Während Sachsens Ministerpräsident immer wieder Briefe schreibt und auch der Wirtschaftsminister den Bundeswirtschaftsminister für sein Eckpunktepapier zur Energiewende kritisiert, hat sich die Linksfraktion im Sächsischen Landtag hingesetzt und einen Gesetzentwurf geschrieben. Für sie ist sonnenklar, dass Sachsen ziemlich bald aus der Braunkohle aussteigt. Denn wenn es das nicht selber tut, wird es ausgestiegen. Das wäre wirklich eine Katastrophe.

Den Gesetzentwurf „Gesetz zur Bewältigung des Strukturwandels in den von Braunkohleabbau und -verstromung geprägten Regionen in Sachsen” (Sächsisches Strukturwandelfördergesetz – SächsStruktFördG) hat die Linke am Donnerstag, 30. April, erst einmal in 1. Lesung eingebracht. Dr. Jana Pinka, die Sprecherin für Umweltpolitik und Ressourcenwirtschaft der Linksfraktion, hat dazu den entsprechenden Vortrag im Landtag gehalten und den anderen Parteien erklärt, warum es jetzt notwendig ist, dass der Freistaat Vorsorge trifft.

Das Land hat nicht bis 2045 Zeit, den Strukturwandel zu beginnen, wie die wichtigsten CDU-Sprecher noch glauben. Es hat auch keinen Spielraum, beim schwedischen Staat um Aufschub zu bitten. Der Energieriese Vattenfall ist schon mittendrin in der Umstrukturierung, wird sich aber hüten, die konkreten Schritte öffentlich zu machen, bevor man einen Käufer für seine Lausitzer Kraftwerke gefunden hat. Und das wird nicht einfach.

Auch Sachsens SPD ist gut beraten, den Strukturwandel jetzt zu denken. Pinka wandte sich in ihrer Rede auch direkt an SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig: “Am Montag hat Minister Dulig von den schmerzlichen Erfahrungen der Ostdeutschen mit dem Begriff ‘Strukturwandel’ gesprochen. Er hat sicher recht. Mir ist es letztlich auch egal, wie wir die aktuellen Vorgänge nennen wollen: ‘Auslaufen der Kohle’ – die Sprachregelung der IGBCE, oder ‘Kohleausstieg’, das Wort, das die Umweltverbände nutzen. Und es ist nicht allein Herrn Gabriels Klimabeitrag, der das Ende der Kohle einläutet – das Ende der ungezügelten Braunkohleverstromung ist eine Forderung der Zeit, an der auch die Damen und Herren von der CDU nicht vorbeikommen. Wir müssen sehen: Es gibt kein ‘weiter so’ bis zum Sankt Nimmerleinstag. Bitte erkennen Sie die Realitäten und hören Sie auf, den Leuten zu versprechen, dass alles so bleiben wird, wie es vor zehn Jahren vielleicht mal war.”

In ihrem Gesetzentwurf weist die Linke auch darauf hin, dass der Ausstieg aus der Kohle in der Lausitz sogar längst beschlossen ist. Die beiden ältesten Kraftwerksblöcke in Boxberg sollen auch nach den Planungen von Vattenfall vor 2025 vom Netz gehen, das komplette Kraftwerk Jänschwalde vor 2030.

Aber das Tempo wird sich verschärfen, selbst wenn Sigmar Gabriel sein Eckpunktepapier nicht durchbekommen sollte.

Aber Jana Pinka sieht in dem Papier, was Sachsens Regierung und die Vattenfall-treue IG BCE nicht sehen wollen: “Bundeswirtschaftsminister Gabriel versucht, Fehlentwicklungen der letzten Bundesregierung mit eigenen Vorschlägen zu korrigieren und fordert unter anderem eine Klimaschutzabgabe für alte Braunkohlekraftwerke. Offensichtlich glaubt er auch nicht an eine Reform des Emissionshandels in der Europäischen Union. Auf die Frage, ob ein zusätzlicher Beitrag zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes europäisch unzulässig wäre, antwortet er der Bundestagsfraktion von CDU / CSU im März 2015: ‘Bis 2020 wird der Emissionshandel keine nennenswerten Signale für den notwendigen Anpassungsprozess senden; es besteht deshalb die Gefahr von späten, abrupten Anpassungen und damit Strukturbrüchen. Das soll mit dem Klimabeitrag vermieden und es sollen für einen verträglichen Strukturwandel rechtzeitig die richtigen ökonomischen Signale gesetzt werden.’“

Der Ausstieg braucht also ein Steuerungsinstrument. Und er braucht die Vorbereitung für die Zeit danach. Denn die Frage steht: Wo sollen die Kumpel dann eine Arbeit finden, wenn Kohle nicht mehr geht?

Jana Pinka: “Ich möchte mich nicht zum Für und Wider dieser Abgabe äußern – diese Debatte hatten wir bereits – aber hier ist unübersehbar, dass es einen Bedarf an Steuerung von Entwicklung in diesen Regionen gibt. Ich zitiere Herrn Rohwer von Montag – ‘In der Lausitz existiert eine Monoindustrie.’ Oder Herrn Homann – ‘Wir dürfen Arbeitsplätze und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen.’ Das Problem ist also erkannt – und deswegen nochmal mein Plädoyer: Wir brauchen eine ehrliche Diskussion zum Strukturwandel und zwar hier in Sachsen und im Idealfall mit Brandenburg.”

Denn wirklich viel Zeit ist nicht. Selbst wenn der Kohleausstieg in der Lausitz erst 2025 beginnt (woran wohl auch in der Vattenfall-Geschäftsführung niemand mehr glaubt), braucht es die Schaffung neuer (Wirtschafts-)Strukturen in der Lausitz. Die Linke hat dafür die Schaffung eines Strukturfonds beantragt, der jährlich mit 10 Millionen Euro gefüttert werden soll. Sogar mit Zeitbegrenzung bis 2040. Immerhin ein Jahr, von dem die wichtigsten CDU-Vertreter noch immer glauben, dass dann die Meiler laufen. Aber wahrscheinlich liegt da die Linke näher an der Wirklichkeit, wenn sie vermutet, dass die Lausitz bis 2040 den Strukturwandel geschafft haben muss. Sonst sieht es für den Landstrich ziemlich finster aus.

Und an noch eine Tatsache erinnerte Pinka das Hohe Haus: Von der aktuellen Bundesregierung wird es keine Sonderbeihilfe für besonders vom Kohleausstieg betroffene Regionen geben. Jana Pinka: “Machen wir uns nichts vor: Herr Gabriel wird uns nicht weiterhelfen. Seiner Meinung nach braucht es aufgrund der Energiestrategie der Bundesregierung zunächst keine spezifischen Kompensationsmaßnahmen für einzelne Regionen. Das bedeutet, der Bund wird Sachsen kaum mit der Strukturwandelunterstützung unter die Arme greifen. Das müssen wir erstmal so hinnehmen- und gleichwohl im Bund auf Unterstützung drängen. Der erste Schritt muss jedoch hier von uns getan werden.”

Der Gesetzentwurf der Linksfraktion.

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