Die sächsische Regierungspolitik ist eine Katastrophe, geprägt durch Klienteldenken, Angst vor Veränderungen und falschen Schwerpunktsetzungen. Aber das merkt nur, wer sich ehrenamtlich im Land engagiert und an Ministerien und Landesbehörden immer wieder scheitert. Der Artenschutz ist nur eins von vielen Themen, wo ein verkrusteter Regierungsapparat regelrecht zum Stillstand gekommen ist.

Nur steht davon selten etwas in der Zeitung, weil die dominierenden Regionalzeitungen in Sachsen es für selbstverständlich halten, dass auch Nicht-Politik als akzeptabel beschrieben werden kann und nicht umgesetzte Koalitionsverträge genauso nicht des Erwähnens wert sind wie nicht erfüllte Gesetzesvorgaben etwa zur Wasserrahmenrichtlinie, zum Hochwasserschutz, zur Ausweisung und Pflege von Naturschutzgebieten und so weiter.

Und die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Landtag, Jana Pinka, war nicht die einzige, die bei ihren Begegnungen mit dem zuständigen (Umwelt-)Minister Thomas Schmidt (CDU) das seltsame Gefühl hatte, dass der Mann sich für die ganzen Umweltthemen nicht die Bohne interessiert. Das ist in Sachsen alles wegsortiert worden, übergeben an Staatsbetriebe wie den Staatsbetrieb Sachsenforst, der unter der CDU/FDP-Regierung auch die ganze Betreuung der großen Landschaftsschutzgebiete übertragen bekommen hat. Ein Unding, wie die Grünen-Fraktion seither nicht müde wird zu betonen.

Denn der Staatsbetrieb ist auf die Erwirtschaftung von Holz ausgerichtet, tut sich aber unübersehbar schwer, in irgendeiner Weise gesetzeskonforme Schutzpläne für die Landschaftsschutzgebiete zu entwickeln. Er steckt im selben Dilemma wie die Abteilung Stadtforsten in Leipzig, die den Stadtrat Jahr für Jahr mit neuen Forstwirtschaftsplänen überfällt, aber dabei die strengen Schutzauflagen für das Leipziger Auensystem nicht einhalten kann. Dafür fehlt schlicht die Kompetenz. Möglicherweise ist sie in anderen Ämtern der Stadt vorhanden, aber dann ist die Zuordnung falsch, dann muss eine naturschutzfachliche Abteilung die Regie über sämtliche Schutzgebiete übernehmen.

Aber man orientiert sich augenscheinlich am Freistaat, der diese nicht funktionierende Struktur selbst für die wertvollen großen Landschaftsschutzgebiete aufrechterhält. Mit echten Problemen für all die ehrenamtlich tätigen Naturschützer im Land. Sie beißen sich an Sachsenforst die Zähne aus und finden im Umweltministerium keinen Ansprechpartner, der etwas anweisen oder auch nur sagen darf.

Aber, so deutet Pinka jetzt an: Vielleicht kommt jetzt endlich ein Umdenken in Gang.

„Nach all den Versprechungen seitens des Umweltministeriums, nach all den Hiobsbotschaften zum Bestand des Birkhuhns (u. a. ausgestorben in der Lausitz) und den dramatischen Aussagen der Sachverständigen in der Ausschuss-Anhörung hatte ich auf einen schnellen und wirksamen Nothilfeplan gehofft. Das Artenhilfsprogramm, das das Ministerium vorlegte, war das Papier nicht wert“, zieht Pinka Bilanz zu dem, was der zuständige Minister dazu bislang vorgelegt hatte.

„Die Empfehlungen von uns wie von den Naturschützern wurden nicht aufgenommen. Daraufhin habe ich in der letzten Ausschusssitzung der Legislatur offen und direkt angezweifelt, ob Umweltminister Schmidt überhaupt seine Richtlinienkompetenz gegenüber dem Staatsbetrieb Sachsenforst durchsetzt. Nach der heutigen Meldung der Freien Presse scheinen die Naturschützer auf den letzten Metern (Ende Legislatur) nun doch noch gesiegt zu haben. Dazu meine Gratulation ins Erzgebirge!“

Nach intensiven und langwierigen Auseinandersetzungen um den Schutz des vom Aussterben bedrohten Birkhuhns, sowohl im Parlament als auch im Erzgebirge, zwischen Sachsenforst und dem Ministerium auf der einen, sowie Ornithologen, Naturschützern und der linken Opposition auf der anderen Seite, vermeldete die Freie Presse am 4. Juli: „Birkhuhnzoff: Ornithologen melden Erfolg“.

„Die Lehre daraus für mich: Damit sich im Jahr 2019 im Freistaat Sachsen beim Artenschutz überhaupt etwas bewegt, müssen Naturschützer geschlossen auf die Barrikaden gehen und die linke Opposition die Machtlosigkeit des zuständigen Ministers und das Eigenleben seiner Behörden immer wieder öffentlich machen“, meint Dr. Jana Pinka.

„Das könnte abgetan werden mit dem Hinweis, dass doch dafür die Naturschutzverbände und die Opposition da seien. Wenn es sich hier nicht um eine gesetzliche Pflichtaufgabe (Schutz bedrohter Arten vor dem Aussterben) handeln würde, wo alle entscheidenden Akteure direkt unter staatlicher Kontrolle stehen (Ministerium und Sachsenforst). Auch hier stellt sich also erneut die Frage: Wozu brauchen wir diese Staatsregierung aus CDU und SPD überhaupt noch, wenn sie nicht einmal ihren Pflichten nachkommt?“

Das Protokoll der entsprechenden Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft machte dann auch sehr deutlich, wie Sachsenforst den Umweltschutz in seiner Arbeit unterzubringen versucht: „Die Sachsenforst-Variante beinhalte offenbar minimale Kernflächen für das Birkhuhn, die bei Weitem nicht die ermittelten Kernlebensräume abdeckten und auch nicht den Ansprüchen der Art genügten. Sie setze auf nicht vorhersehbare Flächen, z. B. durch Sturmereignisse oder Schädlingskalamitäten. Damit sei aktuell nicht die Überlebensfähigkeit der Birkhuhnpopulation in den sächsischen Vogelschutzgebieten gesichert.“

Artenschutz also nur dort, wo er die Bewirtschaftung der Wälder nicht beeinträchtigt. Und das Protokoll macht auch gleich noch sichtbar, wie diese Nicht-Artenschutzpolitik dann von der Regierung selbst bzw. der Regierungspartei CDU wieder als erfolgreiches Handlungsprogramm verkauft wird: „Der Sprecher der CDU-Fraktion erklärte, dass der Vorwurf – in der Vergangenheit sei gar nichts passiert – so in der öffentlichen Anhörung nicht erhoben worden sei. Man könne darüber diskutieren, ob das, was gemacht worden ist, ausreichend sei. Die Behauptung, dass das Birkhuhn ausstirbt, weil nichts passiert sei, sei unzutreffend. Die CDU-Fraktion und das SMUL verfolgten gemeinsam das Ziel, die von der EU-Kommission aufgegebenen Verpflichtungen zum Birkhuhnschutz zu erfüllen. Dabei müsse die Abwägung unterschiedlicher Interessen erfolgen. Allein den Argumenten einer Initiativgruppe zu folgen, reiche nicht. Der Abwägungsprozess müsse umfassender und auf die Erreichung der Zielstellungen ausgerichtet sein.“

So wird Tatenlosigkeit einfach mit Worthülsen in emsige Tätigkeit verwandelt. Der Kampf um die Birkhuhnpopulationen geht seit den 1990er Jahren. An deren Grundbedürfnissen hat sich nichts geändert. Doch Sachsenforst sah sich nicht genötigt, auf die Forderungen der Naturschutzverbände einzugehen. Stattdessen ginge es – so der CDU-Sprecher – um „die Abwägung unterschiedlicher Interessen“. Das ist die bekannte Phrase, mit der die Artenschutzgesetze einfach für verhandelbar und damit nachrangig erklärt werden. Typisch Sachsen, kann man dazu sagen. Denn die anderen Interessen sind die rein wirtschaftlichen, die Sachsen immer wieder über alle naturschutzgesetzlichen Anforderungen stellt, egal, ob es forstwirtschaftliche oder „tourismus“wirtschaftliche Interessen sind.

Das ergibt genau diese schwammige Diskussion, wie sie auch in Leipzig um den Auenwald stattfindet, so schwammig, dass selbst die gewählten Stadträte nicht mehr wissen, wie sie entscheiden sollen, wenn ihnen die Stadtverwaltung immer wieder rein wirtschaftliche Fällprogramme für tausende Festmeter Holz aus dem Auenwald auf den Tisch packt, mit denen fortwährend die Schutzbedingungen für das Landschaftsschutzgebiet unterlaufen werden, die solche Eingriffe eigentlich eindeutig untersagen.

Für Sachsens Regierung ist Artenschutz augenscheinlich nur ein Sonntagsthema

Für Sachsens Regierung ist Artenschutz augenscheinlich nur ein Sonntagsthema

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