Der sächsische Verfassungsschutz widmet sich in seinen jährlichen Berichten ausführlich Bands, die er als „linksextremistisch“ einstuft. Zuletzt beklagte er beispielsweise, dass „Feine Sahne Fischfilet“ auf dem „Wir sind mehr“-Konzert in Chemnitz auftreten durfte. Die ebenfalls beobachtete, aber weniger bekannte Band „Dr. Ulrich Undeutsch“, über die der MDR vor Monaten eine falsche Behauptung verbreitet hat, wehrt sich nun: Sie möchte den sächsischen Verfassungsschutz verklagen.

Der sächsische Verfassungsschutz sieht sich seit mehreren Wochen wieder einmal harscher Kritik von vielen Seiten ausgesetzt. Erst beklagten die „Kritischen Einführungswochen“ der Universität Leipzig, dass die Behörde die Hochschulleitung unter Druck gesetzt habe, dann machten Medienberichte über eine angebliche Falschaussage des Präsidenten Gordian Meyer-Plath im NSU-Untersuchungsausschuss die Runde. Und nun meldet sich auch noch eine linke Band zu Wort.

„Dr. Ulrich Undeutsch“ heißt jene Band, die den sächsischen Verfassungsschutz verklagt hat. Das teilte sie am Donnerstag, den 6. Juni, per Pressemitteilung mit. Anlass sei die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht als „linksextremistische“ Band.

Böser Antifaschismus

Tatsächlich erwähnt der Verfassungsschutz die Band in seinen Berichten für 2017 und 2018. In jenem für 2017 zitiert er aus zwei Songs; in jenem für 2018 geht er nicht näher auf die Band ein. Darin heißt es lediglich, dass sie den demokratischen Rechtsstaat ablehne und die Themenfelder „Antirepression“ und „Antifaschismus“ aufgreife. Dass der Verfassungsschutz antifaschistische Aktivitäten für bemerkenswert hält, sorgte schon nach Veröffentlichung des Berichts für Kritik.

„Bei unserer Nennung wird nicht erkennbar, was genau an unserer Musik die Kunstfreiheit überschreiten soll und uns zu Demokratiefeinden machen soll“, schreibt „Dr. Ulrich Undeutsch“ in der Pressemitteilung. „Was allerdings offensichtlich ist, ist, dass wir durch diese Einstufung kriminalisiert werden und dies von den Behörden ausgenutzt wird, um Locations, deren Betreiber/-innen und Konzertveranstalter/-innen das Leben schwer zu machen.“

Beobachtung mit Folgen

Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz habe bereits konkrete Konsequenzen gehabt: „Aktuell hat beispielsweise der Bürgermeister des Dorfes Leubsdorf im Mittleren Erzgebirge die Alternative Rocknacht des Pfingstfestes des ortsansässigen Fußballvereins abgesagt, da wir im Programm stehen.“

Außerdem beklagt „Dr. Ulrich Undeutsch“, dass sich Neonazis in Sachsen „nach Belieben austoben“ dürften. Verfassungsschutzpräsident Meyer-Plath sei wegen seiner Rolle im NSU-Komplex und als alter Herr einer Burschenschaft „nicht gerade ein Vorzeigedemokrat“. Die Band beantragt Eilrechtsschutz, damit der aktuelle Bericht möglichst schnell nicht weiter verbreitet wird.

MDR berichtete falsch über die Band

Bereits im März hatte die L-IZ über die Band sowie den Umgang von MDR und Verfassungsschutz mit ihr berichtet. Der MDR behauptete in einem Beitrag, dass sie zu Gewalt gegen politische Gegner aufrufe, und riss dabei einen Teil eines Lieds aus dem Kontext.

Die Verfassungsschutzbehörden in Sachsen und Bayern zitierten zudem aus dem Lied „Staatsgewalt“, das zu Gewalt gegen Polizisten aufrufe. Auf Anfrage erklärte die Band damals: „Den Liedtext haben wir 2013 umgeschrieben, weil wir die damalige Fassung ebenso kritisch sahen und in dieser Form nicht mehr vertreten konnten.“ Seitdem spiele man nur noch eine alternative Fassung. Das erwähnten die Verfassungsschutzbehörden allerdings nicht.

Aus dem Kontext gerissen: Wie der MDR über eine „linksextreme“ Band berichtet

Aus dem Kontext gerissen: Wie der MDR über eine „linksextreme“ Band berichtet

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