Im Sächsischen Landtag wird schon heftig diskutiert, die Linksfraktion hat zwei Anträge dazu gestellt. Denn spätestens, seit Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann angekündigt hat, dass es im Haushalt des Freistaats ab 2023 heftige Einschnitte geben wird, weil die zur Corona-Krisenbewältigung aufgenommenen Milliardenkredite binnen acht Jahren wieder zurückgezahlt werden müssen, ist zumindest den Wacheren im Parlament klar, was für ein Bockmist die 2013 beschlossene Schuldenbremse ist. Nun meldet sich auch der DGB zu Wort.

Mit Blick auf die Sitzung des Koalitionsausschusses am Dienstag hat der sächsische DGB-Vorsitzende Markus Schlimbach die Koalitionspartner aufgefordert, jetzt die Vorhaben des Koalitionsvertrags umzusetzen und für finanzielle Planungssicherheit zu sorgen.Schlimbach mahnte dabei auch eine zügige Reform der Schuldenbremse an. „Die Schuldenbremse in Sachsen muss jetzt reformiert und der aberwitzig kurze Tilgungszeitraum auf 50 Jahre verlängert werden. Die Aufstellung der Haushalte der Ministerien beginnt jetzt und wer die Entscheidungen zur Schuldenbremse hinauszögert, zwingt die Ministerien zu Sparhaushalten in allen Bereichen“, sagte Schlimbach.

Die Schuldenbremse war ein Prestigeprojekt der damaligen CDU/FDP-Regierung. In beiden Parteien ist bis heute das Staatsverständnis lebendig, dass man am besten wirtschaftet, wenn man die Steuern unten hält und gleichzeitig den Staat daran hindert, überhaupt Kredite aufzunehmen. Was dann die Regierungen zu eiserner Haushaltsdisziplin zwingt, was in der Regel freilich heißt, dass viele wichtige Investitionen nicht getätigt werden, Fördertöpfe ständig überzeichnet sind und das Land aus dem Modernisierungsstau nie herauskommt.

Schuldenbremse versagt in der Krise

In Krisenzeiten aber funktioniert so eine Schwäbische-Hausfrau-Mentalität nicht. Das wurde selbst den konservativsten Landtagsabgeordneten im Sommer 2020 klar, als man zuschauen konnte, wie die Steuereinnahmen wegbrachen, während der Freistaat gleichzeitig Hilfsprogramme für die Kommunen auflegen musste. Und schnell war auch die Größenordnung klar, in der auf einmal frisches Geld benötigt wurde. Sechs Milliarden Euro bewilligte der Landtag für die Coronafolgenbewältigung.

Dumm aber ist, dass die 2013 von der Landtagsmehrheit beschlossene Schuldenbremse für die Abtragung solcher Kreditaufnahmen in Krisenzeiten einen völlig unrealistischen Rückzahlungszeitraum festgelegt hat. Binnen acht Jahren müsste Sachsen die sechs Milliarden Euro irgendwo im Haushalt abzwacken.

Schon ab 2023 müsste Sachsen – so wie es der Finanzminister in seinem im Dezember vorgelegten Bericht zur mittelfristigen Finanzplanung aufgeschrieben hat – 375 Millionen Euro an Corona-Krediten rückzahlen, 2024 sogar 705 Millionen Euro und die nächsten Jahre so fortlaufend, bis die sechs Milliarden Euro wieder abgetragen sind. Wenn es denn sechs Milliarden werden.

Die prognostizierten Steuerausfälle kämen noch obendrauf

Aber schon die genannten Summen würden die Probleme im Haushalt massiv verstärken, denn gleichzeitig rechnet Hartmut Vorjohann ja auch noch mit Steuerausfällen in Milliardenhöhe. In der „Mittelfristigen Finanzplanung“ heißt es dazu: „Damit ergeben sich gegenüber der bisherigen Finanzplanung im Zeitraum 2020 bis 2023 Mindereinnahmen in Höhe von insgesamt etwa 5,2 Mrd. Euro, welche im Wesentlichen auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind.“

Das sind zwar nur die hochgerechneten Zahlen aus den letzten Steuerschätzungen. Aber allein diese Mindereinnahmen würden den Haushalt massiv unter Druck bringen. Wenn gleichzeitig auch noch die Corona-Kredite wieder eiligst zurückgezahlt werden sollen, entstehen jährlich – so rechnet es auch das Finanzministerium vor – ab 2023 Finanzierungslücken von 2 Milliarden Euro.

Das würde den Freistaat in Sparzwänge versetzen, die er so seit seiner Wiedergründung 1990 nicht hatte. Und ihn letztlich auf Jahre hinaus handlungsunfähig machen. Mit dramatischen Folgen, wie Schlimbach betont. Denn die Investitionen von Land und Kommunen sind der wichtigste Motor auch für die sächsische Wirtschaft.

„Sachsen braucht eine mutige Investitionsoffensive, um die Mängel in der Bildung, Digitalisierung, sozialen Absicherung oder dem Gesundheitswesen zu beheben und gleichzeitig die Herausforderungen der Transformation der Industrie, des Klimaschutzes, des Strukturwandels und des demografischen Wandels zu bewältigen“, sagt Schlimbach.

Gleichzeitig aber sind während der Corona-Pandemie und des Bundestagswahlkampfes wichtige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag liegengeblieben. Schlimbach: „Jetzt ist es an der Zeit, diese zügig umzusetzen. Wir erwarten, dass zeitnah unter anderem ein modernes Vergabegesetz mit Tariftreueklausel und ein Vorschlag für die Novellierung des Personalvertretungsgesetzes vorgelegt werden.“

In der Krise zeigt sich nun, wie fragil die Finanzierung der ostdeutschen Bundesländer ist. Nur dass Sachsen das einzige ostdeutsche Bundesland ist, dass zur Krisenbewältigung allein auf Kredite zurückgreift und gleichzeitig schon wieder ans Abtragen der Kredite denkt, ohne dass die Krise tatsächlich überwunden ist.

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