangenen Jahre – die Panama-Papers sind dafür ein eklatantes Beispiel – besagen, dass erst eine hergestellte Öffentlichkeit hilft, auch die Missstände in Behörden und Verwaltungen anzugehen.

„Erst der öffentliche Druck und eine dadurch erforderliche Rechtfertigung bewirken signifikante Änderungen in eingeschliffenen Abläufen, insbesondere in den Bereichen, in denen eine demokratische Kontrolle nicht oder nur begrenzt stattfindet“, betonen die Grünen.

„In seiner Entschließung vom Oktober 2017 hat das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgefordert, die positive Rolle von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern zu fördern und all jene Mitgliedstaaten, die noch keine Rechtsvorschriften über die Meldung von Missständen erlassen haben, ersucht, dies nachzuholen.“

Das betrifft auch den Freistaat Sachsen.

Als Sachverständige für die Anhörung hat die Grünen-Fraktion die Journalistin Annegret Falter benannt, Vorsitzende des Whistleblower Netzwerk e.V.

„Unsere Gesellschaft aber auch ein funktionierender Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes rechtswidriges staatliches Handeln offenlegen und sich offenbaren, wenn ihre Mahnungen zu rechtsstaatlichem Handeln ungehört verhallen“, betont Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Grünen, der für seine Fraktion an der Anhörung teilnehmen wird.

„Whistleblower können dazu beitragen, Transparenz und demokratische Rechenschaftspflicht zu stärken, Korruption und Misswirtschaft zu bekämpfen und öffentliche Debatten zu initiieren. Sie bedürfen eines besonderen staatlichen Schutzes.“

Genau darum habe die Grünen-Fraktion den Gesetzentwurf vorgelegt.

Die Anhörung zum Gesetzentwurf der Grünen findet am Donnerstag, 17. Januar, ab 10 Uhr im Sächsischen Landtag (Plenarsaal) statt.

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