„Protestkundgebung vor Kita storniert“ verkündete André Poggenburg am 25. Juli 2019 kurz nach 23 Uhr auf seinem Facebookaccount zur erst vor Stunden für den Ort direkt an der Kita in der Lößniger Straße 10 angemeldeten Demonstration seiner ADPM. Mittlerweile darf man sich wohl die Frage stellen, ob ein Anmelder wie André Poggenburg Demonstrationen als Beschäftigungs- und Vorlaufmaßnahme für den zunehmenden Netzwahlkampf versteht. Denn auch seine Begründung ist eine herbeigeredete Zustimmung zu seinem neuerlichen Auftrittsversuch am Freitag in Leipzig. Und die Netz-Leserschaft der LVZ dient als Kronzeuge, dass die ADPM da wohl 84 Prozent Zustimmung hätte.

In der Tat scheint sich um die Online-Umfragen der LVZ und die Zeitung selbst durchaus ein Biotop gebildet zu haben, was man getrost als rechtsoffen bis uninformiert bezeichnen kann. Auf die sogar eher defensiv formulierte Frage „Zwei Kitas erwägen, Schweinefleisch vom Speiseplan zu nehmen – eine gute Idee?“ gab es 685 Stimmabgaben (von wie vielen Accounts aus, weiß man aufgrund fehlender technischer Transparenz nicht) und 84 Prozent waren gegen die Erwägung. Warum durchaus viele Überlegungen – von Umweltfragen bis hin zu generellen der Massentierhaltung oder eben dem einen gemeinsamem Essen von Kindern in Kitas – eine Rolle spielen könnten, ging offenbar im anti-islamischen Furor der letzten Stunden unter.

Ganz gleich, welche Probleme also die LVZ in ihrer eigenen Berichterstattung über die aktuellen Probleme der Zeit oder mit ihrem Lesepublikum hat: für Poggenburg war das offenbar keine Bestätigung der Notwendigkeit seiner Kundgebung vor der Kita zur Verstärkung, sondern ein willkommener Grund für den Rückzug. „Sehr zu begrüßen ist, dass es eine äußerst breite gesellschaftliche Ablehnung zum islamgetriebenen Schweinefleischverbot gab, wie auch die Umfrage der LVZ Leipziger Volkszeitung verdeutlicht.“ So würde also das „Motto unserer angedachten Demo: ‚keine Indoktrination und Islamisierung an Kitas und Schulen’ (…) scheinbar gesellschaftlich breit getragen.“

Womit er eigentlich nur noch einmal bestätigt, dass sich immer dann der aufrechte Deutsche um sein Schnitzeltier versammelt, wenn es gegen die Muslime geht. Und wenn dann die Juden ernährungstechnisch ähnliche Fragen anmelden, könnte es ebenfalls (historisch erneut) sehr eng mit dem gemeinsamen „christlich-jüdischen Hintergrund“ in diesen Kreisen werden. Denn es geht um Dominanz, nicht um gemeinsame Vereinbarungen, wie sie in der Kita versucht wurden. Nun soll es einen Elternabend geben, um das Thema erneut im Angesicht von Wahlkämpfen, BILD-Schlagzeilen und Rechtsradikalenablehnung zu besprechen.

Und der Schweinekrieg ist für André Poggenburg aktuell gewonnen. So habe „der Betreiber der Kitas vorerst eingelenkt, sodass auch weiterhin Schweinefleischprodukte Teil des Speiseplanes sind“. Wenn man über diesen ganzen Sommerhype später einmal nachdenken wird, bleibt sicherlich nur noch die Frage, ob die armen Kinderlein zu Hause in einer Vollkörper-Burka herumlaufen und anschließend mit Schweinerippchen gefoltert werden sollten, statt sie zu essen.

Was das allerdings mit Politik für die Menschen in Sachsen zu tun hat, bleibt sein Geheimnis.

Der Rest ist offenbar ein Gewaltfetisch beim ADPM

Aus den angekündigten Gegenprotesten zur rechten Instrumentalisierung der Kita-Entscheidung wird nun ein gewaltbetontes Event, wenn Poggenburg schreibt: „andererseits haben sich zwei linke Gegendemos auf den Plan gerufen, bei deren Durchführung wieder mit aggressionsgeladenem Verlauf und Gebrüll zu rechnen ist, was wir den Kindern der Einrichtung keinesfalls zumuten wollen.“

So nähme der noch nie ernsthaft gelaufene und somit auch noch nie in Leipzig „blockierte“ ADPM nun die Verantwortung für die Kinder wahr, da „von handfesten Blockadeversuchen philosophiert“ seitens „gewaltbereiter Linkschaoten“ worden sei.

Irritierend genug es schreiben zu müssen, sozusagen als Fakenews-Alarm: Es hat bei ADPM-Kundgebungen immer lautstarken Protest, aber noch nie Gewalt seitens der Gegendemonstranten gegeben. Fast scheint es, als ob André Poggenburg genau dies wünscht, um noch irgendwie irgendwen vom ADPM in den Landtag Sachsens zu bekommen.

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