Am 31. August verkündete die LEAG mit breiter Brust: „Umsiedlung von Mühlrose ist rechtskräftig. Rückbauarbeiten beginnen auf LEAG-Grundstücken“. Abreißen kann sie, weil sie die Häuser den Bewohnern in Mühlrose ja abgekauft hat. So wird vor allem mit Geld und Druck Politik gemacht, auch wenn selbst der Umweltminister mahnt, dass es für die Kohle unterm Dorf noch lange keine Abbaugenehmigung gibt. Aber abgerissen wird trotzdem.

„Der Kohlekonzern LEAG hat in den letzten Tagen seine Ankündigung wahr gemacht und mit dem Abriss von zwei Häusern im bedrohten Dorf Mühlrose (sorbisch: Miłoraz) begonnen“, teilt das Bündnis Alle Dörfer bleiben mit, das auch für den Erhalt des Dorfes Mühlrose kämpft. „Damit ignoriert der Konzern Warnungen der regierenden Grünen, dass eine ,Grenze überschritten‘ werde.“

Am heutigen Dienstag, 15. September, beschäftigt sich der sächsische Landtag mit dem Thema: ein öffentlicher Ausschuss beschließt dann über einen Antrag der Linksfraktion, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, klimapolitische Klarheit zu schaffen und die vom Kohleabbau bedrohten Dörfer Miłoraz/Mühlrose, Pödelwitz und Obertitz zu erhalten.

In der Stellungnahme zu dem Antrag hatte Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) unter anderem festgestellt: „Die Inanspruchnahme der Ortslagen Pödelwitz, Obertitz und Mühlrose ist bisher nicht Gegenstand von zugelassenen bergrechtlichen Betriebsplänen. Bei der Zulassung von bergrechtlichen Betriebsplänen sind gemäß § 48 Abs. 2 BBergG die Ziele der Raumordnung zu beachten. (…)

Der Braunkohlenplan Tagebau Nochten vom 17. April 2014 weist die Ortslage Mühlrose als Vorranggebiet Braunkohlenabbau aus. Damit ist hier, anders als beim BKP Tagebau Vereinigtes Schleenhain, eine raumordnerische Letztentscheidung getroffen worden und an verschiedene Maßgaben gebunden (z. B. sozialverträgliche Umsiedlung). Der Braunkohlenplan Tagebau Nochten wird zurzeit insbesondere aufgrund des geänderten Revierkonzeptes der LEAG vom März 2017 fortgeschrieben. Gegenwärtig wird der Entwurf des Braunkohlenplanes für das Beteiligungsverfahren erarbeitet. Das überarbeitete Energie- und Klimaprogramm wird in die Fortschreibung dieses Braunkohlenplanes einfließen.“

Damit nimmt das Wirtschaftsministerium eine wesentlich weichere Position ein als das für den Kohleausstieg zuständige Umweltministerium.

„Mit dem Abriss der Häuser schafft die LEAG unumkehrbare Fakten und übergeht die Interessen der Bleibenden“, stellt das Bündnis Alle Dörfer bleiben fest. „Laut geltendem Recht kann umsiedeln, wer umsiedeln will. Wer das hingegen nicht tun will, muss es nicht tun, denn der Kohlekonzern hat keine bergrechtliche Genehmigung zur Abbaggerung der Kohle unter Miłoraz/Mühlrose. Zum jetzigen Zeitpunkt liegt zwar ein privater Umsiedlungsvertrag zwischen der LEAG und Anwohnenden vor, diesen haben aber nicht alle Haushalte im Dorf unterschrieben. Der Vertrag stellt zudem keine pauschale Rechtfertigung für Abrissarbeiten im Ort Mühlrose dar, so ein aktuelles Rechtsgutachten von Dr. Roda Verheyen im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland.“

Miłoraz/Mühlrose gehört zum offiziellen sorbischen Siedlungsgebiet.

„Mit der geplanten Zerstörung wird somit nicht nur die dörfliche Gemeinschaft, sondern auch jahrhundertealte sorbische Kultur angegriffen. Es bleibt zu hoffen, dass die Umsiedelnden sie in der Ersatzsiedlung fortführen können. Um das alte, gewachsene Dorfensemble mit seinen für das Kirchspiel Slěpe/Schleife typischen Höfen künftigen Bewohner/-innen zu erhalten, dürfen jedoch keine Gebäude abgerissen werden“, so das Bündnis, das auch darauf verweist, dass im Koalitionsvertrag eigentlich vereinbart war, keine weiteren Braunkohlefelder zu genehmigen, die nicht für die Dauer des Betriebs der Kraftwerke gebraucht werden.

„Im sächsischen Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass für die Braunkohleförderung keine Flächen in Anspruch genommen oder abgesiedelt werden dürfen, die für den Betrieb der Kraftwerke im Rahmen des Kohlekompromisses nicht benötigt werden“, stellt das Bündnis fest und verweist auf das Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, das zu dem Schluss kommt, „dass die bereits genehmigten Tagebaue um etwa 80 Millionen Tonnen verkleinert werden können – also ohne das Sonderfeld Mühlrose anzutasten. Fraglich ist auch, wer die Umweltschäden und Entschädigungen zahlt, wenn die LEAG pleite gehen sollte, was bei der aktuellen Unwirtschaftlichkeit der Kohleindustrie von vielen Expert/-innen als wahrscheinlich gewertet wird.“

Für die Kohle unter Mühlrose gibt es keine bergrechtliche Genehmigung und Antonia Mertsching will der LEAG ein Haus abkaufen

Für die Kohle unter Mühlrose gibt es keine bergrechtliche Genehmigung und Antonia Mertsching will der LEAG ein Haus abkaufen

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar