Seit dem 2. Mai machen Aufnahmen aus Plauen die Runde und zeigen ein Sachsen, wie man es mittlerweile in deutschen Nachrichtensendungen geradezu erwartet: Scheinbar ohne Einschränkung können da an einem 1. Mai die Mitglieder einer rechtsradikalen Mini-Partei uniformiert mit Trommeln und Bengalos durch die Stadt marschieren – und die Polizei greift nicht ein. Und der Innenminister beantwortet eine Landtagsanfrage dazu eher mit einem Achselzucken: Ist eben so.

Gefragt hatte unter anderem der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, Valentin Lippmann. Er wollte genau wissen, was die örtliche Versammlungsbehörde für den Aufmarsch der Partei „Der III. Weg“ beauflagt hatte.

Und da geht es schon los. Als hätte man im schönen Plauen nicht mal eine Ahnung, wie sich Rechtsradikale bei ihren Demonstrationen inszenieren, um ganz bewusst Erinnerungen an die Aufmärsche im Hitlerreich wachzurufen. Die Kleinpartei hatte Trommeln beantragt.

Und statt die Trommeln zu untersagen, legte die Versammlungsbehörde nur eine Obergrenze fest: „Die Anzahl der Trommeln ist auf maximal 10 zu begrenzen. Bei polizeilichen Durchsagen ist das Trommeln zu unterlassen. Signalfackeln werden nicht eingesetzt.“

Dass die Rechtsextremen auch schon beantragt hatten, in Uniformierung auftreten zu wollen, war der Versammlungsbehörde nicht mal ein Schulterzucken wert. Man tat so, als wolle man das martialische Auftreten ein bisschen einhegen: „Die Anzahl der Trommeln wird auf maximal 10 begrenzt, da sonst von der Versammlung ein militärisch anzumutendes Gesamtgepräge ausgeht. Durch die Beschränkung solle (auch im Hinblick auf das gleichzeitige Tragen von einheitlicher Parteikleidung) das Entstehen einer einschüchternden Wirkung auf Unbeteiligte vermieden werden. Im Rahmen des Kooperationsgespräches vom 04.04.2019 wurde mitgeteilt, dass im Gegensatz zur Versammlungsanzeige keine Signalfackeln eingesetzt werden sollen.“

Zehn Trommeln, einheitliche Parteikleidung … Wie viele Trommeln braucht man eigentlich in Plauen, um bei den Verantwortlichen den Eindruck „einschüchternder Wirkung auf Unbeteiligte“ zu erzeugen? 20, 30?

Aber selbst das mit den Signalfackeln hielt die Versammlungsbehörde nicht durch. Aus Angst vor der Schnellentscheidung des Verwaltungsgerichts, meint Innenminister Roland Wöller (CDU) in seiner Antwort an Lippmann.

Also wurde das Verbot von Signalfackeln am 25. April aufgehoben: „Bei Beginn des Aufzuges am Wartburgplatz und beim Wiedereintreffen am Wartburgplatz können jeweils 16 Signalfackeln eingesetzt werden (je 8 Personen an beiden Außenseiten der Aufzugsformation). Die Träger dürfen nicht mehr als eine Signalfackel gleichzeitig tragen. Die Signalfackeln sind im Stehen gen Himmel gerichtet und in einem Sicherheitsabstand zu anderen Versammlungsteilnehmern und Polizeibeamten abzubrennen. Es sind geeignete Löschmittel mitzuführen und abgebrannte Fackeln sind in einem geeigneten Behältnis zu entsorgen. Begründung: Die unbegrenzte Nutzung von Signalfackeln wäre innerhalb eines Aufzuges ab einem bestimmten Punkt geeignet, die öffentliche Sicherheit unmittelbar zu gefährden. Insbesondere die eigenen Versammlungsteilnehmer sind durch einen unkontrollierten Einsatz von Signalfackeln in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit gefährdet.“

Und wie ist es mit dem für alle sichtbaren Verstoß gegen § 3 des Sächsischen Versammlungsgesetzes?

Dort heißt es eindeutig: „Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen, wenn infolge des äußeren Erscheinungsbildes oder durch die Ausgestaltung der Versammlung Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch auf andere Versammlungsteilnehmer oder Außenstehende einschüchternd eingewirkt wird.“

Dazu stellt nun Roland Wöller in sächsischer Abgebrühtheit fest: „Bezüglich eines Uniformverbotes i. S. v. § 3 SächsVersG wurde seitens der Versammlungsbehörde nicht von einer Tatbestandserfüllung durch die Versammlung ausgegangen.“

Kritik: Neonazi-Aufmarsch in Plauen (Tagesschau)

Man hat also wirklich jedes einzelne Element des Aufzugs, mit dem die Partei „Der III. Weg“ direkt Bezug nahm auf die Fackelaufmärsche der Nazi-Zeit, erlaubt.

„Nach Auffassung der Versammlungsbehörde Vogtlandkreis hätten im konkreten Fall Auflagen zur kompletten Untersagung von Trommeln und/oder Fackeln aus Gründen der öffentlichen Ordnung einer verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung nicht standgehalten“, meint Wöller noch.

Was seiner vollmundigen Ankündigung vom 9. Mai, er wolle härter gegen Neonazidemos vorgehen, widerspricht. Denn nach seiner Auskunft an Lippmann war alles rechtens und in Ordnung so, was die Versammlungsbehörde im Vogtlandkreis entschieden hatte. Zehn Trommeln und 16 Fackeln sind jetzt also irgendwie normal. Die T-Shirts sind es in Plauen übrigens schon länger. Sie wurden auch 2016 schon genehmigt. Damals waren es rote. Diesmal waren sie beige.

Jetzt hat die Partei „Der III. Weg“ einfach noch Fackeln und Trommeln dazugetan, hat die Sache also einfach noch ein Stückchen weitergedreht. Und die Versammlungsbehörde fand das in Ordnung.

So werden Grenzen verschoben. Stück für Stück. Und die Behörden spielen mit, weil sie glauben, mit der Zahl der Trommeln entscheide sich der Eindruck eines uniformierten Aufmarsches und nicht über die simple Tatsache, dass überhaupt getrommelt und gefackelt werden soll.

Der „III. Weg“ in Plauen: Neonazis demonstrieren mit Fackeln und in Uniform

Der „III. Weg“ in Plauen: Neonazis demonstrieren mit Fackeln und in Uniform

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar