LZ/Auszug aus Ausgabe 55Wunder gibt es immer wieder – wenn man nur hart genug daran arbeitet. Das hat nun auch der Rugby Club Leipzig (RCL) vorgemacht. Bis zum allerletzten Spieltag der 1. Bundesliga Nord/Ost zierten die Blau-Gelben das Tabellenende und galten damit als Abstiegskandidat Nummer 1. Doch als es wirklich darauf ankam, wuchsen die Leipziger über sich hinaus und bleiben nun auch in der kommenden Saison erstklassig.

Die Situation vor dem abschließenden Spieltag war folgende: Leipzig lag mit 15 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz (8. Platz). Dieser würde den direkten Abstieg in die 2. Liga bedeuten. Davor, auf Rang 7, stand punktgleich der SG Odin/VfR Döhren, welcher im direkten Vergleich gegen den RCL aber besser abgeschnitten hatte.

Der 7. Platz bedeutet in der Endabrechnung die Teilnahme an der Relegation, die Chance auf den Klassenerhalt wäre also noch gegeben. Im sicheren Hafen wäre man erst auf dem 6. Platz, den mit 20 Punkten auf der Habenseite der RC Berlin Grizzlies innehatte. Erschwerend hinzu kam für Leipzig, dass am letzten Spieltag mit dem RK 03 Berlin ein Spitzenteam der Liga anreiste.

„Wir wussten, dass es die theoretische Möglichkeit gibt, direkt drinzubleiben, wenn wir fünf Punkte holen“, blickt RCL-Präsident Karsten Heine zurück. „Da wir vermutet hatten, dass Odin/Düren gegen den Berliner RC keinen Punkt holt – und sich Germania List von den Grizzlies Berlin auch nicht den Schneid abkaufen lässt, hätten ein bis zwei Punkte für die Relegation gereicht. Damit wäre die Welt für mich schon relativ in Ordnung gewesen.“

Da der RK 03 bereits vor der Partie in Leipzig den 3. Tabellenplatz fest verbucht hatte, keimte bei Heine zusätzliche Hoffnung: „Wenn ich ehrlich bin, habe ich ein kleines bisschen gehofft, dass den Berlinern dieses Spiel nicht ganz so wichtig ist und sie mit einer B-Elf nach Leipzig kommen“, verriet er der „Leipziger Zeitung“. „Als ich dann aber die Aufstellung gesehen habe, mit den beiden Nationalspielern, dachte ich nur: Schade eigentlich!“.

Doch den entscheidenden Auftritt seiner Männer konnte er gar nicht direkt vor Ort verfolgen. „Meine Tochter hatte Jugendweihe, da habe ich – gefühlt – das erste Heimspiel meines Lebens verpasst“, so Heine. „Aber manchmal muss man Prioritäten setzen, auch wenn das bei so einem wichtigen Spiel natürlich schwierig ist. Aber man ist ja nicht nur Funktionär, sondern auch Familienvater.“

Über den Stand der Dinge hielt er sich dennoch auf dem Laufenden und war mehr als verblüfft: „Ich habe das Spiel am Liveticker verfolgt und konnte gar nicht glauben, was da passiert. Das war alles ziemlich surreal. Der RK ist ja keine Mannschaft, die man einfach mal so an die Wand spielt. Als sechs Minuten vorbei waren und wir zwei Versuche gelegt hatten, dachte ich, da veralbert mich jemand. Und das ging ja bis zum Ende so weiter. Offensichtlich waren die Berliner mental noch gar nicht richtig da – und als sie dann da waren, war es für sie schon zu spät.“

So stand am Ende des Tages ein glasklarer 48:19-Erfolg des RC Leipzig zu Buche, der kaum für möglich gehaltene fünf Punkte einspielte. Da die beiden anderen Abstiegskandidaten nicht ausreichend nachlegen konnten, sprangen die Sachsen direkt auf den rettenden 6. Platz und müssen sich um den Klassenerhalt nun keine Sorgen mehr machen.

So richtig gerne blickt Karsten Heine trotzdem nicht auf das vergangene Spieljahr zurück. „Für uns war es eine furchtbare Saison, auch wenn wir am Ende das Glück auf unserer Seite hatten. Ich habe ganz viele graue Haare bekommen. Zwischenzeitlich waren gleich 18 unserer Leistungsträger krankgeschrieben, wodurch wir bis zum Ende der Hinrunde im Prinzip mit unserer 2. Mannschaft gespielt haben. Wenn du aber nach der Hinrunde null Punkte hast, ist das alles nicht mehr lustig. Da ist die Moral schlecht, der Druck groß und auch der Zusammenhalt in der Mannschaft wird immer schwieriger.

So gesehen, war die Rückrunde von der Qualität her gar nicht so schlecht. Wir haben drei von sechs Spielen mit fünf Punkten gewonnen. Wir haben am Ende gezeigt, was wir wert sind und haben Glück gehabt, denn das hätte auch alles ganz anders kommen können. Zum Glück ist der Kelch an uns vorübergegangen. Ich brauche so etwas jedenfalls nicht noch mal.“

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