Manchmal muss man einige Daten noch nachliefern, weil sie zeitnah nicht unterzubringen waren. Am 27. Oktober hat ja der schwedische Energiekonzern seine Quartalszahlen für die ersten drei Quartale 2015 vorgelegt, einen Tag, nachdem man voller Freude verkündet hat, dass man zwei Kraftwerksblöcke in Jänschwalde in die deutsche "Kapazitätsreserve" verschieben wird.

“Derzeit ist geplant, Block F ab dem 01.10.2018 und Block E ein Jahr später ab dem 01.10.2019 für jeweils vier Jahre in die Sicherheitsbereitschaft zu überführen und danach stillzulegen. Vattenfall reduziert seine Kohlendioxidemissionen durch die Stilllegung um 8 Millionen Tonnen. Insgesamt verfügt Vattenfall in Brandenburg und Sachsen über rund 8.000 MW Erzeugungskapazitäten. Betriebsbedingte Kündigungen von Mitarbeitern im Zusammenhang mit der Sicherheitsbereitschaft schließt Vattenfall aus”, hatte der Konzern am 26. Oktober gemeldet.

Hätten die deutschen Minister und Ministerpräsidenten, die nun seit Jahr und Tag um die Erhaltung der Kohlestromerzeugung in der Lausitz betteln, auch die Meldung vom nächsten Tag etwas eingehender studiert, dann hätten sie dort die Gründe gefunden dafür, warum es Vattenfall so leicht fällt, zwei Kraftwerksblöcke zur Stilllegung anzubieten: Sie werden schlicht nicht gebraucht.

Denn die Schweden sind ja nicht in erster Linie CO2-Erzeuger, sondern Unternehmer. Der schwedische Staat erwartet von seinem Staatskonzern positive Zahlen. Die hat Vattenfall nach mehreren Monaten im Minus dann in Oktober wieder vorgelegt.

“Im Vergleich zum Vorjahr konnte Vattenfall das bereinigte Betriebsergebnis und den Cashflow während des dritten Quartals verbessern und seine Schuldenlast reduzieren. Die Verbesserung des Ergebnisses lässt sich vor allem mit einer höheren Erzeugung und niedrigeren Betriebsausgaben erklären“, so Magnus Hall, Präsident und Vorstandsvorsitzender von Vattenfall.

Das mit der höheren Erzeugung stimmt sogar. Dazu trug vor allem das bei Hamburg neu gebaute Steinkohlekraftwerk Moorburg bei, das seit 2014 in Betrieb ist. Vattenfall erhöhte also seine Energieerzeugung aus fossilen Energieträgern in den ersten neun Monaten von 18,8 auf 21,5 Terawattstunden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

“Die Marktbedingungen –

Mit einem erheblichen Überangebot im Markt und niedrigen Stromgroßhandelspreisen vor allem in Skandinavien – stellen jedoch weiterhin eine Herausforderung dar und gehen zulasten der Erzeugungsmargen. Obwohl Vattenfall die Kosten seit 2010 bereits substanziell gesenkt hat, müssen die Sparbemühungen fortgesetzt werden”, betonte das Unternehmen. Es ist also nicht nur in Deutschland so, dass der zunehmende Ausbau erneuerbarer Energien (und auch Vattenfall investiert mittlerweile am stärksten in Windkraftanlagen) das Stromangebot deutlich erhöht. Auch in Skandinavien ist der Effekt spürbar – mit dem Ergebnis, dass Strom an den Börsen immer billiger wird.

Mit einem Effekt, den Marktbeobachter eigentlich auch kennen sollten: Wenn Wind und Sonne immer mehr Strom quasi “kostenlos” produzieren, gibt es logischerweise ein wachsendes Überangebot an fossilen Energieträgern. Gibt es zwar eigentlich nicht, die Brennstoffe könnten ja eigentlich im Boden bleiben. Aber dann würden ja die Förderunternehmen dicht machen müssen. Das machen sie aber nicht, sondern bieten die geförderten Brennstoffe dann billiger an. Und das heißt nicht nur, dass der Ölpreis seit Mitte 2014 in den Keller gestürzt ist, sondern auch Gas etwas billiger geworden ist. Und die Tonne Kohle auf dem Weltmarkt kostet nicht mehr 100 Dollar wie 2013, sondern nur noch 5 Dollar.

Die billige Kohle hält also die Kohlekraftwerke noch in der rentablen Zone und sorgt dafür, dass die niedrigen Verkaufspreise von Strom an den Märkten wieder aufgefangen werden. Das trifft auch für Deutschland zu. An der Leipziger Strombörse EEX ist die Megawattstunde Strom, die 2013 noch 47 Euro kostete, auf rund 30 Euro gefallen. Und zwar ziemlich kontinuierlich die ganze Zeit. Bei 30 Euro je Megawattstunde liegt ungefähr auch die Rentabilitätsgrenze. Wenn die Kohlekraftwerke ihren Strom dauerhaft darunter verkaufen müssen, machen sie Verlust. Und alles sieht so aus, als ob das in den nächsten Jahren der Fall sein wird.

Es liegt also im Eigeninteresse der Kraftwerksbetreiber, entweder die (Über-)Produktion zu drosseln oder wirklich systematisch Kraftwerksblöcke vom Netz zu nehmen. Kostensenken heißt das dann in der Berichterstattung.

“Wir prüfen nun unter anderem die Möglichkeit, Teile unserer Verwaltung und der IT an externe Dienstleister auszulagern. Wir müssen unsere Beschaffungsprozesse weiter straffen und effizienter gestalten, damit wir zusätzliche Einsparungen realisieren können“, erklärte Konzernchef Magnus Hall.

Und dazu gehört – zumindest für Vattenfall – dass man sich einfach vom Risiko-Segment Braunkohleverstromung trennt. Der Wunsch der rot-grünen schwedischen Regierung, zumindest für den eigenen Energiekonzern, die CO2-Bilanz endlich zu verbessern, war für Vattenfall 2014 ein guter Vorwand, gleich mal die komplette mitteldeutsche Braunkohle zum Verkauf zu stellen.

“Während des dritten Quartals hat Vattenfall den Verkaufsprozess für seine deutschen Braunkohleanlagen weiter vorangetrieben und potenzielle Bieter angesprochen. Der Prozess verläuft plangemäß und kann voraussichtlich während des ersten Halbjahres 2016 abgeschlossen werden”, hieß es dazu zur Oktober-Bilanz.

Und auch wenn zwei Blöcke in Jänschwalde 2018 und 2019 mit staatlicher Alimentierung vom Netz gehen sollen, verbleiben für den möglichen Käufer noch einige dicke Kawenzmänner: in Brandenburg das Kraftwerk Schwarze Pumpe mit 1.600 MW Erzeugerkapazität, Jänschwalde (ebenfalls in Brandenburg) reduziert sich von 3.000 auf 2.000 MW, Boxberg in Sachsen dampft weiter mit 2.575 MW und im Kraftwerk Lippendorf besitzt Vattenfall ja den Block R, der 920 MW Erzeugerkapazität hat.

Jetzt kann man gespannt sein, ob der mögliche Käufer 2016 bereit ist, für den ganzen Laden 2 Milliarden Euro zu zahlen und ob dann auch der ganze Laden so in Betrieb bleibt.

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